Jetzt haben es Experten schwarz auf weiss: Die US-Notenbank Fed rückt von ihren früheren Plänen ab. Noch im Dezember waren für 2016 vier Zinserhöhungen im Kalkül. Die Protokolle der Januar-Sitzung belegen nun aber, dass die Währungshüter angesichts der Konjunkturabkühlung in China und wachsender Rezessionssorgen an den Finanzmärkten kalte Füsse bekommen. Sie hatten Ende 2015 erstmals seit rund zehn Jahren die Leitzinsen wieder angehoben - auf 0,25 bis 0,5 Prozent. Viele Fachleute rechnen jetzt nur noch mit zwei Schritten in diesem Jahr. Vieles spricht aber dagegen, dass die Fed bereits im März handeln wird. Ein Überblick:
Konjunktursorgen
Die US-Wirtschaft hat zum Jahresende massiv an Fahrt verloren: Sie wuchs aufs Jahr hochgerechnet nur noch um 0,7 Prozent. Im Sommer waren es noch 2,0 Prozent. Insbesondere die anhaltende Auftragsflaute in der Industrie schürt die Furcht vor einem Schwächeanfall. Auch Fed-Chefin Janet Yellen warnte jüngst, dass die konjunkturelle Erholung in Gefahr geraten könnte - zumal auch die Weltwirtschaft schwächelt, wie Exporteinbrüche in China und Japan zu Jahresbeginn zeigen. Bei manchen Investoren greift bereits die Furcht um sich, dass es in den USA zu einer Rezession kommen könnte.
Finanzierungsbedingungen
Die gedämpfte Weltkonjunktur und die Probleme in China haben die Finanzierungsbedingungen für US-Firmen verschärft, wie Yellen betont. William Dudley vom Fed-Ableger in New York wird noch deutlicher: Sollte diese Entwicklung anhalten, werde die Notenbank dies bei ihrer Zinsentscheidung im März mit ins Kalkül ziehen müssen. In einer Umfrage der Fed hatten US-Banken jüngst signalisiert, dass sie bei Geschäfts- und Immobilienkrediten 2016 voraussichtlich die Zügel anziehen werden.
Niedrige Inflation
Währungshüter Patrick Harker von der regionalen Fed in Philadelphia meint: Angesichts der unerwünscht niedrigen Inflation sind weitere Zinserhöhungen derzeit noch nicht nötig. Denn die Notenbank, die für stabile Preise sorgen soll, strebt für dieses Ziel eine Jahresteuerung von 2,0 Prozent an. Dieser Wert gilt als ideal für die Konjunkturentwicklung. Doch die Marke ist noch nicht in Sichtweite. Die Fed blickt insbesondere auf die Preisveränderungen bei den persönlichen Ausgaben der Verbraucher. Dabei werden die schwankungsanfälligen Kosten für Energie und Nahrungsmittel ausgeklammert. Dieser Wert lag im Dezember mit 1,4 Prozent deutlich unter dem Zielwert der Fed.
Geringes Lohnwachstum
Fed-Chefin Yellen setzt auf stärkere Lohnsteigerungen als Treiber für die Inflation. Im Januar stiegen die Stundenlöhne leicht um 0,5 Prozent, nachdem sie im Dezember stagnierten. Einer der Gründe für die relativ schwachen Zuwächse in jüngster Zeit: Millionen Amerikaner arbeiten Teilzeit und Hunderttausende haben entmutigt die Suche nach einem Arbeitsplatz aufgegeben. Dazu passt, dass die Erwerbsquote mit 62,7 Prozent so niedrig ist wie seit rund 40 Jahren nicht mehr. Sie gibt an, wie groß der Anteil der Amerikaner im arbeitsfähigen Alter ist, der in Lohn und Brot ist oder aktiv einen Job sucht.
Ölpreisverfall
Der massive Ölpreisverfall in den vergangenen eineinhalb Jahren freut zwar die Verbraucher, hat aber auch seine Schattenseite. Denn neben Russland und Saudi-Arabien sind die USA zu einem der führenden Ölproduzenten der Welt aufgestiegen - dank der umstrittenen Fracking-Technik zur Förderung von Schieferöl. Doch während die Saudis auch beim aktuellen Preis von rund 35 Dollar je Fass (159 Liter) noch profitabel fördern können, müssen viele Produzenten von Schieferöl mit einem Preis von mindestens 40 bis 60 Dollar kalkulieren. «Die Unternehmen verlieren jeden Monat mehr Geld», klagt etwa der Chef von TMR Exploration, Raymond Lasseigne, einem Fracking-Konzern im US-Bundesstaat Louisiana. «Es ist überall ganz übel.» Die Folge: Die Branche setzt den Rotstift an, entlässt Mitarbeiter, kürzt Investitionen.
Einige Bundesstaaten wie Texas - wo es eine starke Konzentration von Ölfirmen gibt - befinden sich deshalb im Abschwung. Dort schrumpft auch die Beschäftigung in der Industrie. Die Fed dürfte erst einmal abwarten, wie es mit dem Ölpreis weitergeht und welche Folgen er für die heimische Konjunktur hat.
Marktturbulenzen
Die US-Börsen starteten mit den stärksten Kursverlusten seit 2008 ins Jahr. Zeitweise lag der Dow-Jones-Index in diesem Jahr mit elf Prozent im Minus. Signalisiert die Fed baldige Zinserhöhungen, könnte das den Abwärtsdruck noch erhöhen, werden dadurch doch andere Anlageformen wie Staatsanleihen attraktiver. Das wiederum könnte auch den privaten Konsum belasten, der für etwa 70 Prozent der Wirtschaftsleistung sorgt. Schliesslich hält etwa jeder vierte Amerikaner Aktien und bangt bei Kursstürzen um sein Vermögen.
Dollar-Stärke
Rund ein Fünftel hat der Dollar binnen zwei Jahren zum Euro aufgewertet, im Vergleich zu anderen Währungen gewann er noch mehr. Das macht den US-Unternehmen das Leben schwerer, werden ihre Exporte doch dadurch im Vergleich zur Konkurrenz teurer. «Gegenwärtig bremst der Dollar die Wirtschaft sicherlich», sagt Commerzbank-Ökonom Bernd Weidensteiner. Ein Grund dafür ist auch die Zinspolitik der Fed, die mit ihren signalisierten Erhöhungen den Dollar für Investoren attraktiver macht.
Andere Notenbanken versuchen dagegen, ihre Währungen im Kampf gegen die Konjunkturflaute und Deflationsgefahren zu schwächen, indem sie ihre Geldpolitik weiter lockern. Die Europäische Zentralbank etwa könnte im März ihr Anleihen-Kaufprogramm ausweiten, die Bank of Japan hat negative Zinsen für einen Teil der Bankeinlagen eingeführt. Geht die Fed nun den umgekehrten Weg und erhöht ihre Zinsen weiter, dürfte der Dollar weiter aufwerten und der US-Wirtschaft noch mehr zu schaffen machen.
(reuters/ccr)