Heute Mittwoch öffnet die Mall of Switzerland seine Tore. Mit 65'000 Quadratmetern Fläche ist es das zweitgrösste Einkaufscenter der Schweiz, geschlagen nur vom Shoppi Tivoli in Spreitenbach. Rund eine halbe Milliarde Franken haben Investoren, vornehmlich aus Abu Dhabi, in das Projekt gebuttert.

Es ist unklar, ob sich dieses Investment je lohnen wird. Das Einkauscenter wurde zu einer Zeit geplant, als Online-Shopping noch kein Thema war. Im Oktober 2001 erklärte der Liftbauer Schindler, dass er seine Landreserven in Ebikon verkaufen wolle. Das Projekt «Ebisquare» wurde vorgestellt: Ein Shopping- und Freizeitzentrum mit Wellnessbad, Hotel, Büros und Wohnungen.

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Hohe Leerstandsquote

Es folgten turbulente Jahre. In der Politik regte sich Widerstand, Aktionäre sprangen ab, Mietinteressenten verliessen das Boot. Das Projekt wurde neu aufgegleist, aus «Ebisquare» wurde die «Mall of Switzerland». Im Juni 2014 begannen die Bauarbeiten, drei Jahre später folgt nun die Eröffnung. Allerdings ist die Leerstandquote noch relativ hoch: Von den angekündigten 120 bis 150 Läden sind 20 bis 30 Prozent nicht vermietet.

Die Händler halten sich zurück, weil sich die Shopping-Landschaft seit Beginn des Projekts massiv verändert hat. Der stationäre Handel leidet unter der Konkurrenz aus dem Internet. Überall wird das Filialnetz ausgedünnt, Traditionsmarken gehen Konkurs. Die jüngsten Opfer dieser Strukturbereinigung sind Musik Hug, Lahco, Fogal oder Charles Vögele. «Es handelt sich nicht um eine temporäre Krise, sondern um eine massive Marktveränderung», schreibt der Branchenverband der Schweizer Shoppingcenter zur Misere.

Alibaba weist die Zukunft

Es gibt aber auch zukunftstaugliche Modelle für ein Shoppingcenter. Das zeigt ein Blick ins Ausland. Der chinesische Online-Gigant Alibaba gibt Milliarden dafür aus, die Online-Einkaufwelt mit der Realität aus Stein und Mörtel zu verschmelzen. Anfang Woche hat das Unternehmen von Jack Ma in einem Video diese Vision nochmals vorgestellt (siehe unten).

Alibaba spricht von einem «Smart Store» – einem intelligenten Laden mitten in einem Einkaufszentrum. Das Geschäft hat nur eine begrenzte Auswahl an Produkten, allerdings lässt sich die ganze Palette in ihrer vollen Breite an diversen Bildschirmen anschauen. Diese Screens liefern auch zusätzliche Informationen zu einem Produkt, das physisch im Laden vorhanden ist. Die Informationen stammen von der Handelsplattform T-Mall. Das ist die grösste Online-Börse Chinas.

Einkaufen ohne Einkaufstaschen

Das Produkt selbst kann ein Kunde direkt im Laden kaufen oder auch nach dem Anprobieren bestellen und bezahlen. So verlässt ein Kunde den Laden ohne Einkaufstaschen, die Ware wird direkt nach Hause geliefert, der Einkauf ohne zusätzliches Gewicht fortgesetzt werden. Bezahlt wird mit Cash oder Alipay, der mobilen Payment-Lösung von Alibaba. Ein interessantes Feature: Auf den Bildschirmen kann ein Kunde Videospiele spielen. Das Handy ist der Controller. Zu gewinnen gibt es Gutscheine, die direkt vor Ort eingelöst werden können.

Alibaba hat das Konzept in den letzten Wochen und Monaten breit ausgerollt, wie der Konzern in einer Medienmitteilung vom Dienstag mitteilt. 100'000 Geschäfte wurden in China in derartige «Smart Stores» verwandelt. Zahlreiche Marken hätten sich auf das neue Einkaufserlebnis eingelassen, darunter etwa Adidas, L'Oréal und Mondelez. «Alles dreht sich um Engagement mit den Konsumenten, Interaktivität, Technologie und Analysen», heisst es im Communiqué.

Positive Rendite

Die Aktion steht in Zusammenhang mit dem «Singles' Day», der am 11. November stattfindet. Der Tag gilt als Gegenstück zum Valentinstag und soll die vielen Unverheirateten in China mit Schnäppchen trösten. Es ist der Höhepunkt im chinesischen Shopping-Kalender, das mittlerweile grösste Shopping-Festival der Welt. Im vergangenen Jahr machte Alibaba allein an diesem einen Tag einen Umsatz von 17,8 Milliarden Dollar.

In Ebikon, 9000 Kilometer weiter westlich, kann von derartigen Zahlen nur geträumt werden. Die Betreiber der Mall of Switzerland wären bereits glücklich, wenn sie 2 Prozent dieser Summe erreichen. In einem ganzen Jahr. Das sind knapp 400 Millionen Franken. So viel ist laut Experten notwendig, damit die Hochrisikoinvestition in der Zentralschweiz eine positive Rendite abwirft.