Beim diesjährigen Weltwirtschaftsforumin Davos teilen sich Sheryl Sandberg von Facebook, Jamie Dimon von JPMorgan Chase und Jack Mavon Alibaba das Rampenlicht mit einem Roboter namens HUBO. Sie werden sich an diese Gesellschaft wohl gewöhnen müssen.
Der preisgekrönte Roboter aus Südkorea ist etwa so gross wie ein Mensch, kann Treppen steigen und in ein Auto ein- und aussteigen. Der Star der diesjährigen Konferenz mit ihren 2500 ausgewählten Teilnehmern macht auch deutlich, welche Herausforderungen vor ihnen stehen: Wie können sie ihre Unternehmen und Arbeitsplätze im Zeitalter von künstlicher Intelligenz und Robotern sichern, ohne dass die wirtschaftliche Frustration überhand nimmt und sich rund um den Erdball Populismus und Konflikte ausbreiten.
Hochkarätige Politiker und Medienstars zu Gast
«Wenn sich einige der Vorhersagen über Technologie und Arbeitsplätze bewahrheiten, dann sollten wir alle uns Sorgen machen», sagt Alan Winfield, ein auf Roboter spezialisierter Professor an der University of the West of England, der in Davos sprechen wird. «Wir müssen Lösungen finden.»
Ausser mit Robotern werden sich die Top-Manager, Banker, Politiker und Volkswirte auch mit der Wirtschaftsabschwächung in China und ihrer Auswirkung auf die Finanzmärkte auseinandersetzen. Auf der Agenda stehen zudem die geopolitischen Spannungen von Nordkorea bis Saudi-Arabien, die europäische Zuwanderungskrise und die US- Präsidentschaftsambitionen von Donald Trump. Hochkarätige Politiker wie US-Vizepräsident Joe Biden, Grossbritanniens Premierminister David Cameron, Deutschlands Bundespräsident Joachim Gauck sind dabei und Medienstars wie Leonardo DiCaprio, Kevin Spacey und Will.i.am.
Soldaten und Generäle
Etwa 20 Sitzungen bei der vier Tage dauernden Konferenz beschäftigen sich mit dem offiziellen Thema, der «vierten industriellen Revolution», womit der gesamte sich schnell entwickelnde technische Fortschritt zusammengefasst werden soll.
Sandberg, Chief Operating Officer von Facebook, wird zusammen mit Microsoft-Chef Satya Nadella darüber debattieren, wie dieser Fortschritt Branchen und die gesamte Gesellschaft verändert. Stephen Schwarzman, der Vorsitzende von Blackstone Groupund Brian Moynihan, CEO von Bank of America, werden über die technologischen Herausforderungen für Finanzkonzerne diskutieren.
Neben der Vorstellung von HUBO wird es in der Technologieecke der Konferenz auch um Roboter gehen, die Krieg führen und potenziell «Soldaten wie auch Generäle» ersetzen sollen. Ein anderer Punkt ist, ob Innovationen den «Fall der Mittelklasse» hervorrufen, indem sie für Arbeitsplatzverlust sorgen. Die meisten Experten sind sich einig, dass der Vormarsch von Robotern und ausgefeilter Software Gewinner und Verlierer mit sich bringen wird - wie dies schon bei der Dampfmaschine und der Einführung der Massenproduktion der Fall war.
Millionen Jobs in Gefahr
Experten der Oxford University gehen beispielsweise davon aus, dass fast die Hälfte der Arbeitsplätze in den USA von der Automatisierung in den nächsten zwei Jahrzehnten bedroht sind. Vor allem soll es dabei auch um Top-Positionen gehen, die bislang grösstenteils nicht von den Auswirkungen des technologischen Fortschritts betroffen waren. Einer Analysedes Weltwirtschaftsforums zufolge könnten dadurch bis 2020 in den wichtigsten 15 Volkswirtschaften unterm Strich 5 Millionen Stellen zum Opfer fallen.
Im Finanzwesen bemüht sich Bank of America Merrill Lynch bereits darum, die Investment-Beratung für Kunden mit einem Anlagevermögen unter 250'000 Dollar zu automatisieren. Morgan Stanley und Wells Fargo & Co. wollen ebenfalls Robo-Berater entwickeln oder erwerben. Selbst die traditionell lukrativsten Investment-Nischen sind nicht sicher: Highbridge Capital, eine Hedgefonds-Tochter von JPMorgan, arbeitet zusammen mit Sentient Technologiesam Einsatz künstlicher Intelligenz für die Entwicklung von Investment-Strategien.
«Wenn die Top-Manager schlau sind, sehen sie darin eine Herausforderung, die sie für die Interessen ihrer Firma einsetzen können», sagt Tim Adams, der früher im US- Finanzministerium tätig war und nun das Institute of International Finance leitet. Bank of America geht davon aus, dass allein in den Branchen Herstellung und Gesundheit im Verlauf des nächsten Jahrzehnts Einsparungen in Höhe von 9 Billionen Dollar möglich sind. Die Produktivität in vielen Branchen könnte um fast ein Drittel hochschnellen.
Zahl der Betroffenen könnte höher als erwartet sein
Die Frage ist, was passiert, wenn die Nebenwirkungen der «Revolution» so umfassend sind, dass die Nachfrage nach genau den Produkten, die von den neuen Maschinen hergestellt werden, nachlässt. Anlass zur Sorge gibt dabei die Möglichkeit, dass mehr Menschen als bislang erwartet betroffen sein könnten. Analysten von McKinsey & Co. schätzen, dass bis 2025 Roboter und automatisierte Software die Arbeit von 140 Millionen Fachkräften übernehmen können.
Enttäuschung über die aktuelle Entwicklung der Wirtschaft zählt zu den wichtigsten Unterstützungsmotoren für Anti- Establishment-Politiker wie Trump, sagt Davos-Stammgast Stu Eizenstat, der früher für das US-Innen- und -Finanzministerium tätig war und nun für die Anwaltskanzlei Covington & Burling LLP tätig ist. Wenn die Entscheidungsträger nicht aufpassen, könnten wir «eine Revolution sehen, die viele Mitglieder des Mittelstands entrechtet und eine Menge Unmut erzeugt», warnt er.
Etwas optimistischer zeigen sich jedoch diejenigen, die an der Speerspitze der neuen Entwicklungen stehen. Sie setzen darauf, dass mit revolutionärer Technologie die «grossen Probleme» wie Klimawandel und Krankheiten gelöst werden könne. Gleichzeitig sollen gewöhnliche Arbeiter dadurch produktiver werden, sagt IBM-Vizepräsident Guru Banavar. «Letztendlich werden sich die Menschen an diese Maschinen, die lernen und überlegen können, gewöhnen müssen.»
(bloomberg/ccr)