Es ist der Absturz eines Überfliegers. Klaus Schwab, der 87-jährige Gründer und Lenker des World Economic Forum (WEF) in Davos, wurde von jener Organisation fallengelassen, die er vor 55 Jahren gegründet hatte. Am Ostermontag gab Schwab seinen sofortigen Rücktritt bekannt. Damals deutete noch wenig auf den Eklat hin, der die Schweiz wenig später erschüttern sollte.
Noch am Dienstag erklärte Schwab gegenüber der «NZZ», er sei zum Schluss gekommen, dass es erheblicher Energie bedürfe, das Forum in dieser schwierigen Weltsituation zu führen. Zwar sei er erfreulich fit, doch nicht mehr derjenige, der diese Aufgabe übernehmen sollte. «Der Gründer soll nicht seine Nachfolge bestimmen», diktierte er dem Journalisten ins Notizbuch.
Diese Darstellung hielt nur wenige Stunden. Am Mittwoch machte das «Wall Street Journal» schmutzige Hintergründe publik, die den abrupten Rücktritt in ein neues Licht rückten. Die Zeitung zitierte aus anonymen Whistleblower-Schreiben, die massive Vorwürfe gegen Schwab und seine Frau erhoben.
Heikle Massagen
Die Rede war von Bargeldabhebungen in Höhe von Tausenden Dollar, Massagen in Hotelzimmern und weiteren Unregelmässigkeiten – etwa der privaten Nutzung einer pompösen Genfer Villa oder als geschäftlich kaschierte Privatreisen seiner Frau. Schwab reagierte prompt mit einer ausführlichen Stellungnahme, in der er sämtliche Vorwürfe entschieden zurückwies. Die angeblichen Cash-Bezüge an Geldautomaten bezeichnete er als «glatte Lüge».
Der Streit eskalierte damit vollends. Wie Medien mit Bezug auf das Umfeld von Schwab berichteten, habe er Hausverbot erhalten und könne nicht mehr auf seine Unterlagen zugreifen. Schwab selbst behauptete, er habe nie Gelegenheit gehabt, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Das Tuch zwischen dem Stiftungsrat des WEF und seinem Gründer war endgültig zerschnitten. Schwab sieht sich als Opfer einer Schmutzkampagne und hat Anzeige gegen unbekannt wegen Diffamierung eingereicht.
Was ist dran an den Vorwürfen?
Wie die Organisation gegenüber Blick bestätigt, hat Klaus Schwab kein Hausverbot. Sein Badge sei weiterhin aktiv, er könne das Gebäude betreten und habe Zugang zu einem ehemaligen Büro, um etwa Notizen oder persönliche Gegenstände abzuholen. Im sogenannten «Chairmans Office» kann Schwab hingegen nicht mehr arbeiten, da er diese Rolle nicht mehr innehat. Auch sein Diensthandy darf er weiterhin benutzen. Die Behauptung, Schwab sei komplett aus der Organisation ausgesperrt worden, sei somit falsch.
Auch in einem weiteren zentralen Punkt widerspricht das WEF: Laut der Organisation hatte Schwab sehr wohl Gelegenheit zur Stellungnahme. In seiner eigenen Erklärung schreibt Schwab, der Stiftungsrat habe seine Entscheidungen getroffen, «obwohl ich nie die Gelegenheit hatte, schriftlich oder persönlich zu diesen verleumderischen Anschuldigungen Stellung zu nehmen».
Tatsächlich hatte der Stiftungsrat am Ostersonntag zu einer dringlichen, ausserordentlichen Sitzung eingeladen – an der Schwab hätte teilnehmen können, wie das WEF bestätigt. Schwab habe seine Teilnahme jedoch abgesagt.
Die Vorwürfe werden nun im Rahmen einer externen Untersuchung geklärt. Damit beauftragt ist die Zürcher Kanzlei Homburger, wie das WEF auf Anfrage bestätigt. Üblicherweise werden bei solchen Prüfungen vor allem elektronisch verfügbare Unterlagen und Korrespondenzen gesichert und ausgewertet.
Unermüdlicher Schaffer
Unabhängig vom Ausgang der Untersuchung endet Schwabs Karriere als Lenker des WEF auf tragische Weise. Er scheidet aus einer Organisation aus, deren Fundament er 1971 in Davos gelegt hatte. Sein ganzes Leben und Schaffen stellte er in den Dienst des Forums. Mitarbeitende in Genf beschreiben ihn als unermüdlichen Schaffer, der selbst in den seltenen Ferien stets mit der Geschäftsstelle in Kontakt blieb und vom Liegestuhl aus Inputs und Ideen lieferte.
Dass bei einer derart intensiven und langjährigen Tätigkeit private und geschäftliche Interessen verschwimmen, ist nicht ungewöhnlich. Dass man einen Chef über eine Spesenaffäre stürzen lassen kann, ebenfalls nicht – Beispiele dafür gibt es reichlich. Wie das WEF bestätigt, wurden die Spesen von Klaus Schwab und seiner Frau Hilde regelmässig von einem designierten Mitglied der Stiftungsleitung – üblicherweise dem Finanzchef – geprüft. Als externe Revisionsstelle ist die Firma Forvis Mazars mandatiert. Auch sie werden Fragen beantworten müssen.
Wie eng Schwab und seine Frau Hilde mit dem WEF verbunden waren, zeigte sich nicht nur im Januar in Davos, wenn Schwab und seine Frau vom frühen Morgen bis spät in die Nacht durch die Kongresshallen schritten und zahllose Hände schüttelten. Auch die Statuten des WEF, auf der Website öffentlich einsehbar, belegen diese enge und nicht unproblematische Verflechtung.
In Artikel 11 ist Schwabs Machtanspruch eindeutig festgeschrieben. Konkret heisst es: «Herr Klaus Schwab, der das Forum gegründet hat, oder mindestens ein von ihm benanntes unmittelbares Familienmitglied ist Mitglied des Stiftungsrats. Der Gründer bestimmt selbst seinen Nachfolger im Stiftungsrat und damit dessen Nachfolge.» Die Regelung seiner Nachfolge blieb ihm am Schluss verwehrt.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Blick unter dem Titel «WEF wehrt sich gegen Vorwürfe von Gründer Klaus Schwab».