Nestlé boykottiert Youtube. Der Lebensmittelkonzern aus Vevey schaltet aktuell keine Werbung mehr auf der Video-Plattform von Google, wie mehrere Medien berichten. Auf Anfrage der «Handelszeitung» bestätigt eine Sprecherin: «Wir haben beschlossen, vorübergehend nicht mehr auf Youtube zu werben.» Der Entscheid sei in Nordamerika bereits Kraft, habe aber globale Reichweite.
Hintergrund ist ein Skandal um einen angeblichen «Soft-Core-Pädophilie-Ring». Youtube-Blogger Matt Watson hat am Sonntag in einem 20-minütigen Clip detailliert beschrieben, wie Pädophile die Kommentarfunktion verwenden, um bestimmte Videos zu identifizieren, in denen junge Mädchen in sexuell suggestiven Posen gezeigt werden.
Das Video von Watson wurde bislang fast 2 Millionen Mal angesehen. Der Empfehlungsalgorithmus von Youtube soll, so heisst es, Nutzer zu ähnlichen Inhalten führen – und damit die sexuelle Ausbeutung von minderjährigen Kindern fördern.
Diverse Firmen ziehen Werbung ab
Die Anzeigen von Nestlé liefen offenbar neben solchen Videos, wie der Konzern bestätigt. Es handle sich aber nur um ein «sehr kleines Volumen» der Werbung auf Youtube: «Wir werden unsere Entscheidung nach Abschluss der laufenden Massnahmen von Google überarbeiten, um sicherzustellen, dass die Nestlé-Werbestandards eingehalten werden», sagt eine Nestlé-Sprecherin.
Diverse andere Firmen haben laut Medienberichten ähnliche Schritte eingelegt, darunter McDonald's, Disney, Canada Goose und Dr. Oetker.
Youtube reagiert derweil mit einer notfallmässig einberufenen Telefonkonferenz. Wie das «Wall Street Journal» berichtet, hielt die Google-Tochter am Mittwoch eine Telefonkonferenz mit zahlreichen wichtigen Anzeigenkunden ab. Die Manager versprachen offenbar, innerhalb von 24 Stunden zu reagieren und aufzuzeigen, wie das Problem angegangen wird.
Youtube ist für Google eine wichtige Einnahmequelle, auch wenn der Mutterkonzern Alphabet keine konkreten Zahlen herausgibt. Analysten des Unternehmens Nomura Instinet haben errechnet, dass die Plattform 2017 knapp 13 Milliarden US-Dollar an Umsatz generiert hat. Das sind fast 14 Prozent des Werbeumsatzes von Google, der 2017 bei 95,4 Milliarden US-Dollar lag. Bis 2020 soll der Youtube-Umsatz auf 22 Milliarden US-Dollar steigen.
(ise)