Die Verbesserung der französischen Aussprache findet natürlich in der schönsten Gegend Südfrankreichs statt. Wer sein Business-Englisch auffrischen will, hat in lauschigen Badeorten an der Kanalküste Gelegenheit dazu. Sollte es an sozialer Kompetenz mangeln, ist ein Kurs in einem Seminarhotel angesagt. Wer seine Kommunikationsfähigkeit trainieren, seine Leadership-Qualitäten auf Vordermann bringen, sein Organisationstalent schärfen oder seine Work-Life-Balance in den Griff bekommen will, findet, was er sucht.
Längst sind die Zeiten vorbei, als die Weiterbildung die Domäne der Volkshochschulen war. In der Schweiz gibt es eine Weiterbildungsindustrie aus privaten und staatlichen Unternehmen mit einigen Tausend Mitarbeitern. In den Unternehmen beschäftigen sich ganze Abteilungen damit, den Mitarbeitern in Kursen und Seminaren mehr oder minder nützliches Wissen beizubringen. Das Angebot reicht vom Augentraining für Kurzsichtige über die Einführung in den Umgang mit Word oder Excel bis hin zu mehrjährigen Lehrgängen. Wie viel Geld die Branche macht, ist nicht abzuschätzen, denn an verlässlichen Zahlen fehlt es. Experten rechnen damit, dass der Umsatz im dreistelligen Millionenbereich liegt.
Doch im dritten Jahr der Wirtschaftskrise darbt die Branche. Die Weiterbildungsbudgets der Unternehmen werden zusammengestrichen. Die Verantwortung für die persönliche Fortbildung wird auf die Mitarbeiter abgeschoben. Die müssen häufig nicht nur ihre Freizeit opfern, sondern selbst für die Kurse und Seminare ins Portemonnaie greifen.
«Das Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten ist kaum zu überschauen», sagt Andreas Meirich. Bis vor kurzem war er CEO und Delegierter des Verwaltungsrats der Athemia-Gruppe, eines der grössten Anbieter auf dem Schweizer Markt für Schulung und Weiterbildung. Heute berät er als unabhängiger Consultant Unternehmen in Deutschland und der Schweiz bei der Evaluation und der Auswahl der für ihren Bedarf am besten geeigneten Personaldienstleistungen.
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Viele Anbieter zielen eher auf das schnelle Geld als auf eine nachhaltige Wirksamkeit ihrer Angebote. Sie offerieren Schnellbleichen zur Behebung bestimmter Missstände, vergessen dabei allerdings, dass sich die Weiterbildung nur dann bezahlt macht, wenn das Gelernte auch wirklich verinnerlicht wird. Einmal einen Wochenkurs zu buchen, bringt wenig. In der Folge fällt die Lernkurve steil ab.
«Weiterbildung ist eine wichtige Komponente der Wertschöpfung», sagt Experte Andreas Meirich. Deshalb sollte auf die Auswahl der richtigen Weiterbildung grosser Wert gelegt werden. Am Anfang muss eine genaue Bedarfsanalyse stehen, damit eine Lösung gewählt werden kann, die den besten Einsatz von Zeit und Geld verspricht. Entscheidend ist, dass die Weiterbildungsinhalte auch nachhaltig verankert werden. Es nützt wenig, ein mehrtägiges Seminar anzubieten und dann zu hoffen, dass das Gelernte tatsächlich hängen bleibt. «Weiterbildung muss gut geplant, sehr gut durchgeführt und schliesslich exzellent implementiert werden», sagt er.
Verschiedene Anbieter haben auf diesen Trend reagiert. Die TCM Tschuppert in Rotkreuz ZG, ein Schulungsunternehmen für den Verkauf, bietet für Teilnehmer während eines Jahres nach dem Seminar die Möglichkeit, an Abendkursen teilzunehmen, in denen das Gelernte aus der Alltagsperspektive reflektiert wird. Boa Lingua in Zug, eine Agentur, die Sprachtrainings für Kaderleute vermittelt, klärt genau die Kenntnisse der Interessenten ab, um dann eine optimale Weiterbildung zu vermitteln.
Doch die Schulung der Mitarbeiter ist einer der ersten Budgetposten, der bei Sparrunden zusammengestrichen wird – derzeit sogar recht massiv. Branchenkenner gehen davon aus, dass in diesem Jahr zwischen 15 und 30 Prozent weniger Geld von den Unternehmen in Weiterbildung investiert wird.
Die Logik dahinter: Die Kosten jetzt einsparen und sich um die Auswirkungen von schlecht ausgebildeten Mitarbeitern dann kümmern, wenn die Probleme akut werden. Diese Tendenz betrifft vor allem die Ausbildung in Bereichen, die eher den «weichen Faktoren» zugeordnet werden: Sozialkompetenz, Leadership-Qualitäten oder Management für Fortgeschrittene.
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«Viele Kunden stellen ihre nachhaltige Weiterbildung erst einmal zurück und wollen sie im nächsten Jahr wieder ins Budget nehmen», sagt Peter Urs Naef von der UBGnetwork in Steinen SZ, die Managementschulungen anbietet. Es mangelt dabei aber nicht nur an Geld, sondern auch an Musse, sich in turbulenten Zeiten mit zwar wichtigen, aber wenig dringlichen Problemen wie etwa der eigenen mangelnden Kommunikationsfähigkeit zu beschäftigen. «Die Leute an der Spitze haben im Moment ganz andere Probleme», sagt Naef.
Anders sieht es allerdings dort aus, wo die Weiterbildung einen unmittelbaren Nutzen bringt. «Wenn man schnell einen Return on Investment erwarten kann, ist in den meisten Fällen noch Spielraum im Budget», sagt Weiterbildungsexperte Meirich. Wiederholungsseminare über Verkaufstaktik oder Auffrischung von Akquisitionstechniken versprechen kurzfristig mehr Geld. Die Nachfrage nach Trainings in diesen Bereichen ist deshalb weiterhin sehr stark.
Welche Angebote am besten ankommen, ist stark vom momentanen Zustand des Konjunkturzyklus abhängig. Anfang des Jahres war Weiterbildung zum Thema Controlling und Sparen gefragt, mittlerweile zieht die Nachfrage nach Schulung im Bereich Umsatzsteigerung wieder an. «Wenn es der Wirtschaft wieder besser geht und man Geld hat, sich um die Mitarbeiter zu kümmern, werden wieder die schönen Themen gebucht», sagt Lukas Scherer, Rektor der Akad Hochschule für Berufstätige und der Privaten Hochschule Wirtschaft.
Während die Unternehmen tendenziell an der Weiterbildung sparen, ist sie bei Arbeitnehmern angesagt, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen wollen. Die Arbeitgeber haben ihnen die Verantwortung für die eigenen Fähigkeiten in der letzten Zeit zunehmend überlassen: Im Anforderungsprofil bei der Anstellung werden die Erwartungen an die gewünschten Eigenschaften nach oben geschraubt. Wer noch extra weitergebildet werden muss, wird erst gar nicht angeheuert. Zu gross ist das Angebot an qualifizierten Konkurrenten. «Bei der Weiterbildung, welche die Mitarbeiter selbst bezahlen, geht es darum, die eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern», sagt Andreas Meirich.
Die Rezession macht vielen Führungskräften klar, dass sie etwas für ihr Portfolio an Fähigkeiten tun müssen. Der Konkurrenzkampf der gut Ausgebildeten um Stellen ist riesig. Bei Headhuntern und Outplacement-Beratern stapeln sich derzeit die Dossiers. Mehr als hundert Bewerbungen von Hochqualifizierten für eine Stelle ist die Regel. Da hilft nur eines: noch besser werden.
«Wir erleben, dass sich Kaderleute vermehrt selbst um eine Verbesserung ihrer Sprachfähigkeiten kümmern», sagt Max Wey von Boa Lingua. Wer arbeitslos ist oder seinen Job in Gefahr sieht, drückt immer häufiger die Schulbank. Das Beispiel eines Swiss-Piloten, der anonym bleiben will, ist symptomatisch: Um für die Zukunft gewappnet zu sein, macht der leidenschaftliche Flieger eine Managementausbildung. Freie Wochenenden werden dann halt in den Seminaren und die Hausarbeiten zwischen einem Hin- und dem Rückflug manchmal in Delhi, manchmal in New York erledigt. Dahinter steckt das Prinzip Hoffnung. Wer weiss, was kommt und was man dann gebrauchen kann?
Die wahren Profiteure der Weiterbildungsoffensive sind die Fachhochschulen. Sie haben sich auf Weiterbildungsangebote für junge Berufsleute spezialisiert. Die seit knapp fünf Jahren auf dem Markt agierenden sieben Schweizer Fachhochschulen sind eine neue Grösse auf dem Markt, welche die Branche gründlich umgekrempelt hat.
Die Fachhochschulen nehmen vor allem den Universitäten Geschäfte weg. Hatten diese vorher fast das Monopol auf eine akademische Weiterbildung von Berufsleuten, locken heute die Fachhochschulen mit sehr guten Trainingsprogrammen immer mehr Interessenten an. Unternehmensführung kann man dort lernen, sich im Bereich Corporate Communications weiterbilden, Fachmann oder Fachfrau für Human- Resources werden. Die Nachfrage nach berufsbegleitender Weiterbildung etwa in Public Health oder Marketing ist immens.
Für die Fachhochschulen sind die Einnahmen aus den Kursen ein wichtiger Budgetposten, denn billig sind die Ausbildungen nicht gerade. Eine Investition von meist deutlich über 20 000 Franken Schulgeld ist selbst für eine Teilzeitausbildung erforderlich. Von der aufgewendeten Zeit in Form von ausgebuchten Wochenenden und Abenden und weiteren Unkosten für Unterkunft und Anreise ganz zu schweigen. An den Universitäten sind Post-Graduate-Studiengänge in, die sich allerdings an ein eher akademisches Publikum richten.
Bei den Beratungen zum Fachhochschulgesetz geriet in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre die Idee von privaten Fachhochschulen unter die Räder. Grosse Weiterbildungsunternehmen hatten sich vergebens dafür eingesetzt, dass auch sie eine Anerkennung als Fachhochschulen bekommen könnten. Stattdessen haben sich privatrechtliche Anbieter in die staatlichen Fachhochschulen integriert und bieten nun Kurse an, die zu einem Fachhochschulabschluss führen. So ist zum Beispiel die Akad Hochschule für Berufstätige Teil der Fachhochschule Aargau. Und die Private Hochschule Wirtschaft ist Teil der Berner Fachhochschule. Sie wird von einem Verein getragen, in dem unter anderem Hotellerie Suisse und der Schweizerische Gewerbeverband Mitglied sind. Auch andere Institutionen, so etwa das Schweizerische PR-Institut, das Teil der Zürcher Fachhochschule ist, bieten Fachhochschulabschlüsse an.
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