Wenn es an das Eingemachte geht, flüchten Politiker gerne in das Ungefähre. Denn das lässt Spielräume zu. Das wird momentan am Falle Griechenlands und der Debatte über die Bewertung der Riesenschulden ganz besonders deutlich. Am Ende könnte von der Klärung der Begriffsverwirrung sogar abhängen, ob sich der Internationale Währungsfonds (IWF) an dem neuen Hilfsprogramm für Hellas beteiligt oder nicht.
«Schuldenschnitt», «klassischer Haircut», «Umschuldung», «Schuldenerleichterungen», «Schuldenentlastungen», "Umstrukturierung», "Reprofiling" – so lauten die Begriffe, mit denen Bundeskanzlerin Angela Merkel, ihre Mitstreiter und Kontrahenten in Berlin, Brüssel, Frankfurt, Athen und Washington operieren. Dahinter steht die Frage: Was kann man tun, damit Griechenland von seinen knapp 302 Milliarden Euro Schulden nicht erdrückt wird?
Weitere Abstimmung steht an
Am Mittwoch stimmt Deutschland über das dritte Hilfspaket ab. Zahlreiche Parlamentarier stimmten zuletzt gegen weitere Griechenland-Hilfen. Morgen könnten es noch mehr werden. Denn obwohl Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble alles tun, um die Abgeordneten zu einer Zustimmung zu bewegen, haben bereits mehrere Abweichler erklärt, erneut mit Nein stimmen zu wollen.
Dass die Griechen auf ihre Last, die ihre jährliche Wirtschaftsleistung Ende des ersten Quartals um 70 Prozent überstieg und die nach Einschätzung der EU-Kommission und anderer Experten 2016 sogar auf über 200 wachsen wird, nicht verlässlich Jahr für Jahr Zinsen und Tilgungen zahlen können, ist Konsens. Der IWF fordert von den Europäern daher, ihrem Euro-Partner «Erleichterungen», «Entlastungen», eine «Umstrukturierung» der Kredite zu gewähren. Er hat sogar, das ist schon länger her, schon einmal von «Haircut» gesprochen. Jedenfalls will der Fonds sich ohne Hilfen zur Linderung der Schuldenlast, so sagt er, an einem neuen Hilfsprogramm nicht beteiligen. Die Deutschen aber halten eine IWF-Beteiligung für kaum verzichtbar.
Lieber allgemein als konkret
Griechenland sollen also «Schuldenerleichterungen» gegeben werden, «Schuldenentlastungen» – das sagen fast alle. Diese allgemeinen Begriffe bieten aber Raum für Vieles. Das macht sie bei den Politikern in der Griechenland-Debatte so beliebt.
In politisch vermintes Feld begibt sich der, der konkret wird. Das gilt für die Begriffe «Schuldenschnitt», «Haircut» oder auch «klassischer Haircut». Sie alle bedeuten, dass ein Geldgeber ganz oder zum Teil auf Kreditrückzahlungen verzichtet. Der Geldgeber muss den Betrag dann als Verlust ausbuchen. Betrifft dies einen Staat, geht es um Steuergelder und negative Folgen für den Haushalt. Das macht dieses radikalste Mittel einer Schuldenhilfe für den Gläubiger politisch riskant, schwer zu verkaufen. Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble schliessen dies für Griechenland aus.
Für «milde» Möglichkeiten gibt es drei Stellschrauben
Griechenland dagegen könnte ein «Haircut» helfen, wie der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sagt. Denn weniger Schulden bedeuten in den Augen privater Investoren bessere Aussichten, dass das Land fällige Zahlungen dauerhaft leisten kann. «Es geht um Vertrauen», sagt Fratzscher. Kurzfristig hätte Griechenland finanziell wenig davon, denn bis ins nächste Jahrzehnt hinein wurden Zins- und Tilgungen schon gestundet.
Es gibt aber noch andere, «mildere» Möglichkeiten der Hilfe. Hier geht es um die Begriffe «Umschuldung», «Umstrukturierung» und «Reprofiling». Dafür gibt es drei Stellschrauben: den Zins eines Kredits, die Laufzeit und die Gewährung zins- und tilgungsfreier Zeiten. Gedreht wurde an all diesen Schrauben bereits 2012, als Griechenland das zweite Hilfsprogramm gewährt wurde. Danach haben die europäischen Griechenland-Kredite mittlerweile eine Laufzeit von durchschnittlich über 32 Jahren, der Zins liegt bei nur noch rund 1,35 Prozent, wie der Euro-Rettungsfonds ESM kürzlich schrieb.
Nur bei den Laufzeiten gibt es noch Spielraum
Aktuell ist vor allem eines im Gespräch: eine weitere Verlängerung der Kreditlaufzeiten bis zu 50 oder gar über 60 Jahren. Beim Zins und bei tilgungsfreien Zeiten dagegen ist die Luft für weitere Entlastungen bereits dünn. Trefflich streiten kann man dennoch, wie stark man an den genannten Schrauben dreht. Schäuble hat bereits Pflöcke eingeschlagen: «signifikante» Wertminderungen bei den Krediten mitsamt den künftig erwarteten Zinszahlungen darf es nach seinem Dogma nicht geben. Das aber begrenzt das Ausmass dessen, was hier noch verändert werden kann. Dreht man nämlich den Zins zu stark nach unten, sinkt der Gegenwartswert des Kredits.
Es gilt aber auch: nicht bei allen Griechenland-Krediten darf an Stellschrauben gedreht werden. Das betrifft etwa die Darlehen des Internationalen Währungsfonds (IWF), rund 20 Milliarden Euro sind offen. Der Fonds forderte zwar von den Europäern schon mal einen Schuldenschnitt, nimmt seine Kredite aber aus. Er proklamiert für sich generell einen bevorrechtigten Schutz und steht für solche Operationen nicht zur Verfügung.
Auch die bei der Europäischen Zentralbank und den nationalen Euro-Notenbanken liegenden Griechenland-Anleihen von rund 27 Milliarden Euro sind in der Umschuldungsdiskussion aussen vor. Würden diese Papier von den Griechen allerdings zurückgekauft, was über einen Kredit des Rettungsfonds ESM denkbar wäre, könnten sie sehr wohl Teil einer Umschuldung werden.
(reuters/jfr)