Es geht die Mär, der gemeine Zwieback sei nichts anderes als ein Versehen, das Resultat einer Fehlmanipulation, Produkt bäckerscher Schusseligkeit. Zu Ende des letzten Jahrhunderts nämlich soll der junge Bäckermeister Joseph Hug im Halbschlaf an Stelle frisch geteigter Brotlaiber trockene Pfünderli vom Vortag in den Ofen geschoben haben, womit auf Grund des doppelten Backvorganges eben der Zwieback zu seinem Namen kam. «Äh wa», winkt Werner Hug ob dieser Anekdote belustigt ab, «die wussten doch schon damals ganz genau, was sie taten.» Der Zwieback auf jeden Fall, ob nun zufällig oder gewollt zur Kreation gebracht, steht auch heute noch als Symbol für die vor den Toren Luzerns beheimatete Backwarenfabrik Hug.
Das Model
Geführt wird das seit 127 Jahren bestehende Unternehmen von Werner Hug, dem ältesten, und Andreas, dem jüngsten von insgesamt sechs Hug-Geschwistern. Während Letzterem die Leitung von Entwicklung und Produktion obliegt, nimmt sich der 59-jährige Werner Hug als CEO und Delegierter des Verwaltungsrates vornehmlich der Vermarktung der mittlerweile rund 200 verschiedene Gebäcke umfassenden Produktepalette an. In diesem Ansinnen scheut dieser auch vor persönlichem, mitunter körperlichem Einsatz nicht. So agierte der einstmalige Junioren-Schweizermeister im Rudern letzten Winter auch als Werbemodel: In einem ziemlich skurrilen Fernsehspot trat Hug aus dem Vorratsschrank eines Zweikopfhaushaltes und setzte sich in seinem weissen Arbeitsschurz zwischen die flimmerkastenversklavten Couch-Potatoes. Getreu dem Slogan «Hug gehört einfach dazu».
Der Spot, ausgestrahlt sowohl im Schweizer Fernsehen als auch auf den deutschen Privatkanälen, ist inzwischen zwar ausgelaufen, aber Werner Hug wird trotzdem immer wieder auf seinen Kurzauftritt à la Monty Python angesprochen. «Vor allem jüngere Leute hatten ihre Freude an der kuriosen Geschichte», sagt Hug, der mit dieser Tatsache die Zielvorgabe erfüllt sieht: Die Erschliessung eines neuen, jüngeren Kundensegmentes. Denn Guetzli, ist sich der Firmenchef bewusst, sind nicht gerade Trendprodukte. Schon eher Pickereien mit dem Image des Traditionellen.
Umso mehr legt sich der Marketingfachmann täglich und wie bewiesen mit Leib und Seele ins Zeug, um die Vorzüge hugscher Backware zu unterstreichen. «Marketing bedeutet für mich, den Konsumenten den Mehrwert eines Produktes aufzuzeigen», betont Werner Hug, während er den Deckel einer Degustationsbox öffnet.
Da ist sie aufgereiht, die Hitparade der mundgerecht portionierten Trockenstückli: Läckerli neben Totenbeinli, neben Nuss- und Willisauer Ringli. Der harte Honigkringel ist es auch, der seit einigen Jahren einen wahren Boom erlebt. Denn mit der Übernahme des einstigen Produzenten Biscuits Willisau durch Hug im Jahre 1995 hat sich das Willisauer Ringli zu einem auch von Kalorienkalkulierern gern gereichten Lifestyleprodukt gewandelt. Zwar findet sich das Loch noch immer genau da, wo es hingehört (in der Mitte), auch hat sich am Rezept nichts geändert; und dennoch, das Willisauer Ringli hat ein neues Image, eines, das für Absatzrekorde sorgt.
Der Assistent
Der Duft feiner Gewürze zieht durchs Treppenhaus der auf Malterser Gemeindeboden stehenden Produktionshalle. Die Maschinen laufen auf vollen Touren. Der CEO, der von der halben Belegschaft mit einem unkomplizierten «Sali Werner» gegrüsst wird, schiebt sich sein Haarnetzchen zurecht. «Vorschrift», schmunzelt der Glatzkopf, «wir streben die Zertifizierung durch das Britsh Retail Consortium an, da müssen alle Vorgaben genau eingehalten werden.» Wo früher ein- und ausgehen konnte, wer grad wollte, verwehrt heute ein Schloss mit Zahlencode Unbefugten den Zutritt. Besucher werden nach kurzer Desinfizierung mit Schutzkleidern ausgestattet und sehen so aus, als ob sie Assistenzärzte auf Visite in der Chirurgie wären.
Viel hat sich geändert in der Zeit, in der Werner Hug im vom Urgrossvater gegründeten Betrieb tätig ist. Eingestiegen ist er Mitte der 70er Jahre als Assistenz der Direktion als rechte Hand des Vaters in diesem Falle. «Kein einfacher Start», gibt der 59-Jährige heute unumwunden zu. Das klassische Beispiel vom Unternehmer und seinem Sohn sei dies gewesen, das Problem der Generationen, der Diskrepanz zwischen Tradition bewahren und den Aufbruch wagen, die Geschichte auch vom Halten wollen und Loslassen können.
Werner Hug hat das Ruder der Familien-AG denn auch erst vor zehn Jahren definitiv übernommen, in einem Alter, in dem andere sich bereits aus dem operativen Geschäft verabschieden. Die Stabübergabe vom Senior an den Junior läutete gleichzeitig einen Umbruch ein. Sei die Backwarenproduzentin Hug bis dahin in ihrem Tun vor allem produkteorientiert gewesen, so habe man fortan marktorientiert agiert, führt der begeisterte Ausdauersportler aus, den es an Wintertagen über Mittag schon mal ins nahe gelegene Eigenthal oder auf den Glaubenberg zum Langlaufen zieht. «Wir haben uns darauf konzentriert, gerade im Bereich der brotähnlichen Produkte wie Dar-Vida, eine Nische zu füllen, in der wir den Grossverteilern und der ausländischen Konkurrenz die Stirn bieten können.» Die so genannten Brotcracker gehören denn auch zu den absatzstärksten Aushängeschildern des Innerschweizer Traditionshauses.
Der Unternehmer
Wer sich mit Werner Hug über Werner Hug unterhält, der landet sehr schnell bei der Firma Hug. Das eine geht ohne das andere nicht, der äusserst humorvolle Unternehmer ist ein solcher durch und durch und spricht deshalb auch viel lieber über Ideen, Kreationen und Visionen denn über Privates. Nur so viel: Verheiratet ist er, hat drei erwachsene Kinder, lebt in einem Haus in der Stadt Luzern, liebt von seinen eigenen Guetzli am meisten das «Amande» und surft für sein Leben gerne. Nicht virtuell im Netz, sondern noch richtig echt auf dem Wasser und immer hart am Wind, wie kürzlich erst während eines Frankreichurlaubs. Ruhig sitzen ist sein Ding nicht, und wenn er steht, dann tippelt er meist unruhig von einem Fuss auf den anderen.
Seinen Führungsstil bezeichnet Werner Hug als «von Haus aus eher autoritär»; Mitarbeiter und Kunden müssten schliesslich wissen, wer der Chef und somit die oberste Anlaufstelle im Haus ist. Indes, im Umgang mit seinem Gegenüber gibt sich der Guetzlibaron freundlich, offen und herzlich. Mehr mit dem Unternehmen gewachsener Patron eben als fremdvermittelter Manager. Was nicht mehr als logisch sei, habe er sich doch schon als Kind häufig in der elterlichen Backwarenfabrik nützlich gemacht, sagt Hug. Der Entscheid, den Betrieb einmal zu übernehmen, der sei allerdings nicht alleine von ihm gefällt worden. «Ich glaube, es braucht immer beides: Jemanden, der für eine Aufgabe in Frage kommt, und jemanden, der diesem ein bisschen Druck aufsetzt.» Zum Beispiel der Vater, zum Beispiel der Sohn.
Mit 59 denkt Werner Hug langsam, aber sicher laut darüber nach, bald kürzer zu treten. Bis in ein, zwei Jahren will er das Szepter seinem 15 Jahre jüngeren Bruder Andreas übergeben. Bei all dem Herzblut, das er im Verlaufe der letzten drei Jahrzehnte hat in das Familienunternehmen fliessen lassen, ist kaum anzunehmen, dass der Abschied vollumfänglich ausfallen wird. «Unternehmer zu sein bedeutet, niemals nichts zu tun», sagt Werner Hug und verweist darauf, dass er zumindest als Verwaltungsratsdelegierter auch in Zukunft weiterhin eng mit der Firma verbunden bleiben will.
Profil: Steckbrief
Name: Werner Hug-Krieger
Funktion: CEO und Delegierter des Verwaltungsrates der Hug AG, Malters bei Luzern
Alter: 59
Wohnort: Luzern
Familie: Verheiratet, drei erwachsene Kinder
Lieblingsguetzli: Amandes
Karriere:
1971-1974 Knorr, Leiter Betriebswirtschaftliche Abteilung
Seit 1975 bei der Hug AG
Seit 1994 CEO des Familienunternehmens (www.hug-luzern.ch)
Firma: Hug AG
Der Grundstein zum Traditionsunternehmen Hug wurde 1877 gelegt, als Bäckermeister Joseph Hug-Meyer an der Äusseren Weggisgasse im Herzen von Luzern sein eigenes Geschäft eröffnete. 1913 gründete sein Sohn, Josef Hug-Schmid, in Malters die Zwiebackfabrik Hug AG und trennte sich von der gewerblichen Bäckerei, der Bäckerei-Konditorei Hug in Littau. Mit Werner Hug-Krieger und Andreas Hug-Furrer ist mittlerweile die vierte Generation am Ruder der Backwarenfabrik, die im letzten Jahr 75,3 Mio Fr. Umsatz (+1%) erwirtschaftete und zurzeit rund 250 Personen beschäftigt.