Die Praxis zum gewerbsmässigen Wertschriftenhändler, auch Quasi-Wertpapierhändler genannt, ist eines der ewig roten Tücher in der Steuerlandschaft Schweiz», sagt Urs Kapalle, Direktionsmitglied und Leiter Finanzpolitik und Steuern bei der Schweizerischen Bankiervereinigung. Kaum werde es angesprochen, steigere es «sekundenschnell den Emotionsspiegel von Fachleuten und Laien, von Autoren und Politikern».

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Wie heftig das Thema die Gemüter bewegt, hatte sich im Sommer 2005 gezeigt. Mit heftigem Protest reagierte die Finanzbranche auf das Kreisschreiben Nr. 8 der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) zum gewerbsmässigen Wertschriftenhandel. Mit diesem wollten die Berner Steuerbehörden der Rechtsprechung des Bundesgerichts Nachachtung verschaffen.

«Normalanleger im Visier»

Die neue Regelung gefährde das Private Banking und den Wertschriftenhandel «existenziell», kommentierte der finanzpolitische Sprecher der SVP, der Zürcher Nationalrat Hans Kaufmann. Und CVP-Ständerat Eugen David doppelte nach: «Mit den neuen Regeln gerät der private Normalanleger ins Visier des Finanzdepartements. Dafür fehlen die gesetzlichen Grundlagen.» Eine Einführung der Kapitalgewinnsteuer durch die Hintertüre sei nicht zulässig, da das Volk im Dezember 2001 eine entsprechende Volksinitiative mit Zweidrittelmehrheit abgelehnt habe.

Jetzt nimmt das Parlament in der Debatte um das Steuerärgernis das Heft in die Hand. Bei der Beratung der Unternehmenssteuerreform II hat die Wirtschaftskommission (WAK) des Ständerats eine Lösung erarbeitet, die sich nach den Worten von Kommissionpräsident Hannes Germann (SVP, SH) an die Praxis der Zürcher Verwaltungsgerichts anlehne und gleichzeitig am besten dem klaren Volkswillen entspreche.

Mit sieben gegen drei Stimmen beschloss die WAK, dass Kapitalgewinne auf beweglichem Kapitalvermögen nicht steuerbar sind. Der Antrag der bürgerlichen Kommissionsmehrheit lautet: «Veräusserungsgewinne aus Wertschriften und anderen Finanzanlagen, die sich nicht aus Geschäftsvermögen ergeben, das in funktionalem Zusammenhang mit einem von der steuerpflichtigen Person geführten Geschäftsbetrieb steht, stellen kein Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit dar.» WAK-Präsident Germann: «Diese Formulierung schafft die gewünschte Klarheit und Rechtssicherheit.»

Nach Auffassung des Berner Steuerfachmanns und nebenamtlichen Bundesrichters Nicolas von Werdt kann die von der WAK des Ständerats vorgeschlagene Lösung zur «Entschärfung der Situation» beitragen. Urs Kapalle von der Bankiervereinigung begrüsst sie und bezeichnet sie gar als «sehr gut». Der Schaffhauser FDP-Nationalrat und Finanzpolitiker Gerold Bührer sagt schliesslich im Gespräch mit der «Handelszeitung»: «Ich bin überzeugt, dass man mit diesem Vorschlag dem Volksentscheid von 2001 endlich nachlebt.» Das Vorhaben, das in der Sommersession vom Ständerat behandelt wird und anschliessend in den Nationalrat kommt, sei «jetzt auf gutem Weg».

Daraus spricht auch die Erleichterung darüber, dass die WAK des Ständerats den Vorschlag des Bundesrats zur Beseitigung des Steuerärgernisses abgeschmettert hat. Kern der im vergangenen Sommer präsentierten Lösung waren zwei alternative Schwellenwerte (siehe Kasten). Statt zur Klärung der Situation beizutragen, goss die Regierung jedoch noch mehr Öl ins Feuer. Bürgerliche Politiker und Branche protestierten.

Markante Verschärfung

So bezeichnet Nationalrat Bührer den Antrag des Bundesrats, der in der WAK des Ständerats nur von der SP unterstützt wurde, als «unsinnig». Urs Kapalle von der Bankiervereinigung rechnet vor, dass unter der Regelung gemäss Bundesrat erheblich mehr Steuerpflichtige von der Thematik des Quasi-Wertschriftenhändlers betroffen wären als früher: «Die Schwellen É können der Vielfalt der Anlageinstrumente und der Komplexität der finanziellen Situation der Steuerpflichtigen nicht gerecht werden.»

Peter Uebelhart, Leiter M&A Tax Schweiz bei KPMG Zürich, meint, dass der gewerbsmässige Wertschriftenhandel gegenüber der heutigen Praxis «markant» verschärft würde. Ein Beispiel: Wer ein zu 50% fremdfinanziertes Vermögen von 500000 Fr. besitzt und seine Roche-Aktien innert weniger als fünf Jahren mit Gewinn verkauft hat, muss diesen Gewinn versteuern. Er gilt nämlich wegen des fiktiven Anteils an der Fremdfinanzierung als zu versteuerndes Einkommen.

Werden Bundesrat und ESTV auf ihrem Antrag beharren? WAK-Präsident Germann hat den Eindruck, dass die ESTV nicht lockerlassen werde: «Offen bleibt nun die Frage, ob sich hier Finanzminister Hans-Rudolf Merz im Sinne der Wirtschaft und des Volksentscheides durchsetzen wird.»

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Der Vorschlag des Bundesrats

Absicht

In der Unternehmenssteuerreform II will der Bundesrat den Quasi-Wertschriftenhandel so lösen:

Schwellenwert I:

Die Fremdfinanzierung von Wertschriften ist nur bis zu 20% möglich. Falls die Wertschriften mindestens fünf Jahre gehalten werden, ist eine höhere Fremdfinanzierung möglich.

Schwellenwert II:

Der jährliche Verkaufserlös darf die Grenze von 500 000 Fr. nicht überschreiten und das Wertschriftenvermögen zu Beginn des Steuerjahrs darf wertmässig nicht zweimal umgeschlagen werden.