Ausnahmezustand im kleinen Fátima. Der Wallfahrtsort in Portugal erlebt zum Besuch von Papst Franziskus einen nie da gewesenen Pilger-Ansturm. Mit Folgen, die viele Menschen und Medien empören.

Marília Correia musste lange auf den Papst warten. «Wir sind früher gekommen, um dem Chaos zu entgehen», erzählt die 76-jährige Rentnerin. Mit dem Wohnmobil legten sie und ihr Mann vor zwei Wochen die 200 Kilometer zwischen Vila Nova de Gaia und dem Marienwallfahrtsort Fátima im Zentrum von Portugal zurück.

Auf dem Parkplatz unweit der Basilika waren sie zunächst allein, doch mit der Ruhe ist es längst vorbei. Zum Besuch von Franziskus am Freitag und Samstag trafen hier Hunderttausende ein, schätzungsweise 45'000 zu Fuss. Der staatliche TV-Sender RTP schätzt die Gesamtzahl der Pilger an diesem Wochenende auf mindestens eine Million.

Ein Papst-Besuch zieht immer und überall Hunderttausende an, aber im erzkatholischen Portugal ist der Besuch «noch wichtiger», wie der Historiker José Pacheco Pereira jüngst in der Zeitung «Público» schrieb.

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Hotelzimmer 40 Mal teurer

Die Kirche sei in allen Gesellschaftsbereichen am Tejo immer noch sehr einflussreich. Das Problem: Der 11'500-Einwohner-Ort, der am Samstag den 100. Jahrestag der Marienerscheinungen feiert, hat nur rund 7500 Hotelbetten. Auch die Park-, Camping- und Zeltkapazität ist begrenzt. Im gesamten vorigen Jahr kamen 5,3 Millionen Pilger nach Fátima.

Aus der Not wollen nicht wenige nun Kapital schlagen. Die Zeitung «Jornal de Notícias» berichtete, dass ein Gasthaus für eine Übernachtung im Doppelschlafsack von Freitag auf Samstag 992 Euro verlangt. Die herkömmlichen Betten seien in der Pension lange ausverkauft. Zimmer gibt es aber noch.

Im Gasthaus Rosa Mística kann man ein Doppelzimmer buchen. Für 1650 Euro. Ohne Frühstück. Im Hotel Lux Fátima Park, wo ein Zimmer sonst zwischen 50 und 60 Euro kostet, muss man für die Nacht sogar 2000 Euro hinblättern.

Der Bischof von Leiria-Fátima, Dom António Marto, hatte schon im Februar «anständige Preise» gefordert. Umsonst. Die Übernachtungstarife schossen auch ausserhalb von Fátima gen Himmel - bis ins rund 130 Kilometer entfernte Lissabon.

«Wurzel aller möglichen Übel»

Viele Portugiesen sind empört, auch in den Medien gibt es eine Protestwelle. Zeitungen sprechen von «Wucher» und «Betrug», von «skandalösen Preisen» und einer «teuflischen Ausbeutung» der Gläubigen. Und das in einem Land, das gerade eine schlimme Krise mit Sozialkürzungen und Sparmassnahmen hinter sich hat und in dem 20 Prozent der Arbeitenden mit dem Mindestgehalt von 557 Euro auskommen müssen. Das Portal NiT zitiert aus der Bibel: «Denn die Liebe zum Geld ist die Wurzel aller möglichen Übel.»

Nicht nur die Hotelpreise sind rapide nach oben geklettert. Unter anderem auch die der Mietbusse. Und dennoch sind die meisten aller rund 3000 solcher Fahrzeuge in Portugal für den 12. und 13. seit Monaten ausgebucht.

«Es ist klar, dass die Spekulation uns Sorge bereitet», sagte der Rektor des Heiligtums Fátima. Er und auch der Vizepräsident des Unternehmerverbandes der Region (ACISO), Alexandre Marto, betonten derweil, man dürfe nicht verallgemeinern. Es handle sich um Einzelfälle.

Neues Kapitel für Tourismus

Fátima will unterdessen die Gunst der Stunde nutzen, um zu wachsen und «den Aufschwung im Religionstourismus auszuweiten», wie ACISO mitteilte. Der Papst-Besuch sei «nicht das Ende, sondern der Beginn eines neuen Kapitels» zur Förderung des Tourismus in der Region, sagte der Stadtpräsident des benachbarten Ortes Ourém, Paulo Fonseca.

So soll im Heiligtum dieses Jahr vor allem für junge Leute eine «religiöse Silvesterfeier» veranstaltet werden. Der Ort, an dem ab dem 13. Mai 1917 die Gottesmutter Maria den drei Hirtenkindern mehrmals erschienen sein soll, verändert sich seit kurzem rasant.

Erst voriges Jahr wurden in der Nähe des Heiligtums samt Erscheinungskapelle mehrere moderne Bars und Restaurants eröffnet. Und schon bald soll ein Hamburger-Restaurant mit zwei gelben Bögen als Logo hinzukommen.

(sda/ccr)