BILANZ: Zwischen Vartan Sirmakes und seinem ehemaligen Geschäftspartner Franck Muller tobt seit Monaten ein heftiger Streit. Herr Hayek, schadet dieser Konflikt der Schweizer Uhrenbranche?
Nicolas G. Hayek: Leider ja. Die Schweizer Uhrenindustrie, wie ich sie sehe, baut auf Schönheit, Hightech, Handwerk und europäische Kunst der letzten Jahrhunderte. Wenn Sie in diesem Beruf tätig sind, müssen Sie ein ehrlicher Mensch sein. Es darf keinen Platz für Parallelproduktion oder -distribution geben. Aber bei der Affäre Franck Muller versus Vartan Sirmakes kursieren düstere Gerüchte. Sirmakes sagt, Muller nehme Drogen und habe nichts mehr unter Kontrolle. Muller sagt, Sirmakes sei in eher illegale Aktivitäten verwickelt. Das ist alles nicht sehr appetitlich.
Wollen Sie die Gruppe Franck Muller kaufen?
Eine Investment-Bank hat uns wegen des Kaufs von Teilen der Firma Franck Muller kontaktiert. Richemont und LVMH wurden ebenfalls angefragt. Nein, das muss ganz klar sein: Die Swatch Group will auf keinen Fall das Unternehmen Franck Muller kaufen.
Welche Lösung zeichnet sich denn in dieser Affäre ab?
Ehrlich gesagt, sehe ich kurzfristig keine Lösung. Auf der einen Seite ist die Genfer Justiz nicht sehr schnell. Auf der anderen Seite scheinen beide Parteien Dokumente zu besitzen, welche die Gegenseite belasten. Die ideale Lösung wäre natürlich, dass sich die beiden Parteien einigen könnten. Und dass Franck Muller unabhängige Kontrolleure einladen würde, die untersuchen, was in diesem Unternehmen wirklich passiert. Das würde allen Gerüchten ein Ende setzen.
Jean-Claude Biver, Mitglied der Generaldirektion, hilft seinem Freund Franck Muller. Branchenbeobachter sehen ihn als Unterseeboot von Nicolas G. Hayek.
Jean-Claude Biver hat darauf bestanden, uns zu verlassen, um seinem Freund Franck Muller helfen zu können, und wir mussten ihn ziehen lassen. Als Jean-Claude Biver mich fragte, ob er zur Swatch Group zurückkommen könne, habe ich das bejaht.
Wie bitte?
Ja, unter der Bedingung, dass er nichts Verwerfliches tut! Allen, die behaupten, Nicolas G. Hayek habe seine rechte Hand bei Franck Muller, antworte ich, das sei komplett falsch. Ich habe keine «rechte Hand». Jean-Claude Biver ist einer von 20 bis 30 Chefs bei der Swatch Group, mit dem ich mit Freude während mehrerer Jahre zusammengearbeitet habe.
In den letzten Monaten hat die Uhrenfälscherei via Internet zugenommen. Auch
Luxusuhren werden nachgebaut. Was halten Sie von diesem Phänomen?
Fälschungen im Internet kann man sehr gut durchschauen. Wenn zum Beispiel auf einer Website von «Italian made Ro-lex» die Rede ist – Sie wissen ja, dass Rolex-Uhren in der Schweiz und nicht in Italien gemacht werden. Dennoch ist es nicht einfach, den Fälschern das Handwerk zu legen. Eine Methode besteht darin, die Uhren zu kaufen, um die Fälscher zu erwischen. Im Moment werden vor allem Rolex, Cartier, Rado und Omega gefälscht. Bei grossen Luxusuhren sind Fälschungen seltener. Wer kauft schon übers Internet eine Uhr für 150 000 Franken?
Die Affäre Jaquet hat gezeigt, dass Uhrenfälscher manchmal Schweizer Uhrenunternehmer sind, die sozusagen echte Schweizer Fälschungen produzieren. Wie kann das passieren?
Wir haben tatsächlich beweisen können, dass in gewissen gefälschten Rolex-Uhren Werke ticken, die aus unserer ETA-Fabrik kommen und weiterverarbeitet worden sind. Diese «echten» Fälschungen wurden durch die Komplizenschaft gewisser unanständiger Schweizer Uhrenunternehmer möglich, und darin steckt eine grosse Gefahr. In einem Jahr hat mir Anton Bally, Mitglied unserer Generaldirektion, mindestens 30 gefälschte Uhren mit ETA-Werken gebracht. Das bringt eine bedauernswerte Verwirrung mit sich.
Sie erwecken den Eindruck, an den Machthebeln der Swatch Group zu sitzen. Wer dirigiert das Unternehmen: Sie oder Ihr Sohn Nick?
Nick Hayek führt das Unternehmen und trifft die operationellen Entscheide mit den Mitgliedern der Generaldirektion. Ich erfülle in erster Linie meine gesetzliche Pflicht als Verwaltungsratspräsident und grösster Aktionär. Das ist kein Schoggijob. Erinnern Sie sich, wie die Zeitungen den VR-Präsidenten der Swissair attackierten, als dieser seine gesetzliche Pflicht nicht wahrzunehmen verstand? Im Übrigen haben mich mein Sohn und der Verwaltungsrat gebeten, weiterhin Breguet zu führen. Wegen meiner Erfahrung und meiner internationalen Kontakte wünschen sie hin und wieder, dass ich in gewissen Spezialfällen meine Hilfe anbiete. Es gibt keine Zweifel daran, wer in welcher spezifischen Situation die Verantwortung trägt.