Es wehe «ein rauer und harter Wind durch die Gastrobranche», sagt Rudi Bindella. Er muss es wissen. Schliesslich ist sein Familienunternehmen mit 110 Mio Fr. Umsatz der grösste private Gastrobetreiber der Schweiz. Dabei sind seine 33 Gaststätten noch glimpflich davongekommen. Der Umsatzrückgang der Bindella-Betriebe betrug in diesem Jahr nur 1,2%. Der Markt schrumpfte aber zwischen 4 bis 10%, schätzt Bindella. Trotzdem werden immer noch mehr Restaurants eröffnet.
28000 Restaurants gibt es bereits. «Das ist ein Drittel zu viel», meint Bindella. Dennoch: Weniger Lokale wird es nicht geben. Kaum gibt ein Gerant auf, übernimmt der Nächste den Betrieb (siehe «Nachgefragt»). Bindella ist überzeugt: «2010 wird es noch härter werden.» Zwar essen und trinken die Leute immer noch gern auswärts, «aber sie geben weniger aus und bestellen den günstigeren Wein».
Der Gewinn der Bindella-Betriebe ist in den letzten zwei Jahren geschrumpft. 2007 betrug die Umsatzrendite noch 9,5%, 2008 8,8% und in diesem Jahr fiel sie auf 7%. Doch das ist hoch in einer Branche, die sich im Durchschnitt mit 3% zufriedengeben muss.
Nicht alle Bindella-Betriebe entwickeln sich gleich. Besonders unter der Krise leiden Restaurants, die im Einzugsgebiet von Banken liegen. Auch mit neuen Konzepten ist es schwierig, etwa beim «Terroir» beim Zürcher Schauspielhaus, das ganz auf Schweizerisches setzt. Das Konzept war eine Idee von Rudi Bindellas Sohn Adrian, der es auch selber umsetzte. Nun hat Adrian die Bindella-Gruppe aber verlassen, um das Unternehmen seines verstorbenen Paten zu führen.
«Wir haben keinen Streit, wie man munkelt,» erklärt der Vater. «Unsere Türen stehen für Adrian immer offen.» Nachwuchssorgen plagen ihn nicht, hat er doch mit vier Söhnen eine grosse Auswahl an möglichen Nachfolgern, obwohl einer Berufsmusiker geworden ist. Trotzdem meint Bindella: «Eigentum bedeutet nicht Führungsanspruch. Diesen muss man sich zuerst verdienen.»
Bindella setzt mit Ausnahme des «Terroir» ganz auf «Italianità». Die Palette reicht von der gehobenen Gastronomie der Ristoranti Bindella über Latini-Restaurants im Bistro-Ambiente bis zu den Gruppen Pizzeria Santa Lucia und Spaghetti Factory. «Entscheidend ist auch der Standort an einer guten Passantenlage. Und im Sommer die Möglichkeit, draussen zu stuhlen», sagt Bindella. Nur das legendäre Zürcher Lokal Kronenhalle müsse das nicht können.
Der Gastro-Unternehmer ist zur Hälfte Mieter der Lokale, die andere Hälfte der Lokale befindet sich im Besitz der familieneigenen Immobiliengesellschaft. Das biete Sicherheit gegen Kündigungen, sagt Bindella. Zur Gruppe gehören auch ein Weinhandel und ein Maler-/Gipsergeschäft.
Bindella will sich auf die Deutschschweiz konzentrieren, obwohl er auch in Freiburg ein Restaurant führt. «Ich muss den Puls in meinen Gaststätten rasch fühlen können.» Er ist in den Kantonen Bern, Zürich, Aargau, Solothurn, Schaffhausen und Basel präsent. Luzern steht auf seinem Einkaufszettel. Letzte Woche wurde bekannt, dass er sich an der Berner Gruppe Lorenzini/Du Théâtre mit 80% beteiligt. Derzeit plane er keine grösseren Akquisitionen: «Aber wenn ein kapitaler Hirsch vor der Flinte auftaucht, werden wir mit Abdrücken nicht zögern.»
Bindella will wegen der Krise nicht klagen. Er ist stolz, vor allem auf seine Angestellten. Sein zweitjüngstes «Kind», das Zürcher Ristorante Bianchi, hat im Nu 13 Gault-Millau-Punkte erobert. Der Koch des italienischen Fischrestaurants, ein Joint Venture mit der Comestiblesfirma Bianchi, ist ein Tamile. Die 700 Mitarbeitenden in Bindellas Gastronomiebereich rekrutieren sich aus 56 verschiedenen Nationen. Das Zürcher «Terrasse» führt ein Türke.
Service ist ausschlaggebend
Die Löhne im Gastrogewerbe sind tief. Das mag auch Bindella nicht dementieren. So verdient ein Mitarbeiter nach einer zweijährigen Berufslehre laut Gesamtarbeitsvertrag 3567 Fr., bei Bindella sind es 3600 Fr. Rudi Bindella weist aber darauf hin, dass mit Trinkgeld einiges mehr herauszuholen ist.
Dem Chef ist die Bedeutung eines guten Service bewusst, und er unterstreicht das mit einem afrikanischen Sprichwort: «Ein freundliches Lächeln ist wichtiger als ein gutes Essen.» So hat sich der Charmeur bei Gästen, die reklamierten, dafür bedankt, dass sie auf Schwachstellen aufmerksam gemacht hatten: Kurzerhand lud er sie zum Nachtessen ein. Wer nun meint, er müsse auch reklamieren, um zum Gratisessen kommen zu können, irrt sich. «Wir erkennen solche Pappenheimer schnell», lacht Bindella.
nachgefragt
«Gibt ein Betreiber auf, steht schon der nächste bereit»
Weshalb gibt es zu viele Restaurants?
Rudi Bindella: Der Fähigkeitsausweis, um ein Restaurant zu eröffnen, wurde abgeschafft. Gesetzliche Schranken gibt es nicht mehr. Die Investitionen in ein Restaurant sind relativ klein. Und in vielen Betrieben arbeiten Familienmitglieder. Jeder meint, er verstehe etwas vom Gastrogewerbe.
Weshalb spielt der Wettbewerb nicht?
Bindella: Gibt ein Betreiber auf, steht schon der nächste bereit, dem der Vermieter das Inventar oft gleich mitvermietet. Bestehende Restaurants werden selten zu etwas anderem umgerüstet.
Welche Betriebe sind erfolgreich?
Bindella: Diejenigen, die ein klar erkennbares Profil besitzen und sich auf etwas spezialisieren, wie zum Beispiel McDonald?s. Dabei ist auch der Standort entscheidend. Auch «patronal» geführte Restaurant sind sehr erfolgreich, zu denen der Gast kommt, weil er den Wirt schätzt. Diese Restaurants können versteckt liegen.
Wer muss mit Misserfolg rechnen?
Bindella: Betriebe im diffusen Mittelfeld. Zudem ist in der Systemgastronomie ein Umsatz von 3 Mio Fr. nötig, um Erfolg zu erzielen. Das schaffen viele nicht.