Volkswagen durchlebt mit dem Lieferstopp externer Partner ein Desaster. Der Sitzzulieferer Car Trim und ES Automobilguss, ein Lieferant von Getriebeteilen haben dem Autobauer zufolge «die vertraglich vereinbarte Belieferung mit Bauteilen ausgesetzt». VW hat deshalb vor dem Landgericht Braunschweig einstweilige Verfügungen erwirkt. Beide Unternehmen wurden verpflichtet, die Teile auf Abruf zu liefern.

Die Entscheidungen wurden in einem Eilverfahren erlassen. Voraussetzung dafür ist, dass es für den Kläger «existenzbedrohend» wäre, den Ausgang des regulären Gerichtsverfahrens abzuwarten, erklärt Anwalt Markus Wollweber.

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Unterchiedliche Verfahren

Die Verfahren sind in den beiden Fällen etwas unterschiedlich abgelaufen. Gegen den Sitzzulieferer hat das Gericht die einstweilige Verfügung per Urteil erlassen, weil mündlich verhandelt worden ist. Dagegen kann der Lieferant Berufung einlegen - was er bislang nicht getan hat.

Im Fall des Getriebe-Lieferanten entschied das Gericht per Beschluss. «Das ist ein Zeichen dafür, dass VW hier sogar der Nachweis gelungen ist, dass die Sache so dringend ist, dass selbst eine mündliche Verhandlung nicht abgewartet werden kann», sagt Wollweber. Gegen den Beschluss legte der Lieferant aber Widerspruch ein, so dass die Verhandlung nun am 31. August nachgeholt wird.

Schon jetzt vollstreckbar

Beide Entscheidungen sind schon jetzt vollstreckbar. Dem Gericht zufolge hat VW bereits beantragt, dass den Zulieferern ein Ordnungsgeld angedroht wird, wenn sie ihrer Lieferverpflichtung nicht nachkommen. Darüber muss das Gericht nun entscheiden.

VW könne auch überlegen einen Gerichtsvollzieher vorbeizuschicken, um die Teile abzuholen - soweit diese schon hergestellt seien, sagt Anwalt Wollweber. In der Praxis sehe das dann so aus: «Der Gerichtsvollzieher beauftragt ein Fuhrunternehmen, lässt es mit LKW vorfahren, beschlagnahmt die Sachen und nimmt sie mit.»

Weigern sich die Unternehmen ihre Tore zu öffnen, müsse im Zweifel ein Schlosser zu Hilfe gerufen werden, erklärt Gerichtsvollzieher Walter Gietmann. Die Kosten dafür müsste VW vorstrecken, so Gietmann.

Hintergründe sind unklar

Die Hintergründe des Streits liegen weitgehend im Dunkeln. Die Absage eines Zukunftsprojektes mit Car Trim soll zumindest eine Wurzel der Querelen sein. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur war VW dabei prinzipiell zu einem finanziellen Ausgleich bereit. Aber die aufgemachten Forderungen des Zulieferers sollen unrealistisch gewesen sein. Das lässt sich nicht nachprüfen. Beide Parteien wollen sich nicht äussern. Warum die Lage derart eskalierte, ist unklar.

Der VW-Konzern ist in der Branche bekannt für seine Verhandlungsmacht - nur noch Toyota und General Motors bauen ähnlich viele Fahrzeuge. Der Beschaffungsvorstand Francisco Javier Garcia Sanz gilt als einer der erfahrensten Einkäufer der Branche. Er schrieb den Zulieferern Ende Juni, der Autobauer müsse auch bei den «Beschaffungskosten deutlich effizienter werden». Er wolle die Reserven mobilisieren. «Das wollen wir kooperativ erreichen, aber auch mit der notwendigen Konsequenz, um wettbewerbsfähig zu bleiben», kündigte er die Marschrichtung an.

Dieselskandal verschärft Sparzwang

Der neuerliche Sparzwang, befeuert durch die Milliardenkosten des Diesel-Skandals, erhöht den Druck auf das schon länger laufende Effizienzprogramm bei der renditeschwachen VW-Kernmarke rund um Golf und Passat. Dabei erntet Volkswagen inzwischen erste Früchte aus seinem Kampf gegen die überbordende Teilevielfalt beim Autobau: Mit dem gelichteten Varianten-Dschungel etwa bei Lenkrädern, Farben oder Tasten habe die Kernmarke VW-Pkw schon heute gut 700 Millionen Euro Sparvolumen pro Jahr freigelegt, schreibt VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh in dem am Freitag erschienenen Haus-Blatt «Mitbestimmen».

(sda/awp/ccr)