Seit November steht er an der Spitze von Kuoni: Der indische Manager Zubin Karkaria soll den Reisekonzern endlich auf einen soliden Wachstumspfad bringen. Die Aussichten sind vielversprechend, denn der 47-Jährige weiss, wie der Fremdenverkehr funktioniert, immerhin arbeitet er schon seit 25 Jahren in der Branche. Seit 1999 ist er für Kuoni tätig und hat dort mit dem Visageschäft die mit Abstand rentabelste Sparte der Firma aufgebaut.
In seinem Auftreten als neuer CEO gibt sich Karkaria bescheiden, arbeitet akribisch und hebt stets die Bedeutung der Kultur und Einstellung der ganzen Organisation hervor. So soll die Unternehmenskultur des Reisekonzerns effizienter werden. Er will seine Firma auf die «Can-do»-Attitüde, auf «Optimismus und Tatendrang» fokussieren - Teams, die «stark auf Performance ausgerichtet sind. «Wir brauchen Emotionalität und Motivation, damit der frühere Unternehmergeist zurückkommt», sagte Karkaria im Gespräch mit der «Handelszeitung».
Klug, bescheiden, akribisch
Klug, bescheiden, akribisch: Wie der neue Kuoni-Chef haben sich indische Manager an die Spitze grosser Top-Unternehmen hochgearbeitet. Und das weltweit: Google, Microsoft, MasterCard, Adobe, Pepsi – sie alle liegen in indischer Hand. Woran liegt das? Sind Inder einfach die besseren Chefs?
Ja – zumindest wenn es nach Keynotespeaker und Managementtrainer Waseem Hussain geht. Der Schweizer mit indischer Abstammung ist Experte, wenn es um interkulturelles Management geht. «Indische Manager sind geniale Zahlenakrobaten mit einem kleinen Ego. Zudem denken sie logisch und sind bescheiden – alles Schlüsselwerte die in der Gesellschaft sehr geschätzt werden», sagt Hussain.
Kultur und Geschichte ursächlich
Den Grund für ihren Eifer sieht der Managementtrainer in der Kultur und Geschichte Indiens begründet, die eine wettbewerbsorientierte Denkweise fördert. Zudem sei Indiens Gesellschaft hierarchisch geprägt. Dies schule fürs Managerleben: «Es an die Spitze zu schaffen ist eine grosse Motivation», so Hussain.
Die Erziehung würde dabei einen wesentlichen Faktor ausmachen. «Indische Kinder und Teenager erfahren von ihren Eltern eine bedingungslose Liebe, insbesondere dann wenn sie etwas nicht schaffen.» Diese bedingungslose Liebe sei die wesentliche Konstante im Leben eines Inders, die laut Hussain zu der Überzeugung führt, im Leben alles überwinden und erreichen zu können.
Die Karriereleiter immer weiter nach oben
Eiserne Beharrlichkeit lernte auch Karkaria von klein auf. Der neue Kuoni-Chef ist in Mumbai aufgewachsen, hat dort studiert und ein Diplom in Betriebswirtschaft erworben. Gleich nach dem College begann er bei Orbit Trade Fair Tours, wechselte 1991 zu SOTC, welche die Kuoni Group 1996 übernommen hat und stieg dort sukzessive die Karriereleiter empor.
Seine Herkunft prägte ihn stark, denn Karkaria ist Parse, eine ursprünglich aus Persien (dem heutigen Iran) stammende ethnisch-religiöse Gruppe, die der Lehre des Zoroastrismus folgt. Ihre Anhänger leben vor allem auch in Mumbai. Ihrer Auffassung nach sind Friedlichkeit, Gewaltfreiheit, Wahrhaftigkeit und Fleiss die Garantie ihres Eingangs ins Paradies. Eigenschaften, die zu Karkaria passen.
Sundar Pichai an der Spitze von Google
Auch Sundar Pichai schaffte es mit Ruhe und Freundlichkeit im Rekordtempo ins Top-Management eines Weltkonzerns: Im Sommer beförderte Google den gebürtigen Inder an die Konzernspitze. Zuvor verantwortete Pichai bereits Gmail, Maps und Android.
Dabei wuchs Pichai in einfachen Verhältnissen auf und musste sich selbst mit viel Fleiss seinen Weg nach oben ebnen. In der südindischen Stadt Chennai geboren und aufgewachsen, teilte sich seine Familie eine Zwei-Zimmer-Wohnung, er und sein jüngerer Bruder schliefen im Wohnzimmer. Die Familie hatte lange weder einen Fernseher noch ein Auto. IT-Technik stand Pichai erstmals 1993 zur Verfügung – als er mit einem Stipendium für die kalifornische Eliteuni Stanford in die USA kam, um Halbleiterphysik zu studieren. Pichais Eltern gingen dafür an ihr Erspartes.
Von Indern lernen
Ein Werdegang, der Managementtrainer Hussain nicht überrascht. Denn: Indische CEO seien intelligente Innovatoren, die sich ihren Weg erkämpfen, sagt Hussain. «Bedingt durch die ärmeren Verhältnisse lernen sie mit einem minimalen Input an Ressourcen, maximalen Output zu kreieren. Fehlt die Technologie, ist man gezwungen, sich ideale Lösungen und den Weg dorthin vorzustellen. Das trainiert.»
Hussain ist überzeugt, dass westliche Manager vor allem zwei Dinge von Inder lernen können: das tatsächliche Potenzial eines Menschen zu erkennen und die Fähigkeit zuzuhören. «Die Ausbildung allein definiert nicht unsere Fähigkeiten. Viele unserer Talente werden oftmals erst dann ersichtlich, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gibt.» Diese Aspekte würden von westlich geprägten CEO am meisten vernachlässigt. «Denken Sie an Steve Ballmer oder Donald Trump. Diese Männer sind für ihr Schreien bekannt, und nicht für ihr Zuhören», so Hussain.