Die Nachwehen kommen schnell: Seit Mitte Dezember offenbart sich das volle Ausmass der russischen Krise. Und bereits in diesen Tagen häufen sich die Meldungen, wie auch Schweizer Branchen und Firmen mit den Folgen der Sanktionen und vor allem des Rubel-Absturzes umgehen müssen. Russland als Abnehmerland für Schweizer Produkte ist dabei «wichtig, aber nicht essenziell», schreibt der Branchenverband Economiesuisse. Rund 1,5 Prozent der Schweizer Ausfuhren gehen dorthin.
Allerdings ist die Schweiz über die Exporte hinaus mit Russland verwoben: Wichtige Schweizer Grosskonzerne wie Stadler Rail oder Nestlé haben sich in der Region Produktionsstandorte aufgebaut. Und Schweizer Zulieferer wie der Autoteile-Bauer Autoneum beliefern in Deutschland Unternehmen, die stark von der Krise betroffen sind. Ein Branchenvergleich zeigt, dass die Folgen je nach Bereich unterschiedlich sind.
Stadler Rail und Autozulieferer
Die Erzeugnisse der Industrie zählen zu den wichtigsten Produkten, die Russland in der Schweiz kauft. Eine Erfolgsgeschichte schreibt dabei Stadler Rail. Der Konzern hat im November den ersten von 25 Doppelstockzügen nach Moskau geliefert, die ab Juni 2015 zwischen Stadtzentrum und Flughafen pendeln sollen.
Für das Unternehmen ist Russland und Osteuropa ein wichtiges Standbein, einen Grossteil der Züge etwa entstehen im Stadler-Werk in Minsk. Zwar hält Konzernchef Peter Spuhler auch gute Verbindungen in die USA, doch noch ausstehende Lieferungen nach Russland haben einen Wert von Hunderten Millionen Franken. Im Frühjahr zeigte Spuhler Bedenken angesichts anstehender Sanktionen gegen Russland. Für eine aktuelle Stellungnahme war das Unternehmen nicht erreichbar.
Für 2015 erwartet die Zentralbank ein Schrumpfen
Wichtig für die Schweiz ist auch die Autoindustrie in Russland. Diese galt neben China noch Anfang des Jahres als vielversprechender Wachstumsmarkt. Jetzt sieht die Situation völlig anders aus: Der Rubel hat im Jahresverlauf seinen Wert halbiert und stürzt trotz der Gegenmassnahmen der russischen Zentralbank auch in diesen Tagen weiter ab. Die starke Teuerung hat Firmen wie Apple bereits zu kurzzeitigen Lieferstopps veranlasst, weil ihre Preise plötzlich zu niedrig waren.
Und für das kommende Jahr erwartet die russische Zentralbank ein Schrumpfen der Wirtschaft um 4,5 Prozent. Am Montag meldete Russland für den November erstmals seit 2009 ein Minus im Wirtschaftswachstum. Solange der Ölpreis auf niedrigem Niveau verharrt, ist hier keine wesentliche Besserung zu erwarten.
Autozulieferer Autoneum gering tangiert
Das hat auch Folgen für die Autoindustrie: Das Duisburger Car-Institut erwartet für deutsche Hersteller wie VW, Opel und Mercedes mittelfristig Umsatzeinbussen von 15 Milliarden Euro. Bei diesen Unternehmen sind Schweizer Zulieferer wie Autoneum engagiert. Autoneum produziert ausserdem für den russischen Markt selbst: Seit Ende 2013 stellt er Akkustik- und Hitzeschutzkomponenten in einem Werk südöstlich von Moskau her.
Das Unternehmen steht den Sanktionen kritisch gegenüber. «Die Sanktionen verschärften Russlands ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage», sagt Unternehmenssprecher Valentin Handschin. Der Konzern erwartet für seine eigenen Einnahmen nur geringe Auswirkungen. «Der Anteil des russischen Werkes am Gesamtumsatz von Autoneum beträgt weniger als ein Prozent», sagt Handschin. «Selbst bei einem massiven Einbruch des russischen Automobilmarktes wäre der Geschäftsgang von Autoneum also kaum tangiert.»
Uhrenbranche in Sorge
Uhren zählen zu den wichtigsten Exportgütern nach Russland, auch wenn der dortige Markt aus Schweizer Sicht nicht der wichtigste ist. Trotz Russlandkrise konnte die Branche für 2014 einen neuen Rekord verbuchen, auch wenn die Wachstumsraten weniger spektakulär sind als früher.
Dennoch gibt die Entwicklung in Russland Jean-Daniel Pasche zu denken. Sie bereite ihm Sorge, gab der Präsident des Verbands der Schweizerischen Uhrenverbandes (FH) zu Protokoll. Die Uhrenbranche könne dort den Problemen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt sowie mit dem fallenden Ölpreis nicht trotzen.
Nestlé durch russische Standorte involviert
Im Detailhandel sind Schweizer Unternehmen weniger durch ihre Lieferungen nach Russland betroffen als durch die Produktion vor Ort. Lebensmittelriese Nestlé hat die Herstellung von Schokolade, Glacé und Kaffee für den russischen Markt über Jahre konsequent ausgebaut und unterhält dort mittlerweile zwölf Standorte. 90 Prozent der dort hergestellen Produkte werden auch im Land verkauft.
Im Geschäftsbericht vom Oktober vermeldet Nestlé weiterhin eine «gute Leistung» mit zweistelligem Wachstum. Angesichts der Schwierigkeiten der russischen Wirtschaft sagt Nestlé-Sprecher Spencer Schwarz: «Wie alle Unternehmen beobachtet Nestlé die Situation in Russland mit Blick auf unsere Produktion vor Ort.»
Nobelhotels vermissen russische Touristen
Konkreter wurde Coop-Tochter Transgourmet: Sie hat bereits ausgerechnet, dass der Gewinn der Abhol-Grossmärkte in Russland um ein Fünftel schmelzen werden, wie Handelszeitung.ch berichtete. Damit geht das Wachstum dort Ort langsamer voran als gedacht.
Und eine Folge der Rubel-Krise zeigt sich auch in der Schweiz selbst: Es kommen weniger russische Touristen, um hierzulande Ferien zu machen. Bereits in den ersten neun Monaten gingen die Zahlen zum ersten Mal seit Jahren zurück, wie das Bundesamt für Statistik zählte.
Russen fehlen im oberen Segment
Vor allem Winterferien in der Schweiz sind bei wohlhabenden Russen beliebt. Darum beobachtet Branchenverbands-Chef Guglielmo Brentel den Rubelverfall mit Sorge. Zwar stünde die Chance der hiesigen Hotels auf eine gelungene Saison gut, sagte der Ex-Präsident von Hotelleriesuisse. Doch besonders Häuser im oberen Preissegment hätten mit einem Rückgang der Einnahmen durch russische Touristen zu rechnen.