Eigentlich hätte etwas wie die Moonswatch, diese geniale Vermählung einer ikonischen Schweizer Luxusuhr mit dem Massen-Appeal einer Billigmarke, nicht erst dieses Jahr, sondern schon längst geben müssen.

Und wäre die Schweizer Uhrenindustrie nicht ein so selbstreferenzielles System, dessen Blick über den Tellerrand allzu oft bei der neidvollen oder mitleidigen Beobachtung der direkten Konkurrenz endet, statt in verwandte Segmente der Luxusbranche oder der Konsumgüterindustrie zu schweifen, hätte es so etwas wie die Moonswatch auch längst gegeben.

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Die Modeindustrie hat das, was die Swatch Group unter Nick Hayek mit Swatch und Omega dieses Jahr realisiert hat, bereits 2004 vorgemacht. Vor bald zwanzig Jahren präsentierte die Billigkleiderkette H&M ihre erste Kollektion, die von einem Star der Luxusmode – Karl Lagerfeld – gestaltet wurde.

Swatch steigert Gewinn

Die Swatch Group hat im ersten Halbjahr trotz globaler Unsicherheiten wie den Corona-Lockdowns in China oder dem Krieg in der Ukraine den Umsatz klar gesteigert und mehr verdient. Noch hat der Bieler Uhrenkonzern das Vorpandemieniveau etwa beim Umsatz aber nicht ganz erreicht.

Der Nettoumsatz stieg im ersten Semester 2022 um 7,4 Prozent auf 3,61 Milliarden Franken an, wie der Uhrenkonzern mitteilte. Währungsbereinigt betrug das Plus 6,5 Prozent. Der operative Gewinn stieg um einen Viertel auf 503 Millionen Franken, die betriebliche Marge erhöhte sich von 11,9 Prozent auf 13,9 Prozent.

Die Swatch Group zeigt sich überzeugt, dass das anfangs Jahr formulierte Ziel eines zweistelligen Umsatzwachstums in Lokalwährungen für das Gesamtjahr 2022 weiterhin realistisch bleibt.

Und: Jede erfolgreiche Modemarke, sei es Gucci, Chanel, Louis Vuitton oder Hermès, führt nicht nur Produkte, welche für das Gros der Bevölkerung unerschwinglich sind, sondern eben auch Einstiegsdrogen wie Parfüms, Kosmetika, Sonnenbrillen, T-Shirts oder Gürtel, mit denen sie sich für die Massen zugänglich macht.

Luxusmarken leben von Big Spendern und aspirierenden Normalos

Die Luxusmarken wissen: Kommerziell leben sie von zwei Kundensegmenten – erstens von den reichen Big-Spendern, die pro Jahr 100 000 Dollar oder mehr bei einer Marke liegen lassen. Und zweitens von aspirierenden Normalos, die am Nimbus der High-Society-Brands teilhaben möchten.

Nur Luxusuhrenmarken reagieren – obwohl sie etwa zusehen konnten, wie Hermès mit der Apple Watch Erfolge feiert – wie Vampire auf Licht, wenn sie nur schon nach massenmarktfähigen Produkten gefragt werden.

Bei der Moonswatch war es nicht anders, wie Olivier Müller, Geschäftsführer von Luxeconsult, feststellt. In einer Umfrage bei 17 Chefs von grossen Uhrenmarken hätten alle – ohne Ausnahme – angegeben, dass es eine schlechte Idee sei, ein ikonisches Produkt wie die Speedmaster über ein Einsteigerprodukt wie die Omega-Swatch zu trivialisieren.

Offenbar musste wieder einmal ein Hayek – diesmal Nick Hayek, wie zuvor sein Vater – der Branche zeigen, was mit guten Ideen möglich ist. Gegenüber der «Bilanz» sagte Hayek kürzlich: «Ich wollte mehr Spass und Provokation in die Branche bringen.» Das ist ihm gelungen.

Die Moonswatch-Kollektion von Swatch: Elf heiss begehrte Modelle

Elf Modelle, alle heiss begehrt: Die Moonswatch-Kollektion von Swatch.

Quelle: ZVG

Die Moonswatch ist ein kommerzieller Erfolg: Für Swatch und Omega

Und noch viel mehr: erstens der bislang grösste Launch einer Uhr in diesem Jahrhundert. Und zweitens: ein sehr ansehnlicher kommerzieller Erfolg. Für Swatch. Und für Omega.

Genaue Zahlen dazu gibt es natürlich nicht. Aber qualifizierte Aussagen aus berufenen Mündern. Zum einen von Hayek selbst. So sei der Umsatz mit der ursprünglichen Speedmaster Moonwatch, die rund 7000 Franken kostet, seit der Einführung der Moonswatch im März um mehr als 50 Prozent gestiegen, sagte der Swatch-Group-Chef gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. Über alle Speedmaster-Modelle hinweg hätten die Verkäufe «im zweistelligen Bereich» zugelegt. Im eben vorgelegten Halbjahresbericht berichtet die Swatch Group gar von Lieferengpässen bei den Speedmaster-Modellen: «Omega sieht sich mit Lieferengpässen der Speedmaster Moonwatch konfrontiert, nachdem die Nachfrage rasant angestiegen ist.»

Zum andern die Aussage von Brian Duffy, dem Chef des zweitgrössten Uhrenhändlers der westlichen Welt: «Was sie mit der Swatch-Version der Moonwatch gemacht haben, war genial. Es hat sich zweifellos positiv auf die Verkaufsnachfrage ausgewirkt.»

Omega und Swatch brauchen den Schub beim Umsatz

Omega kann den Boost durch die Billig-Speedmaster gut gebrauchen (siehe Grafik). Trotz ansehnlichem Wachstum nach dem Corona-Knick im Jahr 2020 blieb die wichtigste Marke der Swatch Group gemäss Zahlen von Luxeconsult und Morgan Stanley hinter dem Umsatz von 2019 zurück. Und wurde letztes Jahr gar von Cartier als zweitgrösste Schweizer Uhrenmarke hinter Rolex abgelöst.

Swatch dürfte dank der Moonswatch von den roten und die schwarzen Zahlen wechseln

Ähnlich ist die Situation bei Swatch, Hayeks einstiger Starmarke. Sie ist seit Jahren auf dem absteigenden Ast und erlebt nun eine unverhoffte Renaissance. Dazu Branchenkenner Olivier Müller: «In der Blütezeit verkaufte Swatch mehr als 20 Millionen Uhren pro Jahr.

Diese Zahl ist jedoch in den letzten Jahren auf 3 Millionen verkaufte Exemplare pro Jahr und einen geschätzten Umsatz von etwas über 200 Millionen Franken gesunken. Vor allem aber auf einen geschätzten Verlust von 150 Millionen Franken pro Jahr.» Müller glaubt weiter, dass es der Hype um die Moonswatch Swatch ermögliche, wieder in die schwarzen Zahlen zurückzukehren.

Kurz: Die Zusammenarbeit zwischen den zwei Marken der Swatch Group, zwischen Luxusbrand und Massenmarke, hat bestens funktioniert. Für beide Seiten.

Alles andere wäre ein Fehler.