Weltweit gibt es zu wenig Piloten. Weltweit müssen Flugzeuge am Boden bleiben, weil niemand im Cockpit Platz nimmt. Auch in Europa: Lufthansa-Chef Carsten Spohr klagt seit Monaten darüber. An der Hauptversammlung der Swiss-Mutter sagte er kürzlich: «Wir können wegen des Personalmangels nicht so stark wachsen, wie wir wollen.» Die Tochtergesellschaft Swiss hingegen finde «aufgrund ihrer Attraktivität als Arbeitgeber» zurzeit noch genügend Pilotenbewerber, sagt Swiss-Sprecher Stefan Vasic. Aber auch die Schweizer Airline kämpft: «Der steigende Pilotenbedarf in den kommenden Jahren ist herausfordernd, auch weil der Schweizer Arbeitsmarkt relativ klein ist.»
Deshalb stecken Airlines wie etwa Emirates und Qantas Airways mehr Geld in die Anwerbung von Piloten und mussten dennoch in den vergangenen Monaten Maschinen am Boden lassen, weil es zu Engpässen kam. Nach Schätzungen des Flugzeugbauers Boeing braucht die Luftfahrtindustrie in den nächsten 20 Jahren über 600'000 weitere Piloten. Der Branchenverband geht davon aus, dass sich der Verkehr in dieser Zeit nahezu verdoppelt.
Auch die Swiss braucht für das Einhalten des Flugplans Unterstützung von anderen Arbeitskräften. In Zeiten mit grossen Marktveränderung und hohem Personalbedarf stelle die Swiss auch Piloten von anderen Airlines oder Flugschulen ein. «Das ist derzeit der Fall und wir machen sehr gute Erfahrungen damit», sagt Vasic.
Noch musste die Swiss aber wegen des Mangels an Personal keine Maschinen am Boden lassen. «Wir können das gesamte Flugprogramm mit Cockpit- und Kabinenpersonal durchführen», so der Sprecher. Die Swiss habe sich nach dem Ausscheiden von Air Berlin aus dem Markt ein ambitioniertes Flugprogramm vorgenommen, aber « die entsprechenden Netzwerkentscheide wurden auf Basis der vorhanden Crewkapazitäten getroffen».
Über 300'000 Dollar Jahresgehalt in China
Die Swiss sieht sich wie viele Airlines mit steigenden Löhnen konfrontiert. Ausländische Flugkapitäne bekommen in China Jahresgehälter von teilweise über 300'000 Dollar geboten. Die Gehälter bei der Swiss fallen tiefer aus: Ein Co-Pilot verdient rund 76'000 Franken pro Jahr, als Langstrecken-Co-Pilot rund 100'000 Franken. Beim Captain liegt das Salär auf Kurzstrecken schliesslich bei rund 148'000 Franken und bei Langstrecken nach einer gewissen Anzahl Dienstjahren bei rund 210'000 Franken.
Bei der Anwerbung von Piloten setzt die Swiss auf die Kraft der «Swissness», wie Vasic durchblicken lässt: «Wir machen die Erfahrung, dass wir in einer Gesamtbetrachtung bezüglich fixem und variablem Lohn, Sozialleistungen, Flugvergünstigungen, Arbeitsbedingungen, Arbeitsumfeld und Arbeitsstandort nach wie vor ein attraktiver Arbeitgeber für Piloten sind.» Trotzdem werde man die Marketingaktivitäten aufgrund des Mehrbedarfs an Piloten erhöhen.
Attraktive Abwerbung
Unterdessen werben sich Fluggesellschaften über Ländergrenzen hinweg mit attraktiven Paketen Piloten ab. «Es läuft ein Bietergefecht», sagt der Chef des Verbands asiatisch-pazifischer Airlines, Andrew Herdman gegenüber «Reuters». Die Kosten, um erfahrene Piloten anzuwerben und zu behalten, seien enorm gestiegen. Der Pilotenverband in Kanada schätzt, dass rund 1000 kanadische Piloten mittlerweile für ausländische Gesellschaften wie etwa Emirates fliegen.
Vor allem der Wachstumsmarkt China stachelt den Wettbewerb an. Auch in den USA können Piloten mittlerweile bei neuen Verträgen hohe Gehaltssteigerungen einstreichen, nachdem sie vor einem Jahrzehnt noch Kürzungen in Kauf nehmen mussten. Damals galten amerikanische Piloten in gewissen Fällen als «working poor».
Länderübergreifender Austausch von Flugzeugmechanikern
Doch nicht nur bei den Arbeitskräften, die ein Flugzeug lenken, herrscht Mangel, sondern auch bei denen, die sie warten und reparieren. Also bei den Flugzeugmechanikern. «Bedingt durch das weltweit rasante Wachstum in der Luftfahrtbranche, ist die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften entsprechend hoch» bestätigt Vasic. Dabei arbeiten die Flugzeugmechaniker von Swiss im Schichtbetrieb mit diversen Arbeitszeitmodellen. Wenn die Swiss-Techniker nicht aus der Schweiz selbst stammen, sondern etwa aus Griechenland oder Spanien, hätten sie auch die Möglichkeit, die ihnen zustehende Ruhezeit bis zur nächsten Schicht in ihrem Wohnsitzland zu verbringen, sagt Vasic. Das führt zu einem länderübergreifenden Austausch von Flugzeugmechanikern, die für die Swiss arbeiten.
Wie bei anderen Branchen, in denen Fachkräftemangel herrscht, liegt der Ursprung des Mangels an ungenügend Fachkräften in der Schweiz. Zurzeit werden 35 Auszubildende der Richtung Polymechaniker und Automatiker mit einer Vertiefung in Flugzeugunterhalt bei der Swiss ausgebildet. Die Swiss erhöht nun die Ausbildungsplätze auf 55 Lernende pro Jahr. Die meisten würden danach als «Aircraft Engineer» in das Unternehmen eintreten.
Ausbildung in Indien
Dazu schaut die Swiss in Bezug auf die Ausbildung auch über die Landesgrenzen hinweg – und zwar nach Indien. Dort herrscht ebenfalls ein enormer Bedarf an Aviatik-Spezialisten. Deshalb ist die Swiss eine Kooperation mit Skillsonics, einem Anbieter, der die Schweizer Berufslehre ins Ausland exportiert, eingegangen. Konkret bedeutet dies, dass Skillsonics unter den Vorgaben der Schweizer Berufslehre solche Mechaniker in Indien ausbildet.
Mit der Swiss möchte der Anbieter sein Ausbildungsprogramm für Polymechaniker mit dem Fokus Unterhalt und Wartung bei Luftfahrt ausbauen: «Swiss ist mit dem Know-how im Bereich Maintenance, Repair and Operations ein idealer Partner», sagt Skillsonics-Gründer Franz Probst. Eine Spezialisierung auf den Unterhalt von Flugzeugen ergänze das bisherige Angebot des Ausbildungs-Exporteurs. «Es verschafft indischen Berufseinsteigern eine Perspektive in einem Wachstumsmarkt und wirkt dem Fachkräftemangel in der Luftfahrtindustrie entgegen.» Das Pilotprojekt soll im Spätsommer 2018 in Bangalore starten.
«Soziales Engagement von Swiss»
Ob die Swiss mit indischen Mechanikern auch dem Mangel in der Schweiz entgegenwirken möchte? Sprecher Vasic sagt: «Die Kooperation mit Skillsonics ist ein soziales Engagement von Swiss.» Man wolle die Ausbildner vor Ort mit Know-how unterstützen. Es bestehe keine Absicht, künftige Fachkräfte spezifisch aus Indien zu akquirieren. Man führe bei der Swiss einen normalen Rekrutierungsprozess durch.
In Indien hat Skillsonics in sechs Jahren rund 5000 Lernende ausgebildet. Skillsonics stellt Unternehmen und Berufsschulen dabei Lehrpläne, Kursinhalte und Ausbildungsmittel zur Verfügung und überwacht die Einhaltung von Schweizer Vorgaben. Dabei arbeitet das Unternehmen in Indien mit Schweizer Firmen wie ABB, Bühler oder Rieter zusammen.