Aufmerksame Leser des Halbjahresberichts der Ems-Chemie können derzeit einen ungewöhnlichen Fund machen. Das von SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher geführte Unternehmen kaufte im ersten Semester 7751 eigene Aktien. Das klingt zunächst angesichts der Kaufsumme von rund 3,5 Millionen Franken wenig spektakulär. Doch ein Blick auf die Vorjahreswerte fördert die Tatsache zutage, dass die Ems-Chemie mit solchen Transaktionen stolze Überschüsse erwirtschaftet.

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Im ersten Halbjahr 2015 hatte die Ems-Chemie exakt 30'141 Aktien von sich selbst gekauft und im selben Zeitraum die gleiche Anzahl auch wieder verkauft. Dabei erzielte die Gruppe mit dem «Eigenhandel» aufgrund eines Anstiegs beim durchschnittlichen Marktpreis der Valoren einen Erfolg von rund 1,6 Millionen Franken.

Auch andere Firmen kaufen eigene Titel

Zwar ist es nichts Aussergewöhnliches, dass Firmen ihre eigenen Aktien zurückkaufen. So erwarb zum Beispiel der auf Automation und Energietechnik ausgerichtete ABB-Konzern im ersten Semester für rund 1,2 Milliarden Dollar sogenannte Treasury Shares. Auch der Pharmakonzern Novartis kaufte im ersten Halbjahr für 378 Millionen Dollar eigene Titel zurück.

Allerdings decken sich diese Unternehmen mit ihren eigenen Papieren im Rahmen angekündigter Aktienrückkaufprogramme ein, die Gesellschaften meist aus zwei Gründen durchführen: Einerseits wollen sie Geld an die Kapitalgeber zurückzugeben und vernichten die erworbenen Papiere. Andererseits reichen sie die gekauften Aktien im Rahmen von Bonuszahlungen an die eigenen Mitarbeiter weiter.

Weitere Gründe möglich

Es gibt aber noch weitere Gründe, weshalb Unternehmen eigene Aktien kaufen oder im Bestand haben. Die auf Röntgentechnologie ausgerichtete Comet-Gruppe etwa will mit dem Erwerb eigener Aktien langfristig orientierten Investoren helfen, ihre Positionen aufzustocken.

Denn grössere Aktienpakete sind dort aufgrund der geringen Liquidität nur sehr langwierig und nur in vielen kleinen Positionen zu kaufen. Deshalb reicht Comet eigene Papiere an Investoren weiter. Der Industriekonzern Dätwyler hingegen hält eigene Aktien, um sie unter anderem für strategische Akquisitionen als Tauschwährung einzusetzen.

Ems-Chemie relativiert

Dass ein Unternehmen wie die Ems-Chemie also eigene Titel kauft und verkauft, ist laut Beobachtern aussergewöhnlich. Auf die Frage nach den Gründen für diese Spekulationsgeschäfte erklärte ein Firmensprecher gegenüber der Nachrichtenagentur sda, dass Ems-Chemie eigene Aktien nur «im üblichen Rahmen» bewirtschafte. Von einem regen Handel mit den eigenen Valoren könne angesichts einer sehr geringen Beteiligungsquote keine Rede sein, teile das Unternehmen mit.

Weil die Holding der Ems-Chemie allerdings keine eigenen Mitarbeiter beschäftigt, stellt sich die Frage, wer denn überhaupt die Kauf- und Verkaufsaufträge für solche Transaktionen erteilt. Dazu sagte der Unternehmenssprecher zur sda, dass die gruppeneigene Treasury-Abteilung diese Aktien handle.

Gutes Händchen

Ein Blick in frühere Jahresabschlüsse zeigt, dass Ems-Chemie den Handel mit ihren eigenen Aktien bereits seit einiger Zeit praktiziert, und dieser gute Überschüsse abwirft. So erwirtschaftete das Unternehmen beispielsweise für das Geschäftsjahr 2011/12 mit eigenen Aktien einen Gewinn von rund 2,5 Millionen Franken.

Ein «gutes Händchen» mit dem Handel eigener Titel bewies die Ems-Chemie auch in den Jahren 2013 und 2014 als laut Firmenangaben zusammengerechnet ein Überschuss von rund 1,1 Millionen Franken zwischen Ankaufs- und Verkaufssumme übrigblieb.

Schmale Gratwanderung

Doch ist das Spekulieren mit eigenen Aktien überhaupt erlaubt? Ja, sagt die zuständige Stelle bei der Schweizer Börse SIX dazu.

Seit der Aktienrechtsrevision 1992 wurde das grundsätzliche Verbot des Rückkaufs eigener Aktien im Gesetzesartikel 659 des Schweizer Obligationsrechts OR aufgehoben, erklärt Katharina Rüdlinger, Leiterin der Abteilung Meldepflichten (Corporate Disclosure) bei der SIX Exchange Regulation gegenüber der sda. Seither dürfen Firmen unter gewissen Bedingungen bis zu 10 Prozent aller emittierter Aktien zurückkaufen. Die SIX selbst habe aber keine speziellen Regeln für solche Transaktionen erlassen.

Verfügt der Konzern über Zusatzwissen?

Dennoch fragt sich: Verfügen die Unternehmen und die Personen in Schlüsselpositionen nicht über internes Zusatzwissen zum künftigen Geschäftsverlauf?

Ja, sagt die Rechtsexpertin der SIX, aber aus diesen Informationen dürfen sie für Börsengeschäfte mit ihren eigenen Papieren keinen Vorteil ziehen. Dies wären sonst Insiderdelikte, erklärt Rüdlinger. Sollten also zum Beispiel interne Daten einer aktuellen Hochrechnung von Jahresergebnissen aus dem Controlling in die firmeneigene Handelsabteilung gelangen, dürfte das Unternehmen sowie die handelnden Personen als Organe dieses Wissen nicht für Börsengeschäfte mit eigenen Valoren verwenden.

Schwierig nachzuweisen

Darüber wacht die Börse laut eigenen Angaben selbst und würde in begründeten Verdachtsfällen für die Ausnutzung potentiell kursrelevanter Informationen auch die Aufsichtsbehörde Finma sowie die Bundesanwaltschaft informieren. Die SIX räumt im Gespräch mit der sda allerdings ein, dass solche Verstösse sehr schwierig nachzuweisen seien.

Unter der Bedingung, dass die Treasury-Abteilung von Ems-Chemie keine Informationen zum künftigen Geschäftsverlauf für seine Kauf- sowie Verkaufsaufträge verwendet, sind die Börsengeschäfte von Ems-Chemie mit eigenen Aktien und die damit erzielte Kapitalgewinne also vollkommen legal. Laut Kapitalmarktexperten sowie einigen von der sda befragten Firmen- und Finanzchefs mittelgrosser Schweizer Unternehmen sind solche reinen Spekulationsgeschäfte mit eigenen Papieren aber dennoch höchst ungewöhnliche Vorgänge.

Externe können in den kommenden Finanzberichten sehen, ob sich auch der Kauf der 7751 eigenen Aktien im ersten Semester 2016 für die Gruppe auszahlt.

(sda/mbü)