Der Beinraum im Flugzeug ist eng, der Sitznachbar schnarcht und besetzt die Armelehne, die Luft in der Kabine steht. Fliegen ist nicht für alle ein freudiges Erlebnis. Aber: Kann es sogar ungesund sein? Das legt zumindest ein Positionspapier nahe, das der Pilotenverband Aeropers veröffentlicht hat. Der Verband vertritt Piloten der Swiss und Edelweiss Air.
«Jede Person an Bord eines Flugzeuges atmet Luft, welche durch chemische Stoffe verunreinigt sein kann», sagt Henning Hoffmann, Geschäftsführer von Aeropers. Diese Stoffe könnten zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen.
Übelkeit oder Ohnmacht
Das Problem besteht laut Aeropers darin, dass Luft in der Kabine nicht von aussen als Frischluft zugeführt, sondern von den Triebwerken über die Zapfluft in die Kabine gelenkt wird. Daher könnten innerhalb des Flugzeuges Komponenten von Triebwerks-Öl und Hydraulik-Flüssigkeit nachgewiesen werden. Diese Stoffe könnten die Gesundheit beeinträchtigen, sagt Pressesprecher Thomas Steffen.
«Unmittelbar kann das Einatmen dieser Giftstoffe zu Übelkeit oder sogar Ohnmacht führen und so die Arbeitsfähigkeit der Besatzung einschränken», so Steffen. «Langfristig können diese Stoffe einen negativen Effekt auf das zentrale Nervensystem haben und die Gesundheit nachhaltig schädigen. Bei Piloten kann daraus der Verlust der Fluglizenz aus medizinischen Gründen und somit der Gang in die Arbeitslosigkeit resultieren».
Filter und Sensoren
Der Pilotenverband stellt also Forderungen: Es benötige weitere intensive medizinische Recherche, um die langfristigen gesundheitlichen Schäden zu erforschen. Ausserdem sollten Filter und Sensoren in alle Maschinen eingebaut werden. Neue Flugzeuge sollten mit zapfluftfreien Kabinenluftsystemen entworfen und gebaut werden.
Bei der Swiss nehme man die Forderungen zum Einbau von Filtern oder Sensoren ernst und prüfe, ob und welche Techniken die Luft an Bord noch besser machen können, sagt Sprecher Stefan Vasic zu Handelszeitung.ch. «Swiss steht bei der Evaluation und möglichen Tests im engen Austausch mit den Herstellern und hält den Druck konstant aufrecht, dass an der Stelle weiter entwickelt wird.»
Studien mit unterschiedlichen Resultaten
In der Lufthansa Gruppe arbeite man seit vielen Jahren an der Aufklärung punktuell eintretender Geruchsfälle mit. Ausserdem «informiert und sensibilisiert Swiss ihre Crew auf dem Thema», so Vasic. Gleichzeitig verweist der Sprecher allerdings auf einen Bericht der Flugsicherheitsbehörde der Europäischen Union für zivile Luftfahrt EASA. Dieser war im März zum Schluss gekommen, dass die Luft auf 69 kommerziellen Messflügen mit acht verschiedenen Flugzeugtypen dieselbe Qualität hatte wie in normalen Innenräumen - etwa in Büros oder Schulen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führte derweil kürzlich zwei Studien durch, die einen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsumfeld des Kabinenpersonals und gewissen Symptomen ergaben. Die Organisation fordert weitere medizinische Forschung in dem Bereich.
Korrelation nachzuweisen ist schwierig
Die unterschiedlichen Studienergebnisse zeigen: Das sogenannte «Aerotoxische Syndrom» ist umstritten - besonders die langfristigen Folgen der angeblich toxischen Luft in der Flugkabine. Es gibt diverse Geschichten von Flugpersonal, das über die Folgen giftiger Dämpfe an Bord klagt. Der Luftfahrt-Journalist Tim van Beveren analysiert die Fälle in seiner Dokumentation «Ungefiltert eingeatmet».
Die Schwierigkeit liegt darin, eine direkte Korrelation zwischen verschmutzter Luft und den beschriebenen Symptomen nachzuweisen. «In Studien konnte nie ein kausaler und systemischer Zusammenhang zwischen Dämpfen und verdächtigen Substanzen und den Beschwerden von Betroffenen hergestellt werden», sagt Antonello Laveglia, Sprecher beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl). Auch er verweist auf die Studien der EASA. Auch das Bazl unterstütze jedoch die Idee von zusätzlichen Studien.
Aeropers-Geschäftsführer Hoffmann ist unterdessen überzeugt: «Das Thema wurde von der Luftfahrtbranche lange totgeschwiegen.» Jetzt sei es an der Zeit, dass die Airlines die heutigen technischen Möglichkeiten ausschöpften und ihre Fluggäste und Besatzungen vor der Gefahr der giftigen Kabinenluft schützten. Die Diskussion wird in der Branche auf jeden Fall weitergeführt: Als nächstes im September an einer Konferenz zum Thema Kabinenluft in London.