Bleiben wegen des Abgas-Skandals die VW-Händler auf ihren Autos sitzen? Die Frage sorgt nicht nur in den Autohäusern für Anspannung. Doch die Erfahrung zeigt: Kunden können mitunter schnell vergessen.
Das Dieseldebakel bei Volkswagen wirft mehr denn je ein Schlaglicht auf eine der wichtigsten Kennziffern im Konzern: den Absatz. Dabei stehen die Verkäufe bei Europas grösstem Autobauer ohnehin schon seit Monaten unter Druck. Und nun noch die Abgas-Affäre - wie sehr schlägt sie ins Kontor?
Zumindest birgt sie neue Risiken. Das Gebot der Stunde sei es, «dass unsere Kunden und Händler wieder Vertrauen zu uns gewinnen», schreiben Konzernchef Matthias Müller und Betriebsratsboss Bernd Osterloh Ende dieser Woche an die Belegschaft.
Absatz sank schon vor dem Skandal
Schon weit vor dem Skandal, im April, war der Absatz der VW-Gruppe gegenüber dem Vorjahresmonat um 1,3 Prozent gesunken. Es war das erste Minus seit Dezember 2009. Fünfeinhalb Jahre lang hatte der Konzern nur zugelegt.
Nach 0,5 Prozent Minus im ersten Halbjahr kassierte VW dann im Sommer seine Prognose für die Auslieferungen, die nun bis Ende 2015 nur noch auf Vorjahresniveau verharren sollen. Das wird schwierig: Per August steht das Minus schon bei 1,5 Prozent.
Erste Auswirkungen im Oktober ersichtlich
«Die grosse Frage ist», sagt eine VW-Führungskraft, «ob, und falls ja, wie deutlich die Vertrauenskrise beim Verkauf durchschlägt». Im September rollten 885'300 Fahrzeuge zu den Kunden. Das sind 1,5 Prozent weniger als vor Jahresfrist. Doch in jenem Monat kochte der Abgas-Skandal erst in den letzten Tagen hoch.
Frühestens der Oktober könnte ein erster Indikator sein, zumal zumindest hierzulande Autokäufe mit viel Vorlauf und selten spontan ablaufen. Nach der Bestellung eines Neuwagens dauert es meist noch einige Wochen bis zur Auslieferung. Die am Freitag bereits vom Branchenverband Acea gemeldeten Europa-Zahlen für den September zeigen denn auch keine Hiobsbotschaft für Volkswagen - sie dürften aber auch nicht für Erleichterung sorgen.
Als Gesamtkonzern legten die Wolfsburger im vergangenen Monat EU-weit um 8,4 Prozent zu. Bei der Kernmarke VW-Pkw fiel die Steigerung mit 6,6 Prozent deutlich geringer aus als bei den meisten Wettbewerbern. Insgesamt legte die Branche in Europa um 9,8 Prozent zu.
Kein Nachfragerückgang bei Audi
Bei der Oberklasse-Tochter Audi, deren Diesel teilweise auch vom VW-Skandal betroffen sind, schlagen sich die gefälschten Abgaswerte nach Auskunft einer Sprecherin nicht in einer nachlassenden Nachfrage nieder: «Wir spüren bislang keine Auswirkungen bei Auslieferungen und Bestellungen.» Im September lag das Plus bei Audi von 10,1 Prozent bei den Auslieferungen sogar leicht über dem Branchenschnitt.
Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach gibt zu bedenken, dass die millionenfachen Rückrufe beim VW-Konkurrenten Toyota vor einigen Jahren rückblickend keinen bleibenden Imageschaden verursacht hätten.
Und das, obwohl die Japaner erhebliche Anlaufschwierigkeiten hatten und erst der Druck der Öffentlichkeit zur lückenlosen Lösung führte. «Der Kunde vergisst schnell, wenn vernünftig aufgearbeitet worden ist», erklärt Bratzel.
Opel als Mahnmal
Opel sei dagegen ein Beispiel dafür, wie nachhaltig sich Kratzer am Image verfestigen können. Dort war zwar kein Manipulationsfall wie bei VW gegeben, doch der zu General Motors zählende Autobauer kämpfte jahrelang mit einem angestaubten Ruf.
Opel wirbt inzwischen mit dem Spruch «Umparken im Kopf» - ein Versuch, die lädierte Sichtweise auf die Marke mit dem Blitz wieder aufzupolieren. Entscheidend sei deshalb, dass VW die Lage rasch meistere. Andernfalls drohe der Konzern monatelang in den Negativschlagzeilen festzuhängen.
Wichtig wird es auch sein, wie reibungslos der im Januar startende Rückruf abläuft. Der Werkstattbesuch könne dann im Idealfall sogar als Werbung in eigener Sache dienen und förderlich für die Kundenbindung sein, sagt Bratzel.
(sda/ccr)