Bei Arbeitsantritt hatte er seinem Präsidenten ewige Treue geschworen. Er tue alles für ihn, stehe ihm nie im Sonnenlicht, hatte er verkündet. Doch letzten Sommer überkamen selbst Joseph Blatter grösste Zweifel an der Loyalität seines Generalsekretärs. Jérôme Valcke war im Büro in der Fifa-Zentrale tagelang nicht auffindbar – ausgeflogen im Privatjet. Das Operative interessierte den Franzosen nur noch mässig. Auch wunderte sich Blatter im kleinen Kreis zunehmend über den glamourösen Lebensstil seines Generalsekretärs – Ferienhaus auf Sardinien, Wohnung am See, 660-PS-Ferrari in der Garage, Yacht, Uhren, teure Hotels.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Am 19. September 2015, nachdem Vorwürfe wegen einer angeblichen Forderung nach einer Gewinnbeteiligung beim Ticketverkauf aufgetaucht waren, vollzog Blatter den Schnitt.

Zeitpunkt für geordneten Rückzug verpasst

Seither gings drunter und drüber. Joseph Blatter: Busse über 50'000 Franken, gesperrt bis 2024, Michel Platini: Busse über 80'000 Franken, gesperrt bis 2024. Dem Fifa-Chef und dem Uefa-Präsidenten werden Amtsmissbrauch und Illoyalität vorgeworfen. Derweil umfassen die Anschuldigungen gegen Valcke nicht zwei, sondern sieben Punkte. Entsprechend härter fällt die Forderung der Untersuchungskammer aus: Busse über 100'000 Franken, Sperre bis 2025. Dies ist nun eingetroffen: Der Sonnenkönig muss gehen und zahlt einen hohen Preis für sein Wirken.

Mitte Januar wurde der 55-Jährige von der Fifa per sofort gekündigt. Anfänglich bot man ihm einen geordneten Rückzug an. Domenico Scala, Präsident der Audit & Compliance-Kommission, schlug eine Auflösungsvereinbarung mit sofortiger Trennung vor. Valcke willigte ein, aber nur unter der Bedingung einer Abfindung über 10 Millionen Franken; Scala lehnte empört ab.

Gut möglich, dass Valcke nach den happigen Vorwürfen der Ermittler schon bald fristlos gekündigt wird – ohne einen Rappen Abfindung.

Die Munition gegen ihn lagert in einem 100-Seiten-Bericht der Prüfgesellschaft KPMG. Er liefert die Faktenbasis für die geforderte Sperre und die Busse. Ein Grossteil des Berichts ist möglichen Interessenkonflikten und dem lockeren Umgang mit Fifa-Ressourcen gewidmet.

Entourage im Privatjet

Valcke, ehemaliger Sportjournalist beim französischen TV-Sender Canal+, richtete stets mit der grossen Kelle an. Zur Hochzeit mit seiner zweiten Frau – einer ehemaligen Miss Italia aus Südafrika – flog er einen Designer aus Brasilien ein, der 50 Laufmeter reine Seide zum Hochzeitskleid verarbeitete. Auf standesgemässen Stil setzte er auch bei der Fifa. Für Geschäftsreisen nahm er gerne den Privatflieger. Sein Lieblingssitz: Vorne rechts, direkt hinter dem First Officer. An der Fussball-WM in Brasilien, an der die Fifa zwei Jets angemietet hatte, düsten vor allem zwei Funktionäre durchs Land: Präsident Blatter und sein Generalsekretär. Mehrmals sollen bei der «Valcke-Air» auch Friends & Family mitgeflogen sein, nervten sich Fifa-Direktoren, die in der engen Linienmaschine nachreisen mussten.

Auch die Spesenrechnung war von Grosszügigkeit bestimmt. Weil Brasilien im Jahr 2013 (Confederations Cup) und 2014 (Fussball-WM) das Epizentrum des Weltfussballs bildete, mietete die Fifa für ihren Generalsekretär samt Entourage ein ganzes Jahr lang ein Appartement. Auch hier dominierte eine High-End-Lösung: Eine doppelstöckige Wohnlandschaft mit 1000 Quadratmetern Fläche, direkt über dem mondänen Ipanema-Strand von Rio de Janeiro. Besitzer des Edel-Condo ist der ehemalige Fussballstar Ronaldo. Mit dem Vermieter kam es am Schluss wegen der dichten Belegung noch zum handfesten Streit. Manch einer im Fifa-Staff wunderte sich über die exklusive Location des Generalsekretärs. Präsident Blatter war dagegen geradezu bescheiden im nahen «Copacabana Palace» einquartiert.

Auch Valckes Sohn aus erster Ehe, Sébastien, war im Windschatten seines mächtigen Vaters in der Fussballwelt Südamerikas unterwegs. Beim brasilianischen Fussballverband trug er anfänglich den Titel eines Assistant General Coordinator, anschliessend stieg er zum Marketingexperten auf.

Im Visier der Justiz

Valcke junior genoss die Protektion von Verbandspräsident José Maria Marin. Dieser gehörte seit langem zum Freundeskreis Jérôme Valckes. Als er 2006 wegen Verstössen gegen Reglemente seinen Fifa-Top-Job – er war damals Marketing-Chef – verlor, flog er nach Rio und half Marin bei der Bereitstellung des Bewerbungsdossiers für die WM 2014.

Brasilien gewann die WM, doch Marin verlor kürzlich die Freiheit. Letzten Frühling wurde er im Zürcher Hotel Baur au Lac verhaftet und später in die USA ausgeliefert. Die Vorwürfe der Amerikaner: Betrug, Geldwäscherei, Bestechung in Millionenhöhe. Nach Bezahlung einer Kaution über 3 Millionen Dollar steht er nun unter Hausarrest und wartet auf den Prozess.

Ähnliches könnte einem weiteren Valcke-Vertrauten widerfahren: Ricardo Teixeira. Er sass vor Marin auf dem Präsidententhron des Fussballverbands. Ihn hatten die Justiz Brasiliens und jene in den USA kürzlich wegen Geldwäscherei, Korruption und Steuerbetrug angeklagt.