Wenn uns Corona eines lehrt, dann, dass wir widerstandsfähiger werden müssen – als Menschen wie als Unternehmen. Resilienz gibt es jedoch nicht zum Nulltarif. Wer lediglich Quartalsgewinne als Massstab nimmt, wird sich mit dem Umbau schwertun. Gefordert sind Mut sowie langfristiges Denken von Topmanagement wie von Investoren.
Es ist dabei nicht nur die Pandemie, die unsere Wirtschaft durchrüttelt. «America first» und Brexit haben gezeigt, dass der Trend zur Globalisierung gebrochen ist. Unternehmen müssen sich wieder vermehrt auf Handelskonflikte, Unterbrüche der Lieferketten oder Einschränkungen der Bewegungsfreiheit einstellen. Dafür reichen traditionelle Lösungen wie Effizienzsteigerung und Agilität nicht mehr aus.
Die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen nimmt ab
Nach wie vor konzentrieren sich die meisten Chefs auf kurzfristige Herausforderungen und befürchten – wie viele Investoren auch –, dass verbesserte Resilienz auf Kosten von Ergebnis und Aktienkurs gehen könnte.
Zuletzt hatten beide ein goldenes Zeitalter erlebt. Eine Bain-Studie zeigte kürzlich, dass Unternehmensgewinne in den Industrieländern seit 1990 im Schnitt doppelt so schnell zugenommen haben wie das Bruttoinlandprodukt. Die Schweiz sticht mit einem überproportional hohen Anteil an Erträgen hervor.
Thomas Lustgarten ist Chairman von Bain & Company Schweiz.
Obwohl sie 2018 nur 4 Prozent zu Europas Bruttoinlandprodukt beigetragen hat, erwirtschafteten ihre börsennotierten Firmen 7 Prozent der Gewinne. Die schweizerischen Kommunikations- und Gesundheitsunternehmen erzielten in der letzten Dekade sogar Renditen von mehr als 30 Prozent.
Durch Outsourcing, Just-in-time-Logistik oder Fokussierung aufs Kerngeschäft nahm die Resilienz wegen abnehmender Diversifizierung und steigenden Verschuldungsgrades gleichzeitig ab. Dazu wurden in der Krise die auf Effizienz getrimmten Lieferketten zur Achillesferse.
Resilienz wird oft mit der Eliminierung von Volatilität verwechselt. Doch Schwankungen gibt es immer. Auch künftig ist kein Unternehmen vor plötzlichen Umbrüchen sicher – siehe die Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank 2015.
Resilienz ist die neue Agilität, Redundanz das neue Must-have
Es braucht solide Finanzierung und kluges Liquiditätsmanagement. Aber genauso muss das Portfolio stärker diversifiziert, müssen Redundanzen in der Lieferkette geschaffen und muss die Abhängigkeit von Lieferanten beziehungsweise Kundengruppen verringert werden. Organisatorisch wichtig sind Flexibilität und schnelles Handeln. So konnten resiliente Unternehmen während der Pandemie ohne Sicherheits- und Effizienzeinbussen ins Homeoffice wechseln.
Ein einfaches und transparentes Geschäftsmodell hilft ebenfalls, mit den Folgen eines sogenannten schwarzen Schwans wie Covid-19 oder einer plötzlich blockierten Handelsroute besser umzugehen. Widerstandsfähigkeit ist zentrale Angelegenheit der Führungsebenen.
«Was heute ganz oben auf der Agenda stehen muss, ist Widerstandsfähigkeit.»
Widerstandsfähigkeit ist also weder umsonst noch auf Knopfdruck zu haben. Es bedarf einer Vision, eines Verständnisses für Geschäftsmodell und Organisation sowie einer grossen Portion Kreativität. Zugleich muss das Topmanagement gegenüber Investoren und Stakeholdern den Nachweis erbringen, dass sich mehr Resilienz in einem steigenden Unternehmenswert niederschlägt. Idealerweise wäre dies ein echter Perspektivwechsel.
Doch was den Firmen mehr Widerstandsfähigkeit tatsächlich wert ist, wird sich letztendlich erst nach der Pandemie zeigen.