Die Anzahl Sportler, deren risikoreiche Aktivitäten nicht voll Unfall versichert sind, steigt frappant. Downhill-Biking, Gleitschirm fliegen, Quadrennen oder Strassenrodeln gehören schon fast zum Standardangebot im Sommertourismus. Unfälle können teuer werden.
Die Schweizer Natur dient als Rennbahn, wo sich viele Freizeitsportler einen Erlebniskick holen. Wagemutige, die an die sportlichen Grenzen gehen, gab es schon immer. Doch noch nie war die Freizeitausrüstung so professionell und Erlebnisangebote so vielfältig. Was vor wenigen Jahren noch als exotisch galt, ist heute ein Breitensport.
Unfall kann teuer werden
Zum Beispiel Downhill-Biken. Bergbahnen bieten Biketickets an. Auf den Bergen warten Biketrails und Bikeparks. Wenigen Bikern ist aber bewusst, wann normales Biken zu einem Wagnis wird - und dass ein Unfall teuer werden kann.
Denn bei Nichtbetriebsunfällen, die von den Versicherungen als absolutes oder relatives Wagnis eingestuft werden, ist die Kostendeckung nicht gewährleistet. Beim Mountainbiken zählen Abfahrtsrennen inklusive Training auf der Rennstrecke zu den absoluten Wagnissen.
Laut Suva-Sprecherin Gabriela Hübscher bezahlen die Versicherungen bei absoluten Wagnissen immer nur 50 Prozent der Geldleistungen und im Extremfall nichts.
Vom Sport zum Wagnissport
Was absolute Wagnisse sind, definiert die Ad-hoc-Kommission Schaden der Versicherungen: Es sind Sportarten, die mit Gefahren verbunden sind, die trotz aller Vorkehrungen nicht auf ein vernünftiges Mass reduziert werden können.
Zur Liste zählen neben Downhill-Biken auf Zeit auch akrobatische Sprünge mit dem Fahrrad, Motorrad- und Motorbootrennen, Auto-Rallys, Base-Jumping, Quadrennen, Rollbrettabfahrten auf Geschwindigkeit, Tauchen in einer Tiefe von mehr als 40 Metern und anderes mehr.
Als relative Wagnisse gelten risikoreiche Sportarten, die zwar voll gedeckt wären, wo aber die üblichen Regeln oder Vorsichtsgebote auf schwerwiegende Weise missachtet wurden. Auch hier werden die Unfallkosten bis zur Hälfte gekürzt. Beispielsweise Gleitschirm- und Hängegleiter-Fliegen bei ungünstigen Windbedingungen gelten als relative Wagnisse.
Normales Mountainbiken ist grundsätzlich voll versichert. Doch eine Leistungskürzung kann erfolgen, wenn der Verunfallte schlecht ausgerüstet ist, sich völlig unerfahren auf einen schwierigen Trail begibt oder Wetterwarnungen ignoriert.
Markierungen ignorieren kann kosten
Ein hoher Selbstbehalt droht im Fall eines Unfalls beim Bergsteigen, Trail-Running, Klettern oder Schneesport ausserhalb markierter Wege oder Pisten oder bei schlechtem Wetter. Nur schlechte Ausrüstung führt nicht zum Ausschluss.
Es ist verbreitet, dass Unternehmen für ihre Angestellten nicht nur obligatorische Unfallversicherungen abschliessen, sondern auch eine ergänzende Unfallversicherung.
Sogar Bungee Jumping gedeckt
Die UVG-Ergänzung etwa der Baloise bietet eine solche Differenzdeckung an. Diese gleicht alle Kürzungen oder Verweigerungen von Leistungen aus der obligatorischen Unfallversicherung infolge Wagnissen oder Grobfahrlässigkeiten vollumfänglich aus.
Laut Baloise-Expertin Sandra Seeburn gibt es bei Mitversicherung der Differenzdeckung keinen Ausschluss für absolute Wagnisse, also auch nicht für Bungee Jumping.
Auch Wagnissportler, deren Arbeitgeber eine kollektive Unfallzusatzversicherung von Zurich Schweiz abgeschlossen haben, können darauf zählen, dass Zusatzkosten sowohl von relativen als auch von absoluten Wagnissen gedeckt sind. Dasselbe gilt für die Differenzversicherungen der Mobiliar sowie der Allianz.
Deckung Einzelunfallversicherungen ist manchmal besser
Spezielle Versicherungen für Wagnis-Aktivitäten bieten die Versicherer gemäss Umfrage der Nachrichtenagentur sda nicht an. Allerdings ist die Deckung Einzelunfallversicherungen manchmal besser als bei Kollektivversicherungen.
Die Einzelunfallversicherung der Baloise etwa ist für Personen gedacht, die nicht vom Arbeitgeber obligatorisch versichert sind, wie Kinder, Rentner oder Hausfrauen. Diese Versicherung deckt auch Unfallkosten infolge von Wagnissen ab. Ausgenommen sind allerdings Unfallkosten bei Training und Rennen im Motorfahrzeugsport.
Umgang mit Risiken verblüfft
Die private (Einzel-)Unfallversicherung der Mobiliar ist restriktiver. Die Mobiliar führt vor Vertragsabschluss eine Risikoprüfung durch. «Im Fall einer Person mit risikohaftem Freizeitverhalten können die Abschlüsse Bedingungen enthalten, auch ein Ausschluss ist möglich», sagt Mobiliar-Sprecherin Kim Allemann.
Laut den Versicherern ist die Zahl der Wagnis-Unfälle relativ zu allen anerkannten Nichtbetriebsunfällen mit 500'000 pro Jahr noch unbedeutend. Die Nachfrage nach ergänzenden Unfallversicherungen ist hoch, aber stabil. «Die Risikoaffinität nimmt zwar gefühlt zu, bei der Anzahl der Versicherungsabschlüsse ist jedoch keine markante Zunahme festzustellen», sagt Allemann.
Auch bei Baloise sei keine Zunahme von Abschlüssen aufgrund der eingegangenen Risiken spürbar, sagt Sprecher Patrik Pensa. «Aber es ist spürbar, dass viel mehr solche Risiken eingegangen werden, respektive die risikoreichen Freizeitbeschäftigungen ansteigen.»
Allianz-Sprecher Bernd de Wall stellt fest: «Es ist immer wieder interessant zu sehen und manchmal kaum zu verstehen, welch hohes Risiko eine versicherte Person zum Teil bereit ist einzugehen.»
(sda/ccr)