Gross ist die Aufregung. Da lassen sich gut verdienende Topmanager beim Abgang mit zwei- und dreistelligen Millionenbeträgen abfinden. Chefs von eher erfolglosen Unternehmen beziehen neben ihrem üppigen Salär nicht minder üppige Bonifikationen. Und das Fussvolk, so es die Kündigung noch nicht erhalten hat, muss sich erklären lassen, dass in diesem Herbst eine bescheidene Lohnrunde angesagt ist – wenn sie nicht überhaupt entfällt.
Da solches nicht zum ersten Mal geschieht – während der Neunzigerjahre waren in vielen Branchen die Lohnrunden eher bescheiden –, ist die Lücke zwischen «denen da oben» und «uns da unten» immer grösser geworden. Und immer drängender wird die Frage, wie in dieser besten aller Welten sichergestellt werden kann, dass jedermann verdient, was er verdient. Denn eines scheint «uns da unten» sicher: «Die da oben» verdienen bei weitem mehr, als sie verdienen. Und das ist doch ungerecht.
Womit wir wieder einmal bei der Frage wären, wie hoch denn der «richtige» Lohn sei, der tunlichst auch «gerecht» sein sollte. Auf den vorstehenden Seiten finden Sie den «Gehaltstest», der den individuell korrekten Lohn daraus ableitet, was andere Personen in vergleichbaren Positionen verdienen. Das ist immerhin ein objektiv nachvollziehbarer Massstab. Ob damit auch der «richtige» oder «gerechte» Lohn getroffen wird, ist aber fraglich. Denn auch die Bezüger von Topsalären berufen sich auf den Markt, auf den globalen Markt für Führungskräfte, und der gibt die Millionensummen eben her. Wer sich in der Lohnfrage nur auf den Markt beruft, geht eigentlich vom Glaubenssatz aus: Richtig ist, was ist.
Das ist zwar ein ehrenwerter Standpunkt, aber auch ein ziemlich banaler. Und deshalb sind die Menschen unentwegt auf der Suche nach dem richtigen Lohn: Sie wollen nicht wissen, was ist, sondern was sein sollte. Das aber ist unter anderem eine moralische Frage. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass auch der Vater der modernen Ökonomie, Adam Smith, von Haus aus Moralphilosoph war. Er interessierte sich nur bedingt für die Mehrung des individuellen Reichtums, aber viel stärker für den «wealth of nations», den Wohlstand der Nationen. Dass der am ehesten zu Stande komme, wenn jedermann seinen individuellen Nutzen zu mehren versuche, war Smith’ grundlegende Erkenntnis, aus der sich alle Theorien der modernen Ökonomie ableiten lassen. Ihm war freilich auch klar, dass der Versuch, den individuellen Nutzen zu mehren, klarer Spielregeln bedürfe, damit der gemeinsame Wohlstand nicht gefährdet werde.
Es waren im 19. Jahrhundert David Ricardo und Karl Marx, die den Lohn als Preis für die Arbeit definierten, ihn aus dem Wert der Arbeit ableiteten – und damit die Welt in Teufels Küche brachten. Denn wie sollte man den Wert der Arbeit berechnen, ohne den Wert des Arbeitsprodukts in Rechnung zu stellen, der sich wiederum aus dem Wert der darin «geronnenen» Arbeit ableitet? Dieser Gedankengang führt schnurstracks zur pleonastischen Aussage: «Die Arbeit ist wert, was sie wert ist.»
Der Sache der Gerechtigkeit näher kam die Verteilungstheorie, die nicht mehr nach der Höhe des gerechten Lohns fragte, sondern nach der Verteilung der Einkommen und Vermögen in einer Gesellschaft – wobei sie sich um die Frage drückte, was eine gerechte Verteilung sei. Soll es etwa gerecht sein, wenn alle gleich viel verdienen, wenn die Leistungswilligen und Gescheiten nicht mehr bekommen als die Faulen und Dummen? Oder sollte es umgekehrt gerecht sein, wenn die Leistungsfähigen alles bekommen, die Unbegabten oder Behinderten nichts?
Die Lösung dieses Problems fanden wir im Wohlfahrtsstaat, der allen die materielle Existenz sichert, den Leistungsfähigen aber die freie Entfaltung ermöglicht. Die Differenz zwischen oben und unten darf gross werden, aber niemand soll unter das Existenzminimum sinken. Auf dieser Prämisse beruhen alle Sozialversicherungen. Das empfanden wir während vieler Jahrzehnte als gerecht.
Mit dieser Idylle ist es vorbei: Die meisten Sozialwerke sind kaum mehr zu finanzieren. «Niemand soll unter das Existenzminimum sinken.» Dieses Versprechen kann nicht mehr eingelöst werden. Der Sozialvertrag des Wohlfahrtsstaates wird gebrochen. Und deshalb steigt die Empörung, wenn einzelne Gruppen sich bereichern. Ungerecht ist nicht, dass manche viel mehr verdienen als die Mehrheit; ungerecht ist, dass die Ärmsten fallen gelassen werden, obwohl am oberen Ende mehr verdient wird. Mit anderen Worten: Beim gerechten Lohn kommt es nicht darauf an, was irgendein Individuum verdient, sondern darum, dass niemand untergeht. Die Bibel sagt das viel einfacher: «Was ihr dem geringsten eurer Brüder tut, das habt ihr mir getan.»
Da solches nicht zum ersten Mal geschieht – während der Neunzigerjahre waren in vielen Branchen die Lohnrunden eher bescheiden –, ist die Lücke zwischen «denen da oben» und «uns da unten» immer grösser geworden. Und immer drängender wird die Frage, wie in dieser besten aller Welten sichergestellt werden kann, dass jedermann verdient, was er verdient. Denn eines scheint «uns da unten» sicher: «Die da oben» verdienen bei weitem mehr, als sie verdienen. Und das ist doch ungerecht.
Womit wir wieder einmal bei der Frage wären, wie hoch denn der «richtige» Lohn sei, der tunlichst auch «gerecht» sein sollte. Auf den vorstehenden Seiten finden Sie den «Gehaltstest», der den individuell korrekten Lohn daraus ableitet, was andere Personen in vergleichbaren Positionen verdienen. Das ist immerhin ein objektiv nachvollziehbarer Massstab. Ob damit auch der «richtige» oder «gerechte» Lohn getroffen wird, ist aber fraglich. Denn auch die Bezüger von Topsalären berufen sich auf den Markt, auf den globalen Markt für Führungskräfte, und der gibt die Millionensummen eben her. Wer sich in der Lohnfrage nur auf den Markt beruft, geht eigentlich vom Glaubenssatz aus: Richtig ist, was ist.
Das ist zwar ein ehrenwerter Standpunkt, aber auch ein ziemlich banaler. Und deshalb sind die Menschen unentwegt auf der Suche nach dem richtigen Lohn: Sie wollen nicht wissen, was ist, sondern was sein sollte. Das aber ist unter anderem eine moralische Frage. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass auch der Vater der modernen Ökonomie, Adam Smith, von Haus aus Moralphilosoph war. Er interessierte sich nur bedingt für die Mehrung des individuellen Reichtums, aber viel stärker für den «wealth of nations», den Wohlstand der Nationen. Dass der am ehesten zu Stande komme, wenn jedermann seinen individuellen Nutzen zu mehren versuche, war Smith’ grundlegende Erkenntnis, aus der sich alle Theorien der modernen Ökonomie ableiten lassen. Ihm war freilich auch klar, dass der Versuch, den individuellen Nutzen zu mehren, klarer Spielregeln bedürfe, damit der gemeinsame Wohlstand nicht gefährdet werde.
Es waren im 19. Jahrhundert David Ricardo und Karl Marx, die den Lohn als Preis für die Arbeit definierten, ihn aus dem Wert der Arbeit ableiteten – und damit die Welt in Teufels Küche brachten. Denn wie sollte man den Wert der Arbeit berechnen, ohne den Wert des Arbeitsprodukts in Rechnung zu stellen, der sich wiederum aus dem Wert der darin «geronnenen» Arbeit ableitet? Dieser Gedankengang führt schnurstracks zur pleonastischen Aussage: «Die Arbeit ist wert, was sie wert ist.»
Der Sache der Gerechtigkeit näher kam die Verteilungstheorie, die nicht mehr nach der Höhe des gerechten Lohns fragte, sondern nach der Verteilung der Einkommen und Vermögen in einer Gesellschaft – wobei sie sich um die Frage drückte, was eine gerechte Verteilung sei. Soll es etwa gerecht sein, wenn alle gleich viel verdienen, wenn die Leistungswilligen und Gescheiten nicht mehr bekommen als die Faulen und Dummen? Oder sollte es umgekehrt gerecht sein, wenn die Leistungsfähigen alles bekommen, die Unbegabten oder Behinderten nichts?
Die Lösung dieses Problems fanden wir im Wohlfahrtsstaat, der allen die materielle Existenz sichert, den Leistungsfähigen aber die freie Entfaltung ermöglicht. Die Differenz zwischen oben und unten darf gross werden, aber niemand soll unter das Existenzminimum sinken. Auf dieser Prämisse beruhen alle Sozialversicherungen. Das empfanden wir während vieler Jahrzehnte als gerecht.
Mit dieser Idylle ist es vorbei: Die meisten Sozialwerke sind kaum mehr zu finanzieren. «Niemand soll unter das Existenzminimum sinken.» Dieses Versprechen kann nicht mehr eingelöst werden. Der Sozialvertrag des Wohlfahrtsstaates wird gebrochen. Und deshalb steigt die Empörung, wenn einzelne Gruppen sich bereichern. Ungerecht ist nicht, dass manche viel mehr verdienen als die Mehrheit; ungerecht ist, dass die Ärmsten fallen gelassen werden, obwohl am oberen Ende mehr verdient wird. Mit anderen Worten: Beim gerechten Lohn kommt es nicht darauf an, was irgendein Individuum verdient, sondern darum, dass niemand untergeht. Die Bibel sagt das viel einfacher: «Was ihr dem geringsten eurer Brüder tut, das habt ihr mir getan.»
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