Michael Pieper stürmt durchs Leben. Am ersten Arbeitstag des neuen Jahres versammelt seine Franke-Gruppe die gut 800 Mitarbeiter aus der Zentrale in Aarburg. Zehn Minuten reichen Pieper, um vor ihnen in einer Werkhalle eilig und typisch direkt sämtliche Aktionen seiner Beteiligungsgesellschaft Artemis zu kommentieren: Franke, Feintool, Forbo, Rieter, Autoneum, von Immobilien bis Teakholz-Plantagen, die neue Mehrheit an Arbonia-Forster und mehr. Pieper denkt schnell, redet noch schneller, wechselt rasch die Themen.

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Schwer zu fassen ist der Patron – und doch ein Manager zum Anfassen. Als Pieper sich kurz darauf ein Glas Wein greift und durch die Menge geht, klopft er Schultern, und mancher Mitarbeiter klopft die seine. Es wird geredet, gelacht, gewitzelt. Ein Franke-Mann äussert gegenüber Pieper sogar kritische Worte. Kurzerhand duzt er den 69-Jährigen. Pieper lächelt, erwidert etwas, nickt dem Mann zu.

Er mag es ruppig und rasant. Und er mag die Offenheit seiner Leute. «Die Mitarbeiter haben keine Scheu, mir gegenüberzutreten», sagt der Unternehmer, der Franke von seinem Vater erbte. «Mancher arbeitet hier schon in zweiter oder dritter Generation. Diese Nähe zur Firma ist wichtig. Durch sie setzt sich jeder auch in schwierigen Zeiten ein.» Ein wichtiger Vorteil.

In Krisenzeiten en vogue

Finanzmarktkollaps, Frankenstärke, Flaute in China – Familienfirmen offenbaren ihre Trümpfe gerade in Krisen. Sie sind wieder en vogue. Zumal sie heute moderner arbeiten als je zuvor. Während der Höhenflüge der Börse wurden sie abgeschrieben als altmodisch, bieder und behäbig. Reine Publikumsgesellschaften galten dagegen mit ihrer Agilität als das Nonplusultra der Wirtschaftswelt.

Heute zeigt sich, dass Familienfirmen zwar meist keine Highflyer sind, aber durch den Mut und Halt starker Inhaber mit ihren Ergebnissen den anderen in schwierigen Zeiten davonziehen. Das beweisen viele generationenalte Firmen genauso wie junge Erfolgsfälle mit dominanten Unternehmern, zum Beispiel Facebook und Google.

Starke Unternehmer als Plus

Gerade in unsicheren Zeiten wie heute werfen Investoren ein Auge auf die Firmen von Entrepreneuren. Sie laufen schliesslich richtig gut: Der auf Familienfirmen und Unternehmen mit dominierenden Eignern in der Schweiz ausgerichtete Fonds BB Entrepreneur Switzerland von Bellevue Asset Management schlägt den Swiss Performance Index (SPI) deutlich. Seit er vor zehn Jahren aufgelegt wurde, gewann der BB-Fonds 64 Prozent an Wert, der SPI 39 Prozent. Im globalen Vergleich haben sich die Kurse der Familienfirmen von denen reiner Kapitalgesellschaften zuletzt noch stärker abgesetzt, zeigen Daten von Credit Suisse.

Birgitte Olsen, leitende Portfoliomanagerin bei Bellevue Asset Management, spürt das steigende Interesse an Firmen mit dominierenden Inhabern. Denn diese achten auf ihre Unabhängigkeit und verschulden sich daher selten. «Viele Publikumsgesellschaften ohne starken Unternehmer leiden unter schwachen Bilanzen. Sie haben Schulden angehäuft. Das bringt manche in Krisenzeiten ins Schwanken», sagt Olsen. «Familienfirmen profitieren von ihren starken Bilanzen. Darauf schauen Investoren jetzt und werden dort künftig verstärkt aktiv.»

Gewinner in Krisenzeiten

Wie erfolgreich Unternehmer von ihrer Machtfülle profitieren können, demonstriert Michael Pieper und mit ihm seine Unternehmen, denen der gewiefte Haudegen mit viel Chuzpe und guten Managern die Weichen für Wachstum stellt.

Als Franke-Chef Alexander Zschokke zum Jahresauftakt vor den Mitarbeitern das Podium betritt, bringt er gute Nachrichten mit. Der starke Franken, das instabile Brasilien, Chinas Probleme drücken zwar auf das Geschäft. Dennoch steigerte der Küchenhersteller zuletzt Ergebnis und Marge deutlich. Bis 2020 solle es weiter aufwärtsgehen, verspricht Zschokke. Dafür bündelt Franke Kräfte: ein zentraler Einkauf zwischen den Sparten, gemeinsame Services, ein einheitlicher Markenauftritt – ob für Küchen, Kaffeemaschinen oder Waschraumsysteme.

Familiärer Hintergrund als Erfolgsrezept

Es sind Familienfirmen, die die Wirtschaft antreiben. Weltweit stellen sie ungefähr zwei Drittel aller Unternehmen und erwirtschaften mehr als 70 Prozent des Wachstums. Die Unternehmensberatung PwC suchte jüngst nach den Gründen für den Erfolg der Schweizer Weltmarktführer. Einen grossen Anteil habe deren familiärer Hintergrund, sagt Norbert Kühnis, Leiter Familienunternehmen bei PwC. 70 von 123 der «Swiss Champions» sind zumindest teilweise in Familienbesitz, bei etwa 60 Prozent sitzen Familienmitglieder in Management oder Verwaltungsrat.

Der Familienbonus entfacht ein lange nicht gekanntes Selbstbewusstsein bei den Unternehmern. Zu Recht: Sie müssen mutig selbst für ihre Firma entscheiden – ohne den Rückhalt anderer. «Es kommt in Mode, sich als Familienfirma zu präsentieren und stolz zu zeigen, was man aufgebaut hat», sagt Christoph Kneip, auf solche Firmen spezialisierter Berater bei KPMG.

Verglichen mit der Zeit vor zehn Jahren, seien Familienunternehmen heute deutlich attraktiver. «Seit den tiefen Wirtschaftskrisen sind diese Unternehmen wieder mehr in den Fokus gerückt», bemerkt Dominik von Au, Geschäftsführer der Intes Akademie für Familienunternehmen. «Es gibt eine Rückbesinnung auf alte Werte.»

Kontinuität über viele Generationen

Vertrauen und Respekt sind die jahrhundertealten Grundpfeiler, nach denen Carl Elsener lebt. Dank diesen Werten gelang es der heute 130 Jahre alten Familienfirma Victorinox, die der 57-Jährige in vierter Generation führt, ihre Offiziersmesser zum weltbekannten Inbegriff eines Schweizer Produkts zu machen und diesen Nimbus auf Taschen, Uhren und Jacken zu übertragen.

Selbst durch tiefe Krisen wurde die Firma so geleitet. Nach dem Attentat auf das World Trade Center in New York 2001 brachen Victorinox 30 Prozent Umsatz weg. Die Elseners kämpften darum, niemanden zu entlassen. Kurzerhand liehen sie ihre Mitarbeiter monatelang an nahe Unternehmen aus. So blieb der Firma wertvolles Wissen erhalten.

Antizyklisches Verhalten

Durchhaltewillen und das Ziel, ein Unternehmen für viele Generationen zu bewahren, machen Familienfirmen erfindungsreich statt träge, wie man sie einst sah. «Viele Unternehmen mit familiären Inhabern reagieren in Krisen antizyklisch. Sie kaufen zu, wenn es günstig ist, und bauen möglichst keine Jobs ab», sagt Portfoliomanagerin Olsen. «So können sie im folgenden Aufschwung sofort Gas geben.» Denn sie behalten das Know-how und die Kundenkontakte, über die ihre Mitarbeiter verfügen, im Unternehmen. Der starke Renditefokus zwingt CEOs kotierter Firmen in Streubesitz dagegen, in Schwächephasen einen strikten Sparkurs zu verfolgen, oft auch durch Jobabbau.

Familienfirmen geben der Entwicklung von Ideen mehr Zeit, beobachtet PwC-Experte Norbert Kühnis. Neue Projekte überlebten Sparprogramme eher in Familienfirmen als in reinen Publikumsgesellschaften. Schlappe Margen stecken Familieneigner besser weg. Hauptsache, das Unternehmen bleibt auf lange Sicht stabil.

Langfristige Visionen

So mottete Alfred Schindler, Präsident des Aufzugsherstellers Schindler, vor drei Jahren das ursprüngliche Margenziel zugunsten der Expansion nach Asien ein. Investoren kritisierten ihn barsch, doch Schindler blieb stur. Zum Glück: Der Firma gelang ein starker Ergebnissprung.

«Es geht darum, eine langfristig tragfähige Strategie zu entwerfen und dann Kurs zu halten – auch bei schlechtem Wetter», sagt Schindler. Auch wenn die Familie nicht mehr operativ im Unternehmen arbeite, könne sie zumindest Management und Verwaltungsrat den Rücken freihalten.

Schindlers Kurshalten erwies sich als wertvoll. Seit der Patron 1977 in vierter Generation in der Firma startete und sie dann jahrzehntelang führte, hat sich der Umsatz verachtfacht, der Unternehmenswert beinahe verachtzigfacht. «Unternehmen ohne starke Ankeraktionäre ändern oft die Richtung, wenn es Kritik hagelt. Das frisst Ressourcen auf», sagt er.

Mehr Zeit um Lösungen zu erarbeiten

Reihum klagen Manager kotierter Unternehmen darüber, dass sie immer kurzfristiger agieren müssten, kaum Zeit zum Erarbeiten stabiler Strategien bleibe. Die Kader müssen dem schnellen Pulsschlag der Börse folgen und werfen Pläne ihrer Vorgänger dafür über den Haufen. Für kurssteigernde Akquisitionen werden oft hohe Risiken eingegangen.

Dagegen können sich Familienfirmen dank starker Eigentümer vom Druck der Börse befreien, selbst wenn sie kotiert sind. «Familienfirmen müssen in Krisen nicht sofort Lösungskonzepte präsentieren, sondern können in Ruhe die nächsten Schritte überlegen», sagt Stephan Hostettler, Gründer der Strategie- und Vergütungsberatung HCM. Dadurch bleiben langfristige Strategien unangetastet, obwohl sie Geld verschlingen.

So oft, wie er gegen das Votum von Investoren handelte, so sicher will Alfred Schindler sein Unternehmen künftig in Familienhand wissen. Dafür verkündete der 66-Jährige kürzlich seine Rückzugspläne und ernannte Konzernchef Silvio Napoli für 2017 zum Nachfolger als Präsident. Ein Aktienrückkaufprogramm erhöhte jüngst zugleich die Anteile im Besitz der Familie und damit deren Macht.

Die Börse steht am Pranger

Schindler hadert mit dem Finanzmarkt – so wie immer mehr Unternehmer. Zwar bietet die Börse Zugang zu Geld für die Expansion. Doch zunehmend setzen aktivistische Investoren Unternehmen unter Druck, sammeln aggressive Firmenkäufer unterbewertete Firmen wie Schnäppchen, zerlegen sie und zerstören so jahrelang aufgebaute Werte.

Die ausufernden Regularien für kotierte Firmen rauben Managern viel Zeit und engen ihre Spielräume ein. Ein zu «starres Korsett» für Publikumsgesellschaften, kritisiert Strategie- und Vergütungsberater Hostettler. «Die Realität lässt sich nicht in Formeln pressen.» Familienfirmen könnten flexibler auf neue Situationen reagieren.

Schindler hält sich für den Notfall gar offen, seine Firma von der Börse zu nehmen. Das wäre auch Swatch-Konzernchef Nick Hayek lieb, wie er häufig sagt. Allein die hohen Kosten und die schwieriger werdende Finanzierung erschweren diesen Schritt.

Gewinn ist das Resultat, nicht das Ziel

Daher nutzt Schindler seine Stärke als Eigentümer, um sich gegen Investoren durchzusetzen. Nicht das Geld sporne Unternehmerfamilien an, sondern die erfolgreiche Umsetzung einer Strategie, zum Teil über Generationen, sagt er. «Gewinn ist eine Resultante – wenn man Glück hat. Aber kein Ziel allein. Unabhängigkeit kommt vor Ertrag, und Ertrag kommt vor Wachstum», betont er. Darin sieht der Patron einen wichtigen Vorteil der Familienfirmen. «Und diese Devise wird auch künftig so bleiben.»

Tatsächlich? Sicher kann sich Schindler nicht sein, dass die Nachkommen der Familie dem Finanzmarkt die Stirn bieten werden. Noch kristallisiert sich kein neuer Anführer der nächsten Generation heraus, aus der einzig Carole Vischer im Verwaltungsrat sitzt.

Personifizierung als Versprechen

Gerade die Führungsfiguren der Familien machen den Unterschied. «In der Personifizierung liegt eine grosse Kraft», sagt Klaus-Michael Kühne. Er führte jahrelang das von seinem Vater geerbte Logistikunternehmen Kühne + Nagel. Das Unternehmen werde stark mit ihm identifiziert. Dahinter stehe ein Versprechen: «Jeder weiss, dass ich alles dafür tue, um den Erfolg des Unternehmens sicherzustellen.»

Obwohl er längst auch das Präsidentenamt abgegeben hat, zieht Kühne als Verwaltungsrat die Strippen. «Ich bin sehr informationshungrig. Natürlich rede ich auch stark mit, Verwaltungsräte und Geschäftsleitung wurden von mir ausgewählt. Aber operativ halte ich mich mit wenigen Ausnahmen zurück», sagt der 78-Jährige.

Kräfte eines Anführers

Solche Ausnahmen sind ein Gewinn für die Firma aus Schindellegi. Etwa einst auf dem Flughafen Zürich in einer kleinen Privatmaschine. Darin quälten sich, zehn Jahre ist es her, die Topmanager von Kühne + Nagel durch zähe Verhandlungen mit dem Chef des US-Finanzinvestors Platinum Equity, Tom Gores.

Sie wollten dessen Kontraktlogistiker ACR kaufen und Kühne + Nagel so in die Top Five dieser Sparte bringen. Beide Unternehmen ergänzten sich perfekt. Doch Gores bestand auf einem sehr hohen Preis. Es half nichts. Kühnes Manager erklärten die Gespräche für gescheitert. Alle stiegen aus. Auch Klaus-Michael Kühne, der als Präsident teilgenommen, sich aber im Hintergrund gehalten hatte. Unten an der Flugzeugtreppe nahm ihn Gores zur Seite. Sie möchten doch kurz allein sprechen, bat er Kühne. Eine Viertelstunde später stand der Deal.

Alleine schnell handeln können

«Eine Persönlichkeit im Unternehmen, die als Eigentümer schnell Entscheidungen treffen kann, ist sehr wertvoll», sagt Kühne. Dafür braucht es nicht einmal eine generationenalte Firmenhistorie. «Jemand wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg bestimmt den Weg seines Unternehmens selbst, als Grossaktionär und zugleich CEO muss er keine Reibungsverluste in Kauf nehmen», sagt Intes-Geschäftsführer Dominik von Au.

Angestellte Manager hingegen müssten sich vor jedem Richtungswechsel in allen wichtigen Gremien rückversichern, pflichtet Kühne bei. Er habe an jenem Tag im Flugzeug flexibel ein paar kreative Angebote machen können. Gores wusste, dass Kühnes Wort Gewicht hat. Das hat ihn überzeugt.

Nachfolge als Knackpunkt

Die Abhängigkeit von Eigentümern kann Familienfirmen allerdings auch schwer schaden – wenn diese schwach sind. Dann werden Unternehmen durch Nachkommen der Gründer ausgelaugt oder dadurch, dass diese den Absprung nicht schaffen. Die Familie von Finck liefert sich seit zwölf Jahren einen Erbstreit. Ihre Restaurant- und Hotelgruppe Mövenpick leidet darunter, denn es fehlen starke Kräfte für das Unternehmen. Das Ergebnis dümpelt dahin, zuletzt sank der Gewinn.

Die Erben des Baustoffkonzerns Sika haben sich derart vom Unternehmen entfremdet, dass sie ihre Anteile sogar gegen den Willen von Management und Verwaltungsrat mit dem Verkauf an Saint-Gobain vergolden wollen und den Erfolg der Firma bedrohen. AFG-Gründer Edgar Oehler verzögerte eine Nachfolgelösung, überfrachtete die Firma mit neuen Geschäftsfeldern, bis die finanzierenden Banken ihn zum Abgang drängten. Nun macht Michael Pieper als Grossaktionär einen Neuanfang.

Der Übergang zur nächsten Generation wird in Familienfirmen jedes Mal zur Sollbruchstelle – und er trifft bald viele Unternehmen: Drei Viertel der Unternehmer planen in den nächsten fünf Jahren ihren Rückzug aus der Geschäftsführung, ermittelten Intes und PwC. Weitere übergeben ihre Aufgaben in Aufsichtsgremien oder als Teilhaber. Alfred Schindler hat seine Nachfolge lieber früh festgelegt. Seine Firma soll nicht enden wie Sika.

Eine Frage des Erbes

Klaus-Michael Kühne muss den Familienstreit nicht fürchten. Er hat keine Kinder. Er wird die Anteile an Kühne + Nagel seiner Stiftung übertragen, wie immer mehr Unternehmer. So spendet Mark Zuckerberg 99 Prozent seiner Facebook-Anteile und bringt sie dafür in eine Stiftung ein. Ob Kühne oder Zuckerberg: Über Stiftungskonstrukte lassen sich Unternehmer-Gene nicht vererben.

Da Kühne sein Unternehmen als einfacher Verwaltungsrat nicht mehr selbst dirigieren kann, schaut er genau auf seine Nachfolger. «Unternehmer sorgen für Kontinuität. Die Frage stellt sich jedoch, wie diese fortgesetzt werden kann», sagt er. Hin und wieder denke er schon, er würde die Weichen anders stellen. «Manchmal schmerzt es», sagt Kühne. «Aber ich muss loslassen, ich kann nicht ewig das Kommando führen. Es muss bald ohne mich funktionieren.»

Risikobereitschaft nimmt zu

Leicht wird das nicht. Ohne starken Eigentümer nehmen Manager eher Risiken in Kauf, das zeigt sich bei reinen Publikumsgesellschaften – das konnte Kühne sogar in seiner Firma beobachten. Ende November präsentierte das Management von Kühne + Nagel im Verwaltungsrat eine neue Idee: den Start eines weiteren Geschäftsbereichs. Dabei hilft Familienfirmen, dass sie sich meist aufs Kerngeschäft fokussieren, während kotierte Konzerne oft für einen höheren Marktwert in mehrere Sparten investieren und sich so eher verzetteln.

«Die Idee passt nicht zum bisherigen Fokus des Unternehmens, das ist ein völlig anderes Feld», kritisierte Kühne. Die Manager mussten ihre Argumente überarbeiten. Als Kompromiss blieb ein Pilotprojekt. «Ich fühle mich mit der Idee noch immer nicht wohl», sagt Kühne. Aber so gehe es nun in kleinen Schritten in die neue Richtung, und der Prozess sei schneller stoppbar.

Ende der Mauschelei

Trotz der Kritik an der Börse: Familienfirmen schauen sich doch manches von reinen Publikumsgesellschaften ab. Sie arbeiten mit modernen Strukturen für Corporate Governance und Transparenz, stoppen Mauscheleien, wählen ihre Führung professioneller aus.

«Früher wurde meist einem Familienmitglied die Führung übertragen, heute wird das Top-Personal nach modernen Kriterien ausgewählt – und jeder aus der Familie muss sich diesen ebenso stellen wie externe Kräfte», sagt PwC-Berater Kühnis. «Das macht Familienfirmen stärker als je zuvor. Sie eliminieren den Schwachpunkt, unfähige Kräfte an die Firmenspitze zu stellen, bloss weil sie aus der Familie stammen.»

Attraktive Arbeitgeber

Längst gewinnen Familienfirmen durch diesen Rückhalt leichter Topmanager. «Früher waren Banken und Beratungen sexy, heute streben Manager zu Familienfirmen», sagt Headhunter Bjørn Johansson. Bei Firmen mit familiärem Aktionär blieben die Manager länger und könnten ihre Strategien so stetiger umsetzen. Wechseln die Chefs von Unternehmen ohne Ankeraktionär im Schnitt alle drei bis vier Jahre, bleiben sie in Familienfirmen mindestens doppelt so lange.

Philip Mosimann ist solch ein Fall. Er führt Bucher Industries seit fünfzehn Jahren. Rudolf Hauser, Oberhaupt der Eigentümerfamilie des Maschinenbaukonzerns, übertrug dem starallürenfreien Manager die Führung und demonstrierte gleichzeitig, wie ein sauberer Generationenwechsel funktioniert: Hauser sicherte die Firma in den Händen der Familie. Sie hält ihren Anteil von rund 35 Prozent über einen Aktionärspool mit einem strikten Aktionärsbindungsvertrag, der etwa eine einheitliche Stimmabgabe regelt. Jetzt dirigiert die siebte Generation das Unternehmen mit – als Aufseher.

Im Verwaltungsrat aktiv

Anita Hauser, Tochter des Patrons, ist froh über den Wandel. «Ich hatte immer das natürliche Gefühl, mich für das Unternehmen engagieren zu wollen», sagt die 46-Jährige. Dass sie nie selbst operativ bei Bucher tätig werden musste, hat ihr den Weg zur Firma erleichtert. «Wir wurden angehalten, unsere eigenen Karrieren zu machen, wobei mein Fokus auf Marketing und Vertrieb lag.» Dieses Können bringt sie nun ein, sitzt mit Cousin Michael Hauser im Verwaltungsrat.

Rudolf Hauser impfte der Familie ein, wie wichtig gute Corporate Governance ist. Von sich aus führte er die Einheitsaktie ein. «Familienfirmen sind bei der internen Governance professioneller geworden», stellt KPMG-Berater Kneip fest, «und performen nicht zuletzt auch dadurch besser.» Über die Jahre stieg etwa Buchers Kurs stetig, es gelangen hohe Gewinnmargen. Obwohl die Krise auch Bucher trifft, halten Analysten die Firma langfristig für besonders stark.

Tradition – in Asien ein Trumpf

«Wir haben das Beste aus zwei Welten», sagt Mosimann. «Die Eigentümerfamilie ermöglicht eine langfristige Orientierung, die Börse zwingt zu Effizienz und Transparenz.» Die nötige detailgetreue Information über die Ergebnisse schaffe für Eigentümer, Mitarbeiter und Kunden Klarheit, wo Bucher stehe, Geld verdiene oder verliere. So erkennt die Familie Probleme in der Firma frühzeitig, obwohl sie nicht operativ involviert ist. Rudolf Hausers Credo wirkt. «Wir geben mit unserer Präsenz dem Management Grundvertrauen und einen langfristigen Fokus», sagt Anita Hauser.

Das zahlt sich etwa in den wachstumsstarken Regionen Asiens aus. «Wenn ich in China oder Indien sage, ich komme von einer 210 Jahre alten Firma, sollten sie die Gesichter dort einmal sehen», sagt Mosimann stolz. «Das ist ein Leistungsausweis par excellence.» Kaum etwas demonstriert konstante Firmenwerte besser.

Werte überdauern

Solch eine Firmenkultur versuchen Unternehmer für Generationen festzuschreiben. «Ohne mich verliert Kühne + Nagel den Charakter eines Familienunternehmens. Aber nicht unbedingt seine Werte», hofft Klaus-Michael Kühne. Sie überdauerten oft Generationen, beobachtet Portfoliomanagerin Olsen. «Durch die persönliche Nähe des Eigentümers werden Unternehmerwerte zu Unternehmenswerten.»

Michael Pieper lebt sie seinen Kindern vor. «Dienen kommt vor verdienen», sagt er. Kurz bevor die Franke-Mannschaft zum Jahresstart zusammenkam, schaute sich Pieper den Haupteingang genau an. «Der erste Eindruck ist wichtig», findet er. Selbst die Aschenbecher inspizierte er. Und er war zufrieden. Alles sauber und startklar für ein neues Jahr.