Für den Ferienfluganbieter Germania soll sich in dieser Woche entscheiden, wie es mit der wirtschaftlich angeschlagenen Airline-Gruppe weitergeht. Obwohl der Berliner Konzern sowohl 2017 als auch 2018 mehrere Flugzeuge verkaufte und daraus zweistellige Millionenerlöse kassierte, wird für das soeben abgelaufene Geschäftsjahr 2018 mit bis zu 30 Millionen Euro Verlust gerechnet. Dies geht nach WELT-Recherche aus soeben im Bundesanzeiger veröffentlichten Zahlen der Dachgesellschaft Germania Beteiligungsgesellschaft hervor.
Jüngst hatte die Airline ein Alarmsignal mit dem Hinweis auf einen kurzfristigen Liquiditätsbedarf gesendet. Es würden mehrere Optionen einer Finanzierung geprüft, hiess es. Nachdem kurz darauf angeblich erste Gelder aus bislang nicht identifizierter Quelle flossen, wurde über Gespräche «mit weiteren aussichtsreichen Partnern» berichtet.
Germania zeigt sich optimistisch
Germania zeigte sich optimistisch, in der soeben angelaufenen Woche «zu einem abschliessenden positiven Ergebnis zu kommen.» Nun wartet die Branche gespannt auf die nächsten Nachrichten.
Der seit 2014 an der Spitze stehende Airline-Chef Karsten Balke versucht aktuell die Wogen zu glätten. In einem Interview mit den «Westfälischen Nachrichten» spricht er von einem kurzfristigen Liquiditätsbedarf von 15 Millionen Euro «im Wesentlichen aus erhöhten Sicherungsanforderungen unserer Vertragspartner aufgrund des schlechten Jahresergebnisses 2018». Das beeinträchtige aber in keiner Weise den Flugbetrieb. Über die Hälfte der erforderlichen Finanzmittel sei bereits eingesammelt.
Tatsächlich hatte Germania von einer Fortsetzung aller Flüge berichtet. «Da wir unseren Flugbetrieb natürlich uneingeschränkt weiter durchführen, vertrauen uns auch unsere Fluggäste und buchen weiterhin Germania», erklärte Airline-Chef Balke. Ein Verkauf der Airline sei aktuell nicht geplant.
Erfolg mit wenig genutzten Routen
Die gut drei Jahrzehnte alte Airline- und Touristik-Gruppe mit etwa 1400 Beschäftigten (2017) befördert jährlich über vier Millionen Passagiere auf der Kurz- und Mittelstrecke. Mit einer Flotte aus 37 Flugzeugen werden meist Flughäfen abseits der grossen Airports angeflogen. Die Airline hat mit der Germania Flug eine Tochtergesellschaft in der Schweiz und fliegt von Zürich aus mehrere Feriendestinationen an.
Germania spricht von über 60 Zielen in Europa, Nordafrika sowie im Nahen und Mittleren Osten. Das Geschäftsmodell beruht neben Ferienrouten auch auf Strecken, die gewöhnlich nicht so häufig von grossen Airlines angeflogen werden. Hier sieht Germania eine Lücke im Angebot.
Nach der Air-Berlin-Insolvenz vor gut einem Jahr weitete auch Germania ihr Flugnetz im vergangenen Sommer deutlich aus. An Flughäfen wie Berlin-Tegel, Nürnberg und Berlin-Schönefeld wurden die Flugverbindungen gesteigert. Gleichzeitig stiegen aber auch die Treibstoffkosten.
Eine Schicksalbestellung
Ausserdem hat Germania mit Airbus einen Vertrag geschlossen, der angesichts der Dimensionen aktuell zu einer Schicksalsbestellung werden könnte: 2016 wurden 25 neue Airbus A320 Neo mit besonderen Spartriebwerken geordert. Laut Listenpreis würden sie 2,6 Milliarden Dollar kosten. Auch wenn es vermutlich hohe Rabatte gibt: Das ist immer noch ein immenser Betrag für eine eher kleine Airline.
Der Mammutauftrag dient dazu, die bislang gemischte Boeing-Airbus-Flotte ganz auf Airbus umzustellen. Daran hat der europäische Flugzeughersteller ein Interesse. Germania sieht zudem Kostenvorteile in einer einheitlichen Flotte.
Die jetzt veröffentlichten Konzernzahlen zeigen jedoch, dass eine Airline trotz deutlich steigender Umsätze keineswegs Gewinn erzielen muss. So stieg 2017 zwar der Umsatz in der Gruppe um 23 Prozent auf 456 Millionen Euro und der Verlust verringerte sich von 32 auf 8,3 Millionen Euro. Darin stecken aber fast 22 Millionen Euro Sondererlöse durch den Verkauf von fünf Boeing-Modellen.
Es fehlen Einnahmen
Für 2018 das gleiche Bild: Ein weiter starkes Umsatzplus durch den Ausbau der Kapazitäten und wieder Sondereinnahmen durch den Verkauf von Tafelsilber zur Flottenerneuerung. So wurden im ersten Halbjahr 2018 weitere vier ältere Boeing-737-Modelle und im Herbst 2018 dann sogar zwei relativ neuen Airbus A321 (Baujahr 2013/14) verkauft.
Doch selbst das nutzte nichts, um aus den roten Zahlen zu kommen – im Gegenteil. So geht der Konzern für das soeben abgelaufene Geschäftsjahr 2018 zwar von 35 Prozent mehr Umsatz aus. Trotzdem steigt der Verlust. Die Geschäftsführung prognostiziert «ein negatives Konzernjahresergebnis im Bereich von minus 20 bis minus 30 Millionen Euro».
Germania hält an Bestellung fest
Die Fluggesellschaft ist trotz der Verlustprognose um ein differenziertes Bild bemüht. Die Zahlen beträfen die Holding und nicht die reine Fluggesellschaft, heisst es auf Anfrage. Ein Verkauf der Riesenbestellung von 25 A320 Neo sei jedenfalls kein Thema. Laut Bundesanzeiger wurden hierauf bereits Anzahlungen geleistet. Branchenexperten verweisen darauf, dass es somit auch wertvolle konkrete Liefertermine für das begehrte Modell geben dürfte.
Germania sieht sogar gewisse Vorteile, wenn die nagelneuen Flugzeuge nunmehr erst 2021 geliefert werden. Die Fluggesellschaft Germania sei jedenfalls durch «das Anleasen von Flugzeugen», die ursprünglich nur als Überbrückung gedacht waren, bis 2020 bereits bestens aufgestellt. «Kämen die neuen Flugzeuge nun auch noch hinzu, hätten wir kurzzeitig eine grössere Flotte als benötigt und müssten übergangsweise mit einer erhöhten Kapazität planen.»
Vorteilhaft sei auch eine grösseren Palette an Ausstattungsoptionen bei Airbus und dem Triebwerkelieferanten Pratt & Whitney, wenn sich die Lieferung der neuen Modelle verzögert. Erst ab 2021 nämlich seien einheitliche XL-Gepäckfächer für die Kabine für die 25 neuen Airbus möglich.
Dieser Artikel erschien zuerst bei der «Welt» unter dem Titel: «Der Pakt mit Airbus wird für Germania zum Problem».