Die Zeitungsdruckmaschinen der 1904 gegründeten Fabrik Wifag sind legendär. Auf die Langlebigkeit weisen Götz Stein und sein künftiger Nachfolger, Peter Boeglin, mit der Anlage hin, auf der ab 1921 mehr als 40 Jahre lang das «Journal de Genève» gedruckt wurde. Die Zeitung gibt es schon einige Zeit nicht mehr ein Teil der Anlage jedoch lebt noch. Sie wurde zum Jubiläum wieder in Stand gestellt und empfängt die Eintretenden am Firmensitz in Bern. Auch der wurde schon 1911 im klassisch-behäbigen Berner Stil gebaut, dort, wo noch heute alle Zeitungsrotationen der Wifag hergestellt werden.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Zur langfristigen Ausrichtung gehört nach Meinung der Besitzerin Ursula Wirz und CEO Götz Stein die Unabhängigkeit. Deshalb wird in naher Zukunft die Aktienmehrheit der Wifag in eine Stiftung eingebracht. Wirz bleibe aber Präsidentin und Stein wird nach seinem Rücktritt Delegierter des Verwaltungsrates für Forschung und Entwicklung.

Meilensteine im Druck

«Wir wollen auch in Zukunft die Meilensteine setzen, an denen sich der Druckmaschinenbau orientiert», sagt Stein. 1957 als Monteur in die Firma eingetreten, hat er eine ganze Reihe bahnbrechender Entwicklungen mitgetragen. 1967 wurde an der Drupa, dem regelmässigen Mekka der Branche in Düsseldorf, von Wifag die OF5, die erste Zeitungs-Offsetrotation, vorgestellt. Erst fast belächelt, liess der Offsetdruck schnell den klassischen Hochdruck aus der Zeitungsbranche verschwinden.

Schneller, als sich die Entwickler bei Wifag gedacht hatten, setzte sich die 1994 an der IFRA Expo in München vorgestellte «wellenlose» Rotation durch: Statt mit Längs- und Querwellen die einzelnen Druckstellen zu synchronisieren, stimmt Elektronik die einzelnen Drehstrommotoren ab, welche je einen Druckzylinder antreiben. Frequenzsteuerung statt Mechanik bedeutet präziseren Druck, konstante Spannung der Papierbahn, mehr Tempo und dank des erst durch die Technik möglichen «fliegenden Plattenwechsels» viel mehr Flexibilität. Dies erlaubt den Verlagen eine grössere Vielfalt in der Produktion, mit der sie auf den Wandel im Zeitungsmarkt reagieren können. Ohne die Rotation zu stoppen, lassen sich unterschiedliche Umfänge, Regionalausgaben oder Aktualisierungen drucken.

Neues Zeitalter

Um die Entwicklungen der Zeitungsbranche im angebrochenen «digitalen Zeitalter» zu ermöglichen, bereitet Wifag jetzt mit der Maschinengeneration «evolution» den Schritt in den durchgängig digitalen Workflow vor. «Mit der Digitalisierung sind die Zäune zwischen den einzelnen Prozessschritten eingebrochen. Weshalb soll der Workflow in der Druckvorstufe enden?», fragt Stein. Würden die digitalen Druckbilddaten gleich als Sollwerte in die Steuerung der Rotation eingespeist, liessen sich Farbregister, Schnittlage und Farbdichte dank Sensoren und anderen Messeeinrichtungen sofort und mit viel weniger Makulatur regeln und eine konstante Qualität garantieren.

Noch drastischer verkürzen sich Einstell- und Umrüstzeiten, wenn die Druckplatten gleich auf dem Druckzylinder belichtet würden (computer to press). Diesen Schritt ermöglicht die neue «Wifag evolution». «Ziel ist die Direktbebilderung der wiederbeschreibbaren Druckplatte direkt in der Maschine», erklärt Stein. Im hektischen Zeitungsalltag würde so die Zeit zwischen Redaktionsschluss und Andruck weiter verkürzt. Neben Wifag, die in engem Kontakt mit einer schweizerischen technischen Hochschule steht, arbeiten aber auch andere daran. Noch lässt Stein offen, wann der Durchbruch erfolgt. Diese Digitalisierung der Zeitungsbranche lässt die Druckmaschinen beinahe zu Vervielfältigungsautomaten werden. Dennoch befürchtet in Bern niemand ein Ende des Papierdrucks.

Um technisch an der Spitze mitzuhalten, wendet Wifag jährlich im Schnitt rund 8% des Umsatzes für Entwicklung auf. Ein Dreierteam Reinhold Güth, Kurt Recher, Matthias Riepenhoff zeichnet verantwortlich. «Eine Sonderabteilung für Entwicklung gibt es aber nicht», sagt Stein. Die Leute seien in die verschiedenen Bereiche integriert, nicht zuletzt, um die Marktnähe sicherzustellen.

Innovation bei der «NZZ»

Neue Ideen sind eines, sie am Markt umzusetzen oft etwas anderes. So arbeitet der Berner Druckmaschinenbauer zurzeit intensiv auf den Produktionsstart der ersten «evolution»-Maschinen am Markt hin. In Zürich wird die «Neue Zürcher Zeitung» dieser Tage in ihrem Neubau zwei «Wifag evolution 471» mit der genannten bilddatenbasierten Regelung in Betrieb nehmen. Der Schritt einer der ältesten Tageszeitungen Europas zur Investition in die modernste Zeitungsdruckmaschine der Welt ist zugleich ein Pilotprojekt: Ein Druckturm ist bereits für die einseitig vierfarbige Direktbebilderung eingerichtet und enthält Regler für die bilddatenbasierte Farbdichtregelung. Die restlichen Türme sind mit bilddatenbasierter Farbregister- und Schnittlagerregelung ausgerüstet und können nachgerüstet werden.

Mehr als 30 Jahre in Betrieb

Evolutionäre Erneuerung gehört beim 100-jährigen Familienbetrieb zum System. Wie beim Baukasten können die Anlagen immer wieder mit den neusten Entwicklungen nachgerüstet werden. «Kriselt die Zeitungsbranche, sinkt nicht nur die Investitionsbereitschaft dramatisch, sondern auch die Risikobereitschaft», weiss Stein aus Erfahrung. So musste im jüngsten Branchentief die Wifag einige Stellen abbauen. Zudem ist der Kauf einer millionenteuren Zeitungsrotation ein Entscheid auf 15 und mehr Jahre. Danach werden die Anlagen verkauft, heute zumeist nach Osteuropa, und laufen dann laut Stein «mindestens noch einmal so lange». Weltweit, von Argentinien bis China, produzieren heute Wifag-Anlagen täglich rund um die Uhr Millionen von Zeitungen.

Name: Maschinenfabrik Wifag, Wylerringstrasse 39, Postfach 8865 in 3001 Bern

Gründung: 1904

Hauptaktionärin: Ursula Wirz

Geschäftsleitung: Götz Stein

Umsatz: 320 Mio Fr.

Beschäftigte: 1400, davon 750 in den Werken Bern und Bösingen, 500 in Freiburg, übrige weltweit

Produkte: Zeitungsdruckmaschinen

Tochterfirmen: Polytype SA, Freiburg, Polytype America Corp., Mahwah, NJ (USA) Wifag, Mijdrecht (NL)

Internet: www.wifag.ch