Als Joe Steiner vor zwölf Jahren zum ersten Mal auf dem Snowboard stand, endete das mit zerrissenen Bändern am Fussgelenk. Doch so schnell wirft ein begeisterter Wintersportler das Board nicht in den Schnee. Heute flitzt Joe Steiner wieder über die Piste, «mit bis zu 80 Stundenkilometern ohne Angst». Die temporeichen Abfahrten macht das von ihm entwickelte Airboard möglich. Bald, davon ist er überzeugt, werden Tausende mit dem aufblasbaren Kunststoffteil für rund 400 Fr. verschneite Hänge hinunterfahren.

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Die ersten Versuche mit dem Sportgerät handelten dem Airboard-Erfinder viel maliziöses Lachen ein. Als er auf dem Zugerberg mit einem knallorangenen PVC-Schlitten antrabte, zum Aktionspreis für 50 Fr. erstanden, hielten die Kollegen mit Häme nicht zurück. Das Gelächter seiner Bekannten wurde noch lauter, als der fahrbare Plastikuntersatz schon bei der zweiten Abfahrt platzte.

Mit Tüfteleien den idealen Kunststoff gefunden

Steiner liess sich nicht beirren. «So ein weicher Körper, der die Widerstände auf der Piste abfedert, so ein gutes Drehverhalten», schwärmt er noch heute von seiner ersten Fahrt mit dem PVC-Schlitten. Er stopfte die Löcher des Luftkissens, bis der Flickenteppich ganz aus dem Leim gegangen war. «PVC verträgt die Kälte nicht. Minustemperaturen machen das Material spröde.» Also wollte Steiner einen wintertauglichen Plastikuntersatz kreieren. Er suchte nach kälteresistenten Werkstoffen, experimentierte mit kunststoffbeschichtetem Nylon, und dann raunte ihm ein Bekannter das Zauberwort zu: Polyurethan. Das war der Stoff, aus dem die Schlittenträume von Steiner beschaffen waren. Der neu entwickelte thermoplastische Kunststoff ist aber teuer. Steiners Lösung: Nylongewebe beschichtet mit Polyurethan. Hierfür musste er noch ein Beschichtungsverfahren entwickeln und zudem die ideale Form für den temporeichen Hightech-Schlitten erpröbeln. Steiner blättert durch einen Aktenordner voll mit Prototypen-Zeichnungen, zeigt Versuchsmodell um Versuchsmodell.

Dann legt er seine Erfinderchronik zur Seite und holt aus dem Regal den kleinen zusammenfaltbaren Schlitten im Rucksack. Triumphierend sagt er: «Wer hat sich nicht schon immer gewünscht, den Schlitten nicht bergauf ziehen zu müssen.» Er stapft gerne mit den Schneeschuhen auf einen Gipfel und düst dann mit dem Airboard elegant zu Tal. Denn Tiefschneeabfahrten seien genauso wenig ein Problem wie hartgewalzte Pisten.

Steiner zeigt das Rippenprofil auf der Unterseite des Airboards. «Das erlaubt in beinahe allen Lagen eine kontrollierte Steuerung», erklärt er. Um die Sache plastisch vorstellbar zu machen, legt er sich mit dem Bauch aufs Board, bewegt seinen Körper nach links und rechts. «Nur mit Gewichtsverlagerung lenkt man das Airboard.» Um das zu erlernen, seien keine Ski- oder Snowboard-Kurse nötig. «Bereits nach zehn Minuten kann man absolut ästhetisch in schönen Schwüngen talwärts fahren», sagt Steiner.

Obwohl man auf dem Bauch mit dem Kopf voraus den Hang in Bodennähe hinunterdüst, geht Steiner davon aus, dass nicht nur risikoreiche Freerider, sondern auch zurückhaltende Familienväter sich mit dem neuen Sportgerät anfreunden werden. Ist aber der Ritt auf dem Hightech-Kissen Helmpflicht ist quasi obligatorisch nicht auch eine Hochrisiko-Sportart? Die Verletzungsgefahr sei bei den luftgepolsterten Schlitten weit geringer als beim konventionellen Schlitten, winkt Steiner ab: «Beim Aufprall wirkt das Airboard wie ein Airbag.»

Mit Enthusiasmus Zuger Geschäftsleute überzeugt

Steiner hat nicht nur ein Jahrzehnt gepröbelt, sondern sich den Mund fusselig geredet, um die Menschen von seiner Innovation zu überzeugen. Denn nachdem Zehntausende von Fr. und Hunderte von Arbeitsstunden in den Hightech-Schlitten gesteckt waren, suchte er den kommerziellen Erfolg. 2000 patentierte er sein Verfahren und startete dann eine Tour durch die Branche von Ski- und Snowboard-Herstellern. Er klopfte bei Burten, Head, Salomon, Völkl und Mammut an. Vergebens.

Trotz der Absagen gab er nicht auf. Mit seinem Enthusiasmus hat er schliesslich einige Zuger Geschäftsleute überzeugt. Ein Grafikatelier, ein Treuhand- und ein Informatikbüro sind zur Aktiengesellschaft Fun Care AG gestossen und verzichten bis zum Take-Off auf Honorar. Steiner selbst hängte vor drei Jahren seinen gutbezahlten Job als Qualitätsfachmann an den Nagel und organisiert nun auf nationaler und internationaler Ebene den Vertrieb. Seine Erfahrung im Qualitätsmanagement kommen ihm jetzt bei der weit ausgelagerten Produktion in der Volksrepublik China zugute.

Wie viel Airboards hat Steiner dieses Jahr in Fernost geordert? Da will sich der Jungunternehmer und Tüftler nicht in die Karten schauen lassen. Aber eines verrät er: Aktuell hat sich in der dritten Verkaufssaison wie schon im Jahr zuvor die Stückzahl verdreifacht. Steiner dürfte dieses Jahr wohl an die 12000 Airboards absetzen.

Auszeichnung in den USA

Mittlerweile haben auch die Schweizer Bergbahn-Barone den Trend erkannt, und viele lockerten ihr stures Verbot für Airboards. Schon mehr als zehn Seilbahnunternehmen gaben grünes Licht für die Luftschlittler. Kommt hinzu: Eine beharrliche Fangemeinde macht das Produkt weltweit bekannt, und dieses Jahr, so Steiners Kalkulation, werden erstmals mehr Airboards im Ausland als in der Schweiz abgesetzt. Auch im grössten Wintersportmarkt der Welt, in den USA, sind die Trendmelder auf Alarm gestellt. Das Hightech-Sportgerät wurde in New York mit dem «Bown»-Award ausgezeichnet «Bown» steht für «Best of what's new» und ist nach Meinung Steiners die Visitenkarte, um den US-Markt in dieser Saison zu erobern.

Trotz der Erfolgsmeldungen macht eines Steiner noch Sorgen. «Einer der Grossen erkennt den Trend und steigt mit einem ähnlichen Produkt ein.» Wenn die gut geölte Marketing-Maschine eines Konzerns erst einmal ins Rotieren käme, würde dies das kleine Startup in Zug recht in Bedrängnis bringen.