Ein Schöngeist, der gerne aus den Werken griechischer Philosophen zitiert. Ein brillanter Analytiker, der als Hobby «Nachdenken» angibt. Ein weltläufiger Manager, der blitzschnell zur Sache kommt: Leonhard Fischer ist zufrieden mit dem Bild, das er da von sich inszeniert hat und das sich – trotz den Irrungen und Wirrungen der letzten Jahre – auch im öffentlichen Bewusstsein festgesetzt zu haben scheint.
Sie umwabert ihn noch immer, die Aura des amerikanisch geprägten Powerbankers, der als jüngster Manager aller Zeiten in den Vorstand einer deutschen Grossbank aufrückte. Einer, der Werte wie Ehrlichkeit und Verantwortung predigt, aber mit sicherem Killerinstinkt seine Ziele durchsetzt. Jetzt lehnt er sich lässig zurück, zieht kurz an seiner Marlboro light und räsoniert mit der ihm eigenen Eloquenz darüber, was da alles passiert ist in den vergangenen zehn Monaten, seit er den Spitzenjob bei der lädierten Winterthur-Versicherungsgruppe angetreten hat. Er redet von Restructuring und Due Diligence, von Cost-Cutting und Turnaround. Vokabeln, mit denen seine Managergeneration so virtuos zu jonglieren versteht. «Ich würde die ‹Winterthur› heute als saniert betrachten», kommt es ihm locker über die Lippen. Irgendwie klingt er klinisch.
Die dunklen Teakholzwände, das gediegene Parkett im Hauptquartier an der General-Guisan-Strasse in Winterthur: Dies alles steht in merkwürdigem Gegensatz zu der noch immer jugendlich wirkenden Weltläufigkeit, die der inzwischen auch schon Vierzigjährige ausstrahlt. Die Einrichtung seines Büros ist spartanisch, aufs Notwendigste beschränkt. Man fragt sich, ob sich hier jemand wirklich auf Dauer eingerichtet hat. Nur auf den Fluren stehen noch jene Kunstobjekte, mit denen der frühere Anlagechef Erwin Heri ein wenig Glanz in die einstige Industriemetropole holen wollte.
Fischer sagt plötzlich Sätze wie: «Der Versicherungsmarkt ist – entgegen dem grossen Globalisierungstrend der Achtziger- und Neunzigerjahre – im Grunde sehr lokal geblieben.» Glaubt er so etwas wirklich? Auf dem Boden liegen verstreut einige Bücher und Dokumente, auf dem Arbeitstisch steht eine Flasche Valser ohne Kohlensäure. Damals, in Frankfurt, als Fischer noch rauschende Partys schmiss und die Highsociety von Mainhattan sich um Einladungen riss, hat er immer vom Feinsten ausgeschenkt, Mouton-Rothschild, Jahrgang 1982. Tempi passati. Fischer philosophiert über den heissen Schweizer Sommer und wie das Wetter ähnlich war, damals, als er noch an der University of Georgia studierte. Seine blauen Augen fixieren die Besucher, so, als wolle er schon im Voraus die Reaktion auf seine Ausführungen erspüren. Irgendwann kommt er wieder aufs eigentliche Thema zurück: «Ich bin hier, um dem Schiff einen neuen Kurs zu geben», sagt Leonhard Fischer, den seine Freunde nur «Lenny» nennen.
Dass Fischer heute auf der Brücke der «Winterthur» steht und darüber hinaus auch in die Geschäftsleitung der Credit Suisse Group einzog, ist beileibe keine Selbstverständlichkeit. Die Karriere des einst als «Wunderkind» apostrophierten Ausnahmetalents stand im letzten Herbst durchaus auf der Kippe. Fischer passe nicht mehr in die heutige Zeit, lästerten die deutschen Medien nach seinem abrupten Abgang aus der Führungsriege der deutschen Versicherungsgruppe Allianz. Wie kein anderer deutscher Banker verkörperte Fischer laut dem Nachrichtenmagazin «Spiegel» das Investment-Banking angloamerikanischen Stils, jene «Glitzerbranche der späten Neunzigerjahre, die in den Zeiten des Börsen-Hypes Milliarden machte». Eine Etikettierung, die Fischer heute weit von sich weist: «Wenn ich wirklich den Glamour gesucht hätte, wäre ich doch nicht in Frankfurt geblieben», sagt er und lächelt.
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Fischer gehörte zeitlebens zu den Schnellsten: Wirtschaftsstudium, der erste Job bei JP Morgan, mit 29 bereits Chef des Frankfurter Büros der US-Investment-Bank. 1995 Wechsel zur Dresdner Bank, wo er 1998 – gerade 35-jährig – das jüngste Mitglied in der Führungsetage einer deutschen Grossbank wurde. «Dem Vorstand ist mein Alter wohl wegen meines schütteren Haares nicht aufgefallen», scherzte er damals. Zwei Jahre später übernahm der Jungstar die Verantwortung für das Investment-Banking des Instituts. Fortan ging es mit dem Geschäft bergab, weltweit – und vor allem bei der Dresdner Bank. Nach der geplatzten Fusion mit der Deutschen Bank konnte das Institut seine verwöhnten Investment-Banker nur mit horrenden Garantie-Boni zum Bleiben bewegen. Neun Monate später akquirierte Fischer das US-Finanzhaus Wasserstein Perella für eine Milliarde Dollar. Ein viel zu hoher Preis, wie sich schnell herausstellte. Dennoch galt Fischer auch nach der Übernahme der Dresdner Bank durch die Allianz im Frühjahr 2001 als Mann mit Zukunft. Doch seine Entzauberung stand unmittelbar bevor. Die «Dresdner» schrumpfte vom Global Player zum Sanierungsfall – und zum Anhängsel der Allianz. Fischer bemühte sich nach Kräften, die Vorgaben seines neuen Chefs Henning Schulte-Noelle zu erfüllen.
Dank einem radikalen Sparkurs schaffte es Fischer, die Kosten in seinem Verantwortungsbereich innerhalb von 18 Monaten um 45 Prozent zu senken. Doch den soliden Versicherungskaufleuten war seine kreative, aber auch eigenwillige Art zu managen zutiefst zuwider. Für die neuen Herren in der Bank repräsentierte Fischer das undurchschaubare Labyrinth aus eingespielten Hierarchien und verschachtelten Schatten-Organigrammen ohne klar definierte Zuständigkeiten. Die mächtigen Regionalfürsten boykottierten seine Entscheidungen, Fischer verliess das Institut Ende September. In der Branche munkelte man hinter vorgehaltener Hand, «der Fischer» sei erst einmal für eine Top-Position in Deutschland verbrannt.
Der Karriereknick war indes von kurzer Dauer. Credit-Suisse-Chef Oswald Grübel holte seinen Landsmann zur «Winterthur» – als Sanierer. Desolate Zustände wie bei seinem neuen Arbeitgeber waren Fischer ja durchaus vertraut. Weshalb die CS Group dennoch ausgerechnet einen Investment-Banker an die «Winterthur»-Spitze beorderte, bleibt Grübels Geheimnis.
Leonhard Fischer zündet sich die nächste Marlboro an. Nein, sagt er, er sei von Grübel nicht mit einer betonhart definierten Agenda ins Rennen geschickt worden. «Sonst hätte ich den CEO-Job hier nicht angenommen.» Schon richtig, das Ziel sei es von Anfang an gewesen, Anlagepolitik, Strategie, Prämienstruktur und Kostenbasis «weiter anzupassen». Aber: «Es gibt einen Unterschied zwischen Auftragsbefehl und Durchführungsbefehl», sagt der ehemalige Marinefunker Fischer. «Ich habe hier einen Auftrag bekommen, das heisst, ich muss selbst entscheiden, wie ich diese Aufgabe erfülle.» Und überhaupt: «Man kann so einen Job nicht erledigen, wenn man morgens nur ein Briefing kriegt, was man zu tun und zu lassen hat.»
Zigarette Nummer drei, der gebürtige Niedersachse hat sich warm geredet. «Wir haben die vor einem Jahr brenzlige Lage durch die Zufuhr von neuem Kapital, durch Unternehmensverkäufe und die Wiederherstellung der Profitabilität in unseren in- und ausländischen Gesellschaften bereinigt», sagt er zufrieden. Und: «Den Rest dieses Jahres und einen Teil des Jahres 2004 – dann sollte die ‹Winterthur› aus dem heraus sein, was man so Restrukturierung nennt.»
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Tatsächlich scheint es so, dass man sich in der CS Group inzwischen ein bisschen weniger für die hässliche Tochter schämt als noch vor einem Jahr. Ob es denn so sei, wollte eine Journalistin der «New York Times» von CSFS-Chef Oswald Grübel bei der Halbjahres-Pressekonferenz wissen, dass der Konzern ohne Ballast der «Winterthur»-Versicherung noch mehr Fahrt aufnehmen könnte. Grübel konterte, seine Banksparte segle auch mit der «Winterthur» an Bord hart am Wind. «Wir haben nicht die Absicht, irgendjemanden über Bord zu werfen.» Neue Töne, nachdem Grübel und sein amerikanisches Pendant John Mack die Situation vor Jahresfrist noch als «höchst unbefriedigend» und «inakzeptabel» bezeichnet hatten – und ein Notverkauf der Versicherung schon besiegelt schien. Grübel sieht die «Winterthur» vornehmlich durch die Brille des Investment-Bankers: «Sie verwaltet rund 140 Milliarden Franken an Kapitalanlagen. Und das ist eine Kernkompetenz im Bankgeschäft», erklärte der CSFS-Boss jüngst im Interview mit der NZZ.
An Versicherungen hat sich die Credit Suisse bös die Finger verbrannt. Ihre Rentenanstalt-Beteiligung, die heute noch etwa 160 Millionen Franken wert ist, hat der CS bisher Verluste von einer Milliarde Franken beschert. Noch teurer kam die Übernahme der «Winterthur» 1997 zu stehen: Die Assekuranz hat der CS seither zwar knapp zwei Milliarden Franken an Dividenden überwiesen, doch der Konzern musste 3,7 Milliarden zur Stärkung der Eigenkapitaldecke einschiessen. Tatsächlich stand Fischer von Anfang an unter enormem Zugzwang: Bei einem Nettoprämienvolumen von 34 Milliarden Franken wies die «Winterthur» im Horrorjahr 2002 einen Jahresverlust von 2,1 Milliarden Franken aus.
Um – wie mutig angekündigt – bis Ende 2003 Gewinn schreiben zu können, musste Fischer zunächst vor allem die Kosten in den Griff bekommen. Allein am Hauptquartier in Winterthur dürften am Ende knapp die Hälfte der 3000 Stellen wegfallen. Von «vereinfachten Managementstrukturen» und «unvermeidbaren Personalfreisetzungen» war die Rede. Sie seien der Preis, um bei der «Winterthur» mit ihren 32 000 Beschäftigten den Genesungsprozess einleiten zu können. Auch beim Vertrieb räumt Lenny den Laden auf: 16 von 48 Generalagenturen verschwinden, ausserdem werden sechs Dienstleistungszentren in Zürich, Bern, Luzern, Aarau, St. Gallen und Lausanne geschlossen. So schafft man sich als CEO keine Freunde. Der kühle Deutsche bewies bei seiner Personalpolitik zudem kein glückliches Händchen. Die Absetzung des intern angesehenen Chefs des Schweizer Sachversicherungsgeschäfts, Erwin Steiger, geriet zum Affront: Steiger hatte das Schweiz-Geschäft dezentral aufgebaut, mit sechs Schadenszentren über das Land verteilt. Fischer, von Oswald Grübel in Marsch gesetzt, beorderte eine Umstellung auf drei Zentren.
Steiger stellte sich quer, Fischer bot dem in Littau bei Luzern beheimateten Manager, der tief in der heimatlichen Lokalpolitik verwurzelt ist und als bodenständig gilt, eine neue Führungsposition im Ausland an – und gab ihm eine Stunde Zeit zur Entscheidung. Steiger sagte ab, und Fischer präsentierte am selben Tag den intern als farblos geltenden Philippe Egger als neuen Sachversicherungschef. Egger hatte lange beim drittgrössten Schweizer Versicherer Bâloise gedient, sich dort freilich nie für die Spitzenposition empfehlen können. Die Entscheidung, ausgerechnet ihm das Paradestück der «Winterthur» anzuvertrauen, wurde von vielen Veteranen mit Kopfschütteln quittiert.
Anders als bei der Zürich-Versicherung, wo CEO James Schiro praktisch die halbe Führungsriege auswechselte, setzt Fischer noch auf Manager, die schon unter seinem Vorgänger Thomas Wellauer im Amt waren. So gilt der Finanzchef und langjährige McKinsey-Mann John Dacey als Wellauer-Schützling. Auch Anlagechef Hans Lauber ist schon lange an Bord. Mit Fischer, Dacey und Lauber kommen die drei wichtigsten Männer in der Zentrale freilich nicht aus dem Versicherungsgeschäft. «Die betrachten ihren Job doch eher als intellektuelle Übung», vemutet einer, der lange Jahre die Assekuranz begleitet hat, «wir Versicherungsleute sind aber ein spezielles Völkchen. Da muss man Geduld haben und mit dem Herzen dabei sein.»
Fischer («Ich bin zu ungeduldig zum Golfspielen») gibt sich nur ungern Zeit. Seinem Ruf als fixer Sanierer wurde er schnell gerecht: Im Mai verkaufte die «Winterthur» den US-Versicherer Republic, einen Monat später folgte die britische Nicht-Lebens-Versicherungs-gesellschaft Churchill an die Royal Bank of Scotland. Verkaufspreis: 1,1 Milliarden Pfund in bar. Viel wichtiger als der Verkauf selber war die Signalwirkung, die im Hinblick auf die Strategie des Konzerns ausging. So hatte man den britischen Versicherungsmarkt mit der profitablen Churchill bisher zum Kerngeschäft gezählt.
Nur wenige Wochen später kam es auch zum Rückzug aus Italien. Beim Verkauf von «Winterthur» Italia an die italienische Unipol für 1,465 Milliarden Euro habe es sich um eine «einmalige Gelegenheit» gehandelt, erläutert Fischer. Und klingt plötzlich, trotz weicher Intonation, doch irgendwie wie ein Terminator von Oswalds Gnaden. Aus dem Konzern ist zu hören, dass die Nachricht vom Verkauf Schockwellen ausgelöst hat. «Wir konnten es nicht glauben», so ein «Winterthur»-Veteran, «gerade in das Italien-Geschäft hatten wir in den letzten Jahren doch so viel Energie und Geld hineingesteckt.» Man habe halt auf das Angebot reagieren müssen, kontert Fischer nüchtern. Nach dem erfolgreichen Turnaround habe man jetzt die Tochtergesellschaft «auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs» verkaufen können.
Dass der Ausverkauf bei der «Winterthur» damit noch nicht abgeschlossen ist, gilt als sicher. Gesucht werden unter anderem Käufer für die amerikanischen Tochtergesellschaften General Casualty, Unigard und Southern Guaranty (siehe «Die ‹Winterthur› wird immer schweizerischer» auf Seite 48). Klar, sagt Leonhard Fischer, die jüngste Verkaufswelle habe für die CS Group insofern ihr Gutes, als die «Winterthur» nun wieder mit genügend Kapital ausgestattet sei und eine schnelle Veräusserung sich nicht länger aufdränge. «Die kann warten, bis für die drei US-Töchter genügend gute Angebote auf dem Tisch liegen», bestätigt Pictet-Analyst Peter Thorn. Dass am Ende von den rund 20 Auslandsgesellschaften aber vielleicht nur 6 oder 7 übrig bleiben: für Fischer durchaus vorstellbar. Dass sich die «Winterthur» Anfang nächsten Jahres im Nicht-Leben-Geschäft aus Asien zurückziehen will, geistert jedenfalls schon als – vorerst unbestätigtes – Gerücht durch den Konzernsitz.
War die Kapitaldecke wirklich so dünn und die «Winterthur» derart arg in der Klemme, dass man jetzt innert dreier Monate grosse Teile des Tafelsilbers verscherbeln musste? Oder ist Fischer bei der «Winterthur» doch nur angetreten, um die Braut im Auftrag seines Herrn vom Zürcher Paradeplatz möglichst hübsch herzurichten und sie anschliessend zu guten Konditionen an einen geeigneten Bräutigam loszuwerden? Die Begründung für den Rückzug aus Italien wirft jedenfalls mehr Fragen auf, als sie Antworten liefert. «Um auf dem italienischen Markt nachhaltig profitabel zu bleiben, hätte die Gesellschaft aus ihrer mittleren Position hinaus weiter wachsen müssen», erläutert Fischer. Das wäre zu teuer geworden, das attraktive Kaufangebot von Unipol sei deshalb eine sehr gute Lösung.
Das Gespräch hat sich längst vom Plauderton der ersten Minuten verabschiedet. Leonhard Fischer – Superbanker, Wunderkind, Feuerwehrmann – ist jetzt hoch konzentriert. Wir sind am Kern seiner Mission bei der «Winterthur» angelangt. Ist sie endgültig ad acta gelegt, die Vision von der Allfinanz? Gibt es ihn noch, den Ansporn, die «Winterthur» auch künftig als Europas fünftgrösste Versicherungsgruppe zu profilieren? «Wir sind heute ein Schweizer Versicherer mit einem sehr viel fokussierteren Auslandgeschäft», erläutert Fischer mit der Nüchternheit eines Schachspielers. Früher habe man Kapital wie mit der Giesskanne in zu viele Märkte geleitet – heute sei man zu dem Schluss gelangt, das knappe Risikokapital besser anderweitig zu investieren. «Die Strategie der ‹Winterthur› ist es, sich auf Märkte zu konzentrieren, in denen das Unternehmen profitabel arbeiten kann.»
Spätestens nach dem Verkauf des Italien-Geschäfts stellt sich die Frage: Was hat die «Winterthur»-Mutter CS Group wirklich vor? Will sie Kasse machen und die entschlackte Tochter an die Börse bringen? Was für diese recht ist, kann für die Mutter nur gut sein. Mit einem Spin-off der «Winterthur» würden der CS Group massiv Eigenmittel zufliessen, die Konzentration auf das Kerngeschäft würde die Aktivitäten im Bankenbereich stärken. Und das erklärte Ziel der Konzernleitung, das Rating zu verbessern, wäre damit auch gleich noch erreicht. Leonhard Fischer winkt vehement ab. «Warum soll sich eine Gruppe eine solche Diskussion aufdrängen lassen? Dazu gibt es überhaupt keinen Grund.»
Wirklich nicht? Wenn Fischer einerseits argumentiert, dass er die «Winterthur» in der Schweiz noch solider verankern und übrige freie Finanzmittel auf wenige ausländische Märkte konzentrieren wolle, klingt das zunächst plausibel. Doch dann rutscht Fischer ein Satz über den europäischen Versicherungsmarkt über die Lippen, der stutzig macht: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in ein paar Jahren noch so viele Versicherungen geben wird wie heute. Da werden nur wenige grosse Player übrig bleiben.»
Also, Herr Fischer, welcher Geheimplan steht hinter den Verkäufen? Will die «Winterthur» im zukünftigen Konzentrationsprozess die Rolle des Jägers oder des Gejagten einnehmen? Leonhard Fischer lacht: «Nun, ein bisschen Spannung muss ich Ihnen doch lassen!»
Vielleicht ist es am Ende ja wirklich so, wie ein langjähriger Mitarbeiter vermutet: «Der Grübel hat den Fischer eingesetzt, um die Filetstücke der ‹Winterthur› peu à peu zu verscherbeln. In zwei Jahren wird dann nur noch das schweizerisch-deutsche Kerngeschäft übrig bleiben. Und das geht dann für vier bis fünf Milliarden Franken an die Axa.»
Der gefallene Starbanker Leonhard Fischer jedenfalls würde sich mit diesem Szenario ein für allemal rehabilitiert haben – und sich für höhere Aufgaben in der CS Group empfehlen. Hinter vorgehaltener Hand werden am Paradeplatz ja schon seit geraumer Zeit fleissig Namen für die Nachfolge von Oswald Grübel gehandelt: Private-Banking-Chef Alex Widmer steht da immer ganz oben auf der Liste, einige Amerikaner sind im Gespräch. Und seit neuestem eben auch Lenny Fischer.
Vielleicht sind derlei Spekulationen aber auch völlig absurd, solange Walter Kielholz als CS-Verwaltungspräsident die Fäden in der Hand hält. Der beteuerte nämlich mehrfach, man wolle «die ‹Winterthur› nicht verkaufen, sondern sie nachhaltig profitabel machen». Und immer wenn er das sagt, klingt er ausgesprochen überzeugt.
Möglicherweise verwandelt sich der Starbanker aus Frankfurt aber irgendwann ja auch tatsächlich in einen eingefleischten Versicherungsmann. Einer, der sich in seinem Büro an der General-Guisan-Strasse in Winterthur dann für längere Zeit einrichtet.