Nach dem Fall im Ausland bröckelt das Bankgeheimnis auch im Inland. Als erstes Geldhaus der Schweiz zwingt die genossenschaftliche WIR Bank de facto alle ihre Kunden zum Verzicht auf das Bankkundengeheimnis.

Für Neukunden gelte dies ab sofort, teilte die Bank am Dienstag in einem Communiqué mit: «Bis Ende 2017 soll zudem von sämtlichen bestehenden Kunden eine Entbindung vom Bankkundengeheimnis vorliegen.» Insgesamt habe die Bank rund 100'000 KMU- und Privatkunden, sagte WIR-Sprecher Volker Strohm auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.

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Sinnlose Geheimhaltung

Im Rahmen der Weissgeldstrategie habe sich die Bank bereits von den wenigen Auslandskunden verabschiedet, erklärte WIR-Chef Germann Wiggli im Communiqué. Das Bankkundengeheimnis diene der Geheimhaltung der Daten von Auslandskunden und richte sich gegen ausländische Steuerbehörden.

«Für eine Bank, die sich auf den Schweizer Markt konzentriert, ergibt es folglich keinen Sinn, am Bankkundengeheimnis festzuhalten», erklärte Wiggli. Selbstverständlich stelle die WIR Bank den Persönlichkeitsschutz und den Datenschutz ihrer Kunden weiterhin sicher.

Vorbeugender Schritt

Zudem sei mit dem FATCA-Abkommen mit den USA und der Einführung des automatischen Informationsaustauschs (AIA) per 1. Januar 2017 das Bankkundengeheimnis gegenüber ausländischen Steuerbehörden de facto aufgehoben, hiess es. FATCA verpflichtet ausländische Banken dazu, Konten von US-Kunden der US-Steuerbehörde zu melden.

«Wir rechnen damit, dass der AIA bald auch auf inländische Bankkunden ausgeweitet wird», erklärte Wiggli. Hier prescht die Bank nun vor. «Bei Anfragen von Behörden werden Auskünfte erteilt, wenn die entsprechenden formalen Voraussetzungen (Verfügung, Rechtsmittelbelehrung etcetera) erfüllt sind», sagte Banksprecher Strohm.

Neue AGBs haben es in sich

Auf die Frage, ob alle Behörden Auskunft erhielten, sagte der Banksprecher: «Wir erteilen wie bis anhin in Straf-, Zivil- und Konkursverfahren bei Vorliegen der entsprechenden formalen Voraussetzungen Auskunft. Gegenüber einer Polizei oder einem Strassenverkehrsamt ist dies also beispielsweise nicht der Fall.»

Dies ist aber offensichtlich nicht alles. «Der Kunde stimmt zu, dass die Bank Informationen zur Kundenbeziehung mit der Bank und Daten des Kunden bearbeiten und an Dritte im In- und Ausland weitergeben darf», heisst es in den neuen allgemeinen Geschäftsbedingungen der WIR Bank.

Dies betreffe insbesondere folgende Fälle: Adress- und andere Abklärungen betreffend den Kunden (Betreibungsregister, Wirtschafts- und Bonitätsdatenbanken, Einwohnerkontrollen etc.). Auch erlaubt sei die Verwendung und Weitergabe von Daten zu Zwecken der Verkaufsförderung, (WIR-)Umsatzförderung und Marketing, insbesondere an die Tochtergesellschaften der Bank und WIR-Teilnehmer.

Rechtlich in Ordnung

Rechtlich sei das zulässig, sagte der Berner Wirtschaftsprofessor Peter V. Kunz der Nachrichtenagentur sda. Es handle sich um keine Verletzung des Bankengesetzes, weil gemäss Bankengesetz der Kunde auf das Bankkundengeheimnis verzichten könne. Aber die neuen Bestimmungen der WIR Bank würden den Persönlichkeitsschutz aushöhlen.

Eine Klage gegen die neuen Bestimmungen der WIR Bank wäre dennoch chancenlos. Der Bankkunde sitze am kürzeren Hebel. «Es gibt kein Grundrecht auf ein Bankkonto. Im schlimmsten Fall muss man sein Geld zu Hause unter die Matratze legen», sagte Kunz.

Störrische Kunden müssen Bank verlassen

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma sieht keinen Grund zum Eingreifen: Man habe Kenntnis von dem Fall, sagte Sprecher Tobias Lux.

Die Frage, ob das Vorgehen einer Bank mit den Bestimmungen des Schweizer Rechts (Bankenkundengeheimnis, Vertragsrecht) vereinbar sei, sei keine Frage des Aufsichtsrechts. Dies müssten letztlich Gerichte entscheiden. «Der Finma steht es daher nicht zu, hierzu eine Beurteilung vorzunehmen oder einen Kommentar abzugeben», sagte Lux.

Kunden, die auf dem Bankkundengeheimnis beharren, will die WIR Bank loswerden. «Sämtliche unserer Kunden, für welche wir ab dem 31. Dezember 2017 ein Konto führen, werden uns vom Bankkundengeheimnis entbunden haben», sagte Strohm.

(sda/jfr)