Viele Startups klagen über Finanzierungsprobleme, Sie holen 5 Millionen Franken – wie kam es dazu?
Julius Kirscheneder: Es klingt vielleicht seltsam in diesen Zeiten, aber die Finanzierung war schon längerfristig geplant. Zu Beginn der Pandemie spürten wir die Verunsicherung – aber unsere  Bestandsinvestoren standen immer zu uns. Sicher auch auf Grund der sehr guten Entwicklung von Neon fanden wir dann sogar schnell neue Investoren für die Wachstumsfinanzierung.

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Es gibt die These, dass Schweizer Startups oft eher zu wenig Kapital kriegen, um wirklich zu wachsen. Sind fünf Millionen Franken zu knapp bemessen?
Einerseits ist der Kreis der potentiellen Geldgeber für ein auf die Schweiz fokussiertes Startup sicherlich eingeschränkter als für international orientierte Startups. Andererseits hat uns unser Fokus bisher geholfen. Wir konnten uns auf die Entwicklung konzentrieren und unsere Investoren teilen die Überzeugung, dass sich hier in der Schweiz etwas ändern muss und man sehr gut vor Ort erfolgreich sein kann.

Hand aufs Herz: Bräuchte es mehr?
Wir haben mehr Geld angenommen als ursprünglich geplant. Dazu haben wir uns entschieden, weil es spannende Anfragen gab, die uns strategisch weiter helfen. Wir gehen bei unserer Finanzierung schrittweise vor, um die nächsten Ziele zu finanzieren. 

«Unser kurzfristiges Ziel sind 50'000 Nutzer.»

Sie haben nun auch Helvetia als Geldgeber – wie wollen Sie das Angebot zusammen mit der Versicherung ausbauen? 
Im ersten Schritt war wichtig, dass der Helvetia Venture Fund unsere Investorenbasis als weiterer Partner ergänzt. Wir bleiben hier weiter unabhängig und es geht – wie bei den anderen Investoren auch - um eine normale Finanzierung und den Glauben an einen möglichen Erfolg. Unabhängig von der Investition hatten und haben wir mit Smile.direct eine strategische Partnerschaft, die sehr gut angelaufen ist und worin wir grosses Potential sehen. Das sieht Helvetia wohl auch so.

Könnte es sein, dass Sie am Ende sogar von Helvetia übernommen werden? Der Versicherer aus St.Gallen ist ja nicht dafür bekannt, ständig neue Innovationen hervorzubringen...
Wir konzentrieren uns auf den Markterfolg. Das bedeutet Nutzerzufriedenheit, Produktentwicklung und Kundenwachstum – nicht Exit-Strategien. 

30'000 Kunden – was ist Ihr Ziel bis Ende des Jahres?
Unser kurzfristiges Ziel sind 50'000 Nutzer.

Vor knapp einem Jahr, im Oktober 2019, meldete Neon noch 10'000 Kunden. Wie beurteilen Sie das Wachstumstempo?
Wir sind zufrieden mit dem Wachstum. Immerhin handelt es sich hier um ein für die Schweiz neues Produkt, das auch ein wenig Vertrauen benötigt. Seit Anfang des Jahres haben wir immer mehr neue Nutzer begrüssen dürfen. Unser Ziel ist es, dieses Momentum weiter auszubauen. Das Schöne ist, dass wir viele Nutzer haben, die uns weiterempfehlen. Das ist zum einen die beste Bestätigung für das, was wir tun. Und es hilft uns auch beim Wachstum.

Revolut hat 350'000 Kunden in der Schweiz. Wird Neon das auch mal haben oder ist das utopisch? 
Im Gegenteil – unser klares Ziel ist es, die grösste Nutzerbasis für mobile Konten der Schweiz zu schaffen – und damit die Basis für Kontinuität bei Alltagskonten. Wir sehen uns hier, als Konto für den Schweizer Alltag, deutlich besser positioniert als Revolut, das oft nur als Reisekarte dient.

Julius Kirscheneder

Neon-Mitgründer Julius Kirscheneder.

Quelle: ZVG

Wer sind Ihre Kunden? Wie setzen sie sich zusammen?
Unsere Nutzerbasis ist vielschichtig und breit. Insgesamt ist ein grosser Anteil männlich und zwischen 25 und 50 Jahre alt. Das passt insoweit, als es sich um Nutzer handelt, die die Vorteile digitaler Produkte zu schätzen wissen und die Nachteile von hohen, intransparenten Gebühren sehen. Was für uns noch nicht passt, ist der Anteil an Nutzerinnen bei Neon. Wir bieten ein Unisex-Produkt und hier wollen wir unbedingt daran arbeiten und mehr kommunizieren.

In welche Richtung bauen Sie nun aus?
Zunächst werden wir die klassischen Konto- und Kartenfunktionen weiter abrunden, dann liegt der Fokus stark auf der Erweiterung des Angebots durch den Ausbau mit unseren Partnern. 

Was machen Sie selbst, was mit Partnern?
Wir konzentrieren uns auf unsere Stärken: Das ist das Produkt mit der App, das Design, das UX, die Schnittstellen und der Kundenservice. Für andere Dienstleistungen wie etwa Banken- oder Vorsorgeprodukte nutzen wir die Stärke von Partnern. 

Sie bieten eine Lösung mit der Prepaid-Kreditkarte im Debitmodus. Warum nicht einfach eine Debit-Mastercard? 
Zum Zeitpunkt unseres Launches war das die einzig richtige Lösung für uns. Unsere Nutzer sind zufrieden mit dem Produkt. Wir schauen uns die verschiedenen Möglichkeiten natürlich trotzdem regelmässig an. 

Welche technischen Bestrebungen fehlen noch?
Ganz vorne sicher weitere Mobile Payment Optionen. Hier geht es nächste Woche weiter mit dem nächsten Partner. Dann sind wir noch nicht am Ende, was die Digitalisierung und Geschwindigkeit von Prozessen angeht wie etwa die Datenänderung oder das noch schnelle Onboarding für Neukunden. Als dritter Fokus ist sicher die Breite des Angebots wesentlich: Als Beispiel die Zusammenarbeit mit smile.direct.

Wann wird Google oder Apple Pay mit Neon kommen?
Google Pay wird Anfang September kommen, Apple Pay ist für uns das nächste Ziel.

Neon Karte

Wird inzwischen von 30'000 Personen in der Schweiz genutzt: Die Neon-Karte- auch bald mit Google Pay.

Quelle: ZVG

Inwiefern wirkt Ihr Auftritt in der TV-Sendung «Höhle der Löwen» auch noch heute nach?
Das war sicherlich ein Highlight im letzten Jahr, das fortwährend wirkt. Wir haben immer wieder Nutzer, die uns bei der Sendung zum ersten Mal wahrgenommen und unsere Vision verstanden haben. Und natürlich haben wir hilfreiche Investoren gewonnen, die uns nicht nur mit Geld, sondern auch mit gemeinsamen Aktionen wie etwa bei Brack unterstützen.

Viele Banken haben jetzt selbst Mobile-Lösungen lanciert. Ist das eine gewisse Genugtuung für Sie als Pioniere?
Viel scheint relativ zu sein. Wir sehen den Markt immer noch sehr am Anfang und die Veränderungsgeschwindigkeit der «alten Welt» erstaunlich langsam. Wenn wir uns das Pricing der neuen Kartenprodukte der UBS ansehen, dann ist das nicht das, was wir als Neon als kundenfreundliches Produkt anstreben, sondern ein kleiner Schritt. Immerhin in die richtige Richtung. Hier hoffen und arbeiten wir am stetig wachsenden Konsumentenverständnis für das Thema und die Abstimmung am Smartphone.