Als Hotelier haben Sie im Ausland mehrere Häuser projektiert und eröffnet. Was hat Sie nach Bad Ragaz gelockt?
Peter P. Tschirky: Wegen der Ausbildung meines Kindes wollte ich zurück in die Schweiz. Per Zufall war damals vor neun Jahren diese Stelle im «Grand Resort Bad Ragaz» neu zu besetzen. Ich stamme aus dem benachbarten Weisstannental und bereits bei der Berufswahl waren die Thermenhotels für mich ein Traumziel.
Zu jener Zeit standen grosse Investitionen an. Gab das den Ausschlag?
Ja, sonst wäre ich nicht eingestiegen. Ich bin kein Verwalter, mich treiben die baulichen Veränderungen an.
In den letzten Jahren wurden rund 200 -Millionen Franken in die Erweiterung und Modernisierung gesteckt. Geht es im gleichen Stil weiter?
Die zeitgemässe Anpassung geht weiter, aber nicht mit den gleich hohen Beträgen. Bis 2017 entsteht am Golfplatz Bad Ragaz ein neues Clubhaus und danach folgt die komplette Erneuerung des Grand Hotel Quellenhof.
Wenn Sie zurückblicken: Wie unterscheiden sich ausländische Resorts von einheimischen Wellness-Hotels?
Bei der Infrastruktur erkenne ich kaum Unterschiede. In der Wahrnehmung allerdings schon. Asien etwa verfügt über grosse Wellness-Zentren. Demgegenüber ist die Schweizer Wellness-Landschaft eher kleinräumig aufgebaut. Dazu kommt, dass die Schweiz vom Ausland her betrachtet als klassische Winterdestination wahrgenommen wird.
Auch in den Nachbarländern wird viel Geld in neue Wellness-Anlagen investiert. Können Schweizer Anbieter im Wettbewerb mit den preisgünstigen Resorts der Euro-Zone noch mithalten?
Ja, durchaus. Entscheidend wird sein, dass wir unser Angebot genügend profilieren können. Zwar gibt es einzelne Wellness-Anlagen, die sich architektonisch abheben, aber inhaltlich sehe ich kaum echte Innovationen. Insgesamt ist alles qualitativ sehr hochstehend und teuer gebaut, thematisch aber auch gleichartig. Es gilt, die Besonderheit einer Destination noch stärker mit dem Wellness-Angebot zu verknüpfen. Das schafft Authentizität.
Unsere Hotellerie wurde lange kritisiert, sie sei dem globalen Wellness-Trend mit einem grosszügigen Ausbau der Infrastruktur nur
zögerlich gefolgt.
Für die führenden Hotels gilt das sicher nicht. Nachholbedarf gibt es bei den mittelgrossen und kleineren Häusern. Das hängt auch mit der Rentabilität zusammen. Wellness-Anlagen sind je Quadratmeter die mit Abstand teuersten Flächen in einem Hotelbetrieb.
Mit ausländischem Kapital entstehen neue Luxus-Resorts wie etwa in Andermatt, Vitznau oder auf dem Bürgenstock. Besteht die Gefahr von Überkapazitäten?
Das sehe ich nicht. Dafür zeichnet sich eine Konzentration ab. In Zukunft wird es mehr grössere Hotels geben, auch in den Alpen. -Damit verbunden ist ein Verdrängungswettbewerb. Auf der anderen Seite wächst der weltweite Reisemarkt jährlich um über 3 Prozent. Das heisst, es strömen auch mehr Touristen in die Schweiz. Ähnliche Zyklen wie etwa in der Zürcher Business-Hotellerie erkenne ich in den Berggebieten nicht.
Ein modernes Hotel ohne Wellness ist heute nicht mehr denkbar. Reicht das aus, um im hart umkämpften Markt zu überleben?
Es genügt nicht, wenn Wellness als Schwimmbad plus Sauna und vielleicht noch ein türkisches Bad verstanden wird. Wir müssen diesen Begriff in den kommenden fünf bis zehn Jahren komplett neu definieren.
Wie?
Zu Wellness gehört dann eine Gegend mit -reiner Luft, in der ich bewusst spazieren gehe. Voraussetzung dafür sind intakte Landschaften. Man hält sich in Wäldern auf, um die feinen Gerüche aufzunehmen. Das Eintauchen in die Natur, sich richtig bewegen und ernähren, richtig schlafen und die innere sowie die -äussere Schönheit – das sind künftig die zen-tralen Themen.
Das «Grand Resort Bad Ragaz» positioniert sich als Wellbeing- und Medical-Health-Center. Richten Sie sich damit auf Generationen aus, die immer älter werden?
Wir werden als ein Hotel für die Generation 55 plus wahrgenommen, jedoch stellen wir gleichzeitig ein Wachstum der Gästezahlen der jüngeren Generation fest – Wellbeing und Gesundheit sind Themen aller Generationen. Wichtig ist dabei die gesundheitliche Prävention. Wellbeing verstehen wir im Sinne einer medizinischen Mitbetreuung. Das lässt sich am Beispiel der Dermatologie illustrieren. Der Gast kauft heute nicht einfach ein Marken-Kosmetikprodukt. Er will zuerst den ärztlichen- Ratschlag, welche Ingredienzen für seinen Hauttyp am besten sind.
Nebst den bisherigen ambulanten Behandlungen gibt es seit diesem Jahr zudem eine Privatklinik für die Rehabilitation. Kommen sich die Hotelgäste und Spitalpatienten nicht in die Quere?
Das sind zwei Zielgruppen, die grundsätzlich sehr gut miteinander leben, zumindest in unserem Fall: Beim Bau der Privatklinik haben wir darauf geachtet, dass die Clinic Bad Ragaz über einen separaten Eingang verfügt, sodass sich Patienten und Touristen räumlich nicht in die Quere kommen müssen. Für uns ist es wichtig, diese verschiedenen Marktsegmente zur Auslastung unserer Zimmer richtig zu steuern.
Zum Resort gehören nebst den Hotels, der Therme und dem medizinischen Zentrum auch ein Casino, ein Konferenzgebäude und zwei Golfplätze. Lässt sich das alles rentabel betreiben?
Wir haben mittlerweile kein defizitäres Geschäftsfeld mehr. Dabei ist uns wichtig, dass es keine Quersubventionierung gibt. Heute kommt kaum noch ein Gast zu uns, der bloss Ferien macht. Der eine liebt das Thermalwasser, ein anderer sucht die medizinische Betreuung oder er will einfach entspannen und golfen. Insgesamt befruchten sich die einzelnen Teile des Resorts gegenseitig.
Ist dieses breite Angebot auch ein Element der Wellbeing-Idee?
Ja, jede Geschäftseinheit muss zwar rentabel sein, sie darf aber kein Eigenleben führen, sondern muss sich harmonisch ins Gesamtbild einfügen.
Allein mit Schweizer Gästen lässt sich das -Resort kaum auslasten. Ist Deutschland trotz schwachem Euro nach wie vor der
wichtigste Auslandmarkt?
Das sind mit einem gemeinsamen Anteil von gut zwei Dritteln unverändert die beiden dominanten Gästegruppen. Der Rest entfällt zur Hauptsache auf den Nahen Osten und Ost-europa. Auch Grossbritannien und die USA sind wieder auf dem Vormarsch. Und Asien entwickelt sich, wenn auch langsam.
Werden sich diese Anteile verändern?
Ich hoffe es nicht. Eine kulturelle Ausgewogenheit ist für die Zufriedenheit der Gäste ein wichtiges Kriterium.
Die Touristiker versprechen sich viel von den Asiaten.
Für uns sind das derzeit noch weniger als 3 Prozent der Gäste. Aber wir sehen ein Potenzial, speziell mit den Themen Wasser und Schönheit. Für den durchschnittlichen Inder oder Chinesen allerdings sind wir zu teuer.
Hilft dabei ein flexibles Preisgefüge, wie es die Airlines schon lange kennen?
Selbstverständlich haben wir auch ein Yielding-System, aber nicht derart extrem wie bei den Fluggesellschaften. Aus unserer Sicht darf es nie um Preisdumping gehen, sondern -immer um die Optimierung von Preis und Auslastung. Dabei bewegen wir uns in einer klar definierten Bandbreite, mit unterschiedlichen Untergrenzen für die einzelnen Marktsegmente.
Die Unternehmensgruppe Grand Resort Bad Ragaz AG hat 2013 nach Abschreibungen -einen kleinen Gewinn geschrieben. Wie sieht es im laufenden Jahr aus?
Das erste Halbjahr 2014 war durchzogen, die Monate danach hervorragend. Entsprechend erwarte ich ein sehr gutes Ergebnis sowohl beim Umsatz als auch beim Ertrag.
Sind Sie auch für 2015 optimistisch?
Wir prognostizieren für 2015 ein Wachstum zwischen 5 und 6 Prozent. Das wird auch die Auslastung verbessern. Es braucht jedoch erhebliche Marketinganstrengungen, um die Destination mit dem harten Schweizer Franken zu verkaufen. Dazu kommt die politische Unsicherheit mit den latenten Konflikten in der Ukraine und im Nahen Osten, die das -Buchungsverhalten in der nahen Zukunft -negativ beeinflussen können.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen?
Es gilt, für das gesamte Resort die richtige -Balance zu halten. Gleichzeitig müssen wir innovativ bleiben und neue Projekte im Bereich medizinisches Wellbeing realisieren. In der Kommunikation wollen wir die Online-Kanäle noch besser nutzen und miteinander vernetzen.
Passen die jetzigen Rahmenbedingungen?
Bei der Subventionspolitik sind wir in eine Sackgasse gefahren. Die Landwirtschaft erhält ihre Milliarden, die Forstwirtschaft ihre Millionen. In den Tälern werden Strassen und Infrastrukturen gebaut. Nur die Leistungsträger in diesen Berggebieten gehen vergessen. Es braucht bei der Geldverteilung eine bessere Koordination zwischen all diesen traditionellen Subventionsempfängern und den wirtschaftlichen Impulsgebern. Dazu gehört auch die Wellness-Branche.
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