Die Freude ist verflogen: Anfang Jahr jubelte die Migros noch über ihren Umsatzrekord von 31,9 Milliarden Franken. Die Gewinnzahlen sehen nun weniger rosig aus. 175 Millionen Franken Gewinn schrieb die Migros im Jahr 2023, wie sie an ihrer Bilanzmedienkonferenz bekannt gab.

Das entspricht einem Rückgang von über 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damals betrug der Gewinn noch 459 Millionen. Und schon damals war der Gewinn im Vergleich zum Vorjahr markant zurückgegangen. Nun also setzt sich die Talfahrt fort. Die Migros hat in ihrer Geschichte noch nie einen Verlust geschrieben. Das vorliegende Ergebnis ist aber die magerste Gewinnausbeute seit 1985.

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Auch Signa-Abschreiber spielt eine Rolle

Der EBIT (Ergebnis vor Finanzerfolg und Ertragssteuern) lag bei 286 Millionen Franken (Vorjahr: 628 Millionen). Immerhin eine gute Nachricht liefern die neuen Zahlen: Der Detailhandelsumsatz stiegt auf 25,7 Milliarden Franken – im Vergleich zu 24,6 im Vorjahr. Im Kerngeschäft, dem Detailhandel, habe man denn auch Marktanteile dazugewonnen, schreibt die Migros in ihrer Mitteilung zum Jahresergebnis.

Schuld an der mageren Gewinnausbeute sind laut Migros «steigende Rohstoff-, Energie- und Verpackungskosten». Ausserdem musste man Wertberichtigungen im Umfang von 500 Millionen Franken vornehmen. Es geht dabei um Logistik-Liegenschaften, IT-Projekte und verschiedene weitere Vermögenswerte, «die aufgrund veränderter Marktbedingungen einen tieferen Bilanzwert aufweisen», schreibt der orange Riese. Dabei spielen auch indirekte Effekte der Signa-Pleite eine Rolle. Sie kosteten die Migros laut früheren Angaben rund 15 Millionen Franken.

«Wir müssen jetzt in unserem Handwerk besser werden, damit wir in Zukunft nicht mehr solche Wertberichtigungen vornehmen müssen», sagt Migros-Boss Mario Irminger (58) an der Bilanzmedienkonferenz. 

Trotz des massiven Gewinneinbruchs sei die Migros aber ein «finanziell kerngesundes Unternehmen». Man verfüge über 17,5 Milliarden Franken Eigenkapital, was knapp 73 Prozent der Bilanzsumme entspricht. Und: «Die Migros bleibt ein wichtiger Wirtschaftsmotor für die Schweiz», verspricht Irminger.

Endet das Deutschland-Abenteuer von Galaxus bald?

Zulegen konnte die Migros im vergangenen Jahr beim Online-Handel: Er setzte 4,1 Milliarden Franken um, was einem Plus von 10,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Wachstumstreiber war die Galaxus-Gruppe.

Mario Irminger, Praesident der Generaldirektion des Migros-Genossenschafts-Bundes spricht mit Medien an der Bilanzmedienkonferenz der Migros am Dienstag, 26. Maerz 2024 in Zuerich. . (KEYSTONE/Michael Buholzer)

Migros-Chef Mario Irminger steht den Medien Red und Antwort.

Quelle: Keystone

Ein Drittel des Wachstums von Galaxus stammte dabei aus Deutschland. Dennoch bleibt die Deutschland-Expansion von Galaxus defizitär – wenn auch die Migros nicht im Detail beziffern wollte, wie hoch das Minus von Galaxus in Deutschland ausfiel.

Nur soviel: «Deutschland ist ein sehr kompetitiver Markt und es gibt dort verschiedene, auch globale Konkurrenten, die eine dominante Stellung haben», so Irminger. Vorerst investiert die Migros weiter ins Deutschland-Abenteuer mit Galaxus. Aber wie lange noch? «Wir diskutieren im Moment sehr stark, in welchem Ausmass wir uns dort weiter engagieren», sagte Irminger.

Tankstellen im Tief, Goldesel Gesundheit

Zulegen konnten neben dem Online-Handel auch das stationäre Supermarkt-Geschäft (+3,6 Prozent) sowie die Migros-Gastronomie (+10,2 Prozent). Auch mit dem Umsatzplus bei Denner (+4 Prozent) zeigt sich der Detailhandelsriese zufrieden, wie aus der Mitteilung zum Jahresergebnis hervorgeht. Migrol hingegen schlug mit einem Minus von 15 Prozent zu Buche. Schuld waren «rückläufige Volumina» und der tiefere Erdölpreis.

Bei der Migros Bank kletterte der Ertrag im Berichtsjahr auf knapp 828 Millionen Franken (+17,7 Prozent). Unter dem Strich betrug der Jahresgewinn im Bankgeschäft 313 Millionen – ein Plus von über 30 Prozent. Das hat die Migros Bank einerseits den Zinsen zu verdanken: Vor knapp zwei Jahren läutete die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Zinswende ein, das Zinsniveau stieg und spülte den Banken mehr Geld in die Kassen. Andererseits vergrösserte sich die Kundenbasis um 10,9 Prozent auf 1,1 Millionen.

Besonders auffällig war das Umsatzplus im Bereich Gesundheit: Der Umsatz stieg um satte 74 Prozent auf 1,3 Milliarden. Die Medbase-Gruppe steigerte ihren Umsatz dank der Integration der Online-Apotheke zur Rose um 95,9 Prozent.

Käufer für Melectronics und SportX scheinen gefunden

Ein Minus verbuchte die Migros hingegen beim Umsatz ihrer Fachmärkte (-7,7 Prozent). «Die Fachmärkte sind unser Pain Point. Wir fahren hier Verluste ein, die substantiell sind und unsere Ertragskraft schmälern», sagt Irminger.

Hier steht denn auch eine Neuausrichtung an. Im Februar gab die Migros bekannt, mehrere Tochterfirmen abzustossen. Es sind dies die Reisegruppe Hotelplan, der Sporthändler SportX, die Heimelektronikkette Melectronics sowie der Mibelle-Industriebetrieb («Handy»-Spülmittel, «I am»-Linie).

Beim Verkauf der Fachmärkte gibt es eine erste positive Wasserstandsmeldung: Der Verkaufsprozess von Melectronics und SportX sei schon fortgeschritten. Bis Mitte Sommer sollen die Käufer bekannt werden. Migros-Chef Irminger versicherte an der Medienkonferenz, dass die neuen Besitzer die Läden mit ihrem Personal weiterführen.

Zukunft von Hotelplan und Mibelle noch offen

Bei Hotelplan und Mibelle sind die Verkaufsgespräche hingegen noch in der Anfangsphase. Der Verkauf soll bis Ende Jahr unter Dach und Fach sein. Auch diese beiden Töchter will Migros nicht aufsplitten, sondern als Ganzes verkaufen. Nur Käufer scheinen bislang keine in Sicht.

Anders als die Fachmärkte Melectronics und SportX läuft es bei der Reisegruppe Hotelplan eigentlich rund: Der Reisekonzern erzielte mit 1,7 Milliarden Franken einen Rekordumsatz (+20,6 Prozent). Dennoch will die Migros das Tochterunternehmen loswerden, sieht bei einem neuen Besitzer «grössere Entwicklungschancen».

Auch die Betriebe der Migros-Industrie, zu der auch Mibelle gehört, sind gut unterwegs, steigerten den Umsatz um 3,9 Prozent auf 6 Milliarden Franken. Allerdings erwirtschaftete Mibelle 70 Prozent des Umsatzes im Ausland. Auch hier sieht Migros bei einer neuen Eigentümerschaft daher bessere Entwicklungschancen.

Auch weitere Migros-Marken stehen auf dem Prüfstand, darunter Do it + Garden sowie Bikeworld. Hier versprach Irminger Neuigkeiten zum weiteren Vorgehen im Sommer.

Massiver Stellenabbau steht an

Im Zuge des grössten Umbaus der Migros-Geschichte kommt es in der Konzernzentrale zu einem grossen Stellenabbau: 1500 Jobs gehen nach konzerneigenen Schätzungen drauf. Mit 100'000 Arbeitsplätzen ist die Migros die grösste private Arbeitgeberin der Schweiz.

Sie betont im Zuge der Publikation ihrer Jahreszahlen, dass derzeit 1300 Jobs bei der Migros ausgeschrieben sind. Nur: Für all jene, die vom anstehenden Stellenabbau betroffen sein werden, sind das nur bedingt gute Neuigkeiten. Die interne Mobilität funktioniert bei einem strukturellen Stellenabbau in der Regel kaum. Die Entlassenen haben nur in Einzelfällen das passende Berufsprofil, um die offenen Stellen zu besetzen.

Die Gewerkschaft Unia nimmt die Publikation der Jahreszahlen zum Anlass, von der Migros einen Marschhalt bei den Entlassungen zu fordern. Die Migros fahre seit Jahren eine «systematische gewerkschaftsfeindliche Strategie» und übe Druck auf ihre Angestellten aus, «um sie von den Gewerkschaften fernzuhalten», heisst es in einer Mitteilung.

Geld sei vorhanden, findet die Gewerkschaft. Trotz Gewinneinbruch befindet sich die Migros schliesslich weiterhin in den schwarzen Zahlen. Die Unia fordert neben dem Verzicht auf einen Stellenabbau ausserdem höhere Löhne fürs Migros-Personal.