Fühlen Sie sich wie ein Vulkan?
Felix Sulzberger: Absolut nicht. Weshalb?
Dann tragen Sie also keine Calida-Unterwäsche.
Sulzberger: Doch, ich trage Unterwäsche von Calida!
Aber in Ihrer Werbung heisst es doch: «Just feel like a volcano.»
Sulzberger: Die Marke «Just Feel by Calida» ist leider nur für Damen. Für Herren gibt es kein «just feel», sondern neben den bekannten Standardserien das hochwertige Segment «Business».
Ihre Werbung ist augenfällig, frech und sexy und erhält Bestnoten von Kommunikationsprofis. Wenn ich dagegen einen Calida-Laden betrete, wirkt er hausbacken.
Sulzberger: Das stimmt. Als wir uns vor sechs Jahren entschieden, die Marke Calida aufzufrischen, haben wir folgende Vorgehensweise bestimmt: Zuerst soll die Kommunikation bestens definiert sein. Dann müssen die Produkte diesem Bild entsprechen, sonst verpufft die Wirkung der Werbung, und die Kunden sind enttäuscht. Deshalb haben wir die Produkte modernisiert. Und in der dritten und letzten Stufe wollen wir die Stores anpassen. Anfang April haben wir unseren ersten Pilot Store in Langenthal eröffnet.
Wie sieht der aus?
Sulzberger: Dieser Pilot besitzt noch nicht das endgültige Gewand. Bis Ende Jahr soll das Konzept so verfeinert sein, dass wir ein endgültiges Format präsentieren können. Wir haben bereits vor Jahren erkannt, dass die Läden einen neuen Look erhalten müssen. Aber zuerst kommt die Kommunikation. Und wissen Sie, was vor der Kommunikation kam?
Nein.
Sulzberger: Dass wir Geld verdienten.
Wie waren die Verdienste 2008 bisher?
Sulzberger: Sehr gut, genaue Zahlen darf ich nicht nennen. Selbst Bademode, die wir neu bei Calida führen, wurde trotz schlechtem Wetter gut verkauft. Mit Bademode kompensieren wir Nachtwäsche, die im Winter besser läuft.
Forcieren Sie in der Zukunft vor allem die eigenen Calida Stores?
Sulzberger: Der Fachhandel schrumpft, deshalb setzen wir auf eigene Calida Stores. Rund 3500 Händler vertreiben unsere Marke. Das sind Warenhäuser wie Globus und Manor sowie Facheinzelhändler. Erst seit ein paar Jahren verkaufen wir Produkte über Calida Stores. Mittlerweile führen wir 113 Calida Stores.
Verdienen Sie mit eigenen Läden mehr?
Sulzberger: Nicht unbedingt. Einer höheren Marge stehen Miet-, Personal- und andere Kosten zum Betreiben der Stores gegenüber. Wir wollen bei beiden Verkaufskanälen gleich gut verdienen.
Wie viele Calida Stores sind geplant?
Sulzberger: Langfristig wollen wir die Hälfte des Umsatzes über die Calida Stores erzielen. So wie Esprit, die machen das als Marke supergut. Zurzeit setzen wir fast 20% des Umsatzes in unseren Stores um. Wie viele wir schliesslich führen werden, kann ich nicht sagen.
Soll Calida auch internationaler werden?
Sulzberger: Mit Calida wollen wir vorwiegend in Europa tätig sein, in Deutschland, in Skandinavien, wo wir sehr gut wachsen. Aber auch in den Beneluxstaaten, in Frankreich und in Italien. Hier liegt ein riesiges Potenzial.
Was haben Sie mit Aubade vor?
Sulzberger: Mit Aubade verfolgen wir eine andere Strategie, weil Aubade höher positioniert ist. Hier fahren wir eine globale Strategie. Rund die Hälfte der Aubade-Produkte exportieren wir in 64 Länder ausserhalb Frankreichs. Unsere Strategie ist es, mit eigenen Aubade-Boutiquen in den Top-Städten vertreten zu sein. International gibt es Aubade-Boutiquen in Zürich und Moskau, wo demnächst eine zweite Boutique eröffnet wird, und seit Mai in Osaka, Japan. Zurzeit sind wir vor allem stark beschäftigt mit dem Aufbau von eigenen Boutiquen in Frankreich.
Aubade ist Luxuslingerie. Gibt es da Synergien mit Calida?
Sulzberger: Synergie Nummer eins ist der Knowhow-Austausch. Calida ist besser in der Logistik und im Controlling. Davon kann Aubade profitieren. Als wir Aubade übernommen haben, gab es noch keine Aubade-Boutiquen. Mit Calida haben wir bereits Erfahrungen mit Stores gesammelt. Davon konnte Aubade profitieren. Heute machen wir mit 21 eigenen Aubade Boutiquen schon 12% des Umsatzes. Umgekehrt kann Calida von Aubade im Marketing profitieren. Aubades Werbekampagne «Leçon de seduction» besitzt in Frankreich Kultstatus und steht in jedem Kommunikationslehrbuch.
Wenn die «Verführung» so gut ist, brauchen Sie keine Shops zur Markenpflege.
Sulzberger: Doch! Denn in Frankreich stirbt der Fachhandel noch stärker weg als in der Schweiz. Gute Marken brauchen eigene Stores für die Markenpflege.
Die Konkurrenz schläft nicht. Palmers, die wie Calida zwischen Mitte und hochpreisig positioniert ist, hat Lejaby übernommen und ist seit kurzem mit eigenen Stores in der Schweiz. Sind Sie unter Druck?
Sulzberger: Nein. Palmers ist vor allem in Österreich tätig. Lejaby kann man nicht mit Aubade vergleichen. Aubade definiert sich über die Werte Glamour, Kreativität, Intimität und Perfektion und positioniert sich im modischen Luxussegment.
Wer ist Ihr Hauptkonkurrent?
Sulzberger: Das ist je nach Land unterschiedlich. In der Schweiz sind es auch die Eigenmarken von Migros und Manor.
Wollen Sie weitere Lingerie-Marken wie Aubade kaufen?
Sulzberger: Es ist nichts Derartiges geplant. Aber wir wollen das nicht ausschliessen. Wir haben eine gute Eigenkapitalquote. Unsere Kriterien für eine Akquisition lauten: Wir wollen keinen Restrukturierungsfall, deshalb waren wir auch nicht an Lejaby interessiert. Wir wollen nur Top-Marken im obersten Segment, die zu unseren Marken passen und die uns ermöglichen, globaler zu werden. Wir wollen auch nicht unsere bestehenden Marken kannibalisieren.
Weshalb können Sie Ihre ursprünglich angekündigte Ebit-Marge von 12% erst 2009 erreichen?
Sulzberger: Vor der Übernahme von Aubade war unser langfristiges Ziel eine Marge von 10%. Bei der Übernahme haben wir das langfristige Margenziel auf 12% erhöht. Jetzt sind wir bei 8,8%, und in den nächsten Jahren erwarten wir, innerhalb einer Bandbreite von 9 bis 12% zu liegen. 12% bleibt unser langfristiges Ziel, aber das kann von Jahr zu Jahr variieren.
Weshalb?
Sulzberger: Je nach Investitionen kann in einem Jahr die Marge tiefer liegen.
In der Schweiz haben Sie erst eine Aubade-Boutique, in Zürich. Planen Sie weitere?
Sulzberger: Nein. Wir wollen zuerst mit der Zürcher Boutique Erfahrungen sammeln. Das ist ein Test für ganz Europa. Wir wollen eher in andere Key-Städte gehen wie München, Kopenhagen oder London. Wenn es in Genf eine Möglichkeit gäbe, würden wir zuschlagen. Wir haben nun 20 Boutiquen in Frankreich und wollen dort jedes Jahr fünf bis zehn neue eröffnen.
Die Produktion wurde 1995 aus der Schweiz ausgelagert. Welchen Sinn macht es, dass Calida in Sursee ihren Sitz hat?
Sulzberger: In Sursee sind 340 Leute beschäftigt. Die Produktentwicklung findet hier statt. Dieses Know-how wollen wir bewahren. Der Hauptteil der Wertschöpfung findet in Sursee statt. Es ist uns wichtig, mit Fachleuten Kontinuität zu gewährleisten.
Weshalb liessen Sie sich an der GV auch noch zum Verwaltungsrat küren?
Sulzberger: Das Wichtigste in jedem Unternehmen ist die Zusammenarbeit zwischen den Gremien. Die Kommunikation und der Austausch zwischen VR und Geschäftsleitung werden dadurch optimiert.
Wollen Sie VR-Präsident werden?
Sulzberger: Nein, überhaupt nicht. Das würde unserem Verständnis von Corporate Governance widersprechen.
Sie sind Chef der Gruppe, Chef von Aubade, Chef von Calida und jetzt auch noch im VR. Ist das nicht zu viel?
Sulzberger: Das ist nur in einer Übergangsphase. Unser Ziel sind Brand-CEO. Wir entwickeln uns von einer One-Brand-Gesellschaft zu einer Two-Brand-Gesellschaft, und vielleicht werden es ja noch mehr Brands werden.