Bachem galt lange Zeit als Perle unter den Schweizer Chemieunternehmen. War Bachem auch 2002 eine Perle?

Rolf Nyfeler:Mit unseren Margen stehen wir tatsächlich weit besser da als andere Chemieunternehmen. Insofern sind wir eine Rendite-Perle. Allerdings liegt auch bei uns die Rendite nicht mehr dort, wo sie einmal war. Wer mit Akquisitionen wachsen will, kann unmöglich ewig Margen von bis zu 50% ausweisen.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Bachem hat in der Vergangenheit alle zwei Jahre eine grössere Akquisition getätigt: 1999 Peninsula, 2001 Sochinaz. Geht es im gleichen Stil weiter, dann ist 2003 die nächste Übernahme fällig.

Nyfeler: So einfach lässt sich das nicht extrapolieren. Aber es ist schon so, dass man nach einer Übernahme eine gewisse Zeit braucht, um diese zu verdauen. Wir konnten auch die Zahl der Projekte, in denen wir mit dabei sind, deutlich steigern. Unsere Wachstumsziele schliessen aber klar Akquisitionen ein. Auf unserem Kerngebiet, der Herstellung von Peptiden, schauen wir jedoch nicht gross herum, da sind wir schon klarer Marktleader.

Welche Firmen stehen für Akquisitionen im Vordergrund?

Nyfeler: Ich denke an Grössenordnungen wie bei Sochinaz, also an einen Übernahmepreis von rund 35 Mio Fr. Aber die Preise sind zum Teil immer noch sehr hoch. Wir sind nicht bereit, überrissene Beträge zu zahlen, um dann später Wertberichtigungen vornehmen zu müssen. Bei der Immunologie wollen wir uns sicher noch vergrössern. Deshalb beschäftigen wir uns intensiver als auch schon mit Akquisitionen.

Als Produzentin von Pharma-Wirkstoffen hängt Bachem direkt von der Innovation der Pharmafirmen ab. Wie stark spüren Sie die momentane Innovationsschwäche der Pharmaindustrie?

Nyfeler: Wir sind in so viele Projekte involviert wie noch nie. Im Moment sind es deutlich mehr als 80. Darunter verstehen wir die Entwicklung von Medikamenten in der frühen klinischen Phase. Zum Teil sind es Biotechfirmen, zum Teil Pharmafirmen. Insofern kann ich sagen, dass wir den geringen Ausstoss an neuen Medikamenten nicht spüren.

Wie häufig kommen denn Peptide überhaupt in Medikamenten vor?

Nyfeler: Peptide hat es nur in den wenigsten Medikamenten, etwa bei der Onkologie und bei Osteoporose. Sie sind äusserst teuer in der Herstellung und sehr wirksam. Für den Weltmarkt braucht es beispielsweise nur gerade 25 Kilogramm Calcitonin. Es sind also vergleichsweise kleine Mengen.

Und was bewirken die Peptide?

Nyfeler: Peptide sind der eigentliche Wirkstoff. Man kann sie nicht oral einnehmen, weil sie zu rasch verdaut werden. Deshalb müssen sie intravenös, in Form von Implantaten oder mittels Nasalspray, appliziert werden. Das ist eine Einschränkung. Ob die Peptide in Originalpräparate oder in Generika fliessen, ist für uns irrelevant.

Sinken bei den Generika auch die Preise der Peptide?

Nyfeler: Nein. Die Mengen sind schlichtweg zu klein, sodass der Preis der Peptide als Wirkstoffe nicht zusammenfallen kann. Wenn der Patentschutz eines Medikamentes abgelaufen ist, haben wir den Vorteil, dass sich unser Kundenstamm erweitert. Das Geschäft wird also interessanter. Wir streben deshalb nicht exklusive Verträge bei Generika-Produkten an. Gebunden sind wir einzig bei patentgeschützten Medikamenten. Mit dem Patentablauf können wir frei hantieren und auch die Konkurrenz beliefern.

Mit rund 30% Marktanteil gilt Bachem als weltweite Nummer eins. Wie entwickelt sich denn der Peptidmarkt?

Nyfeler: Der Weltmarkt liegt zwischen 200 und 400 Mio Dollar, genau lässt sich das nicht sagen. Bachem ist der grösste unabhängige Peptid-Hersteller. Unsere schärfsten Konkurrenten sind UCB (Belgien) und Polypeptide Laboratories (Dänemark). Es gibt daneben auch Pharmafirmen, die Peptide selber herstellen; Novartis, Astra Zeneca, Abbott zum Beispiel.

Wieviel kostet ein Kilo Peptid?

Nyfeler: Im Vergleich dazu ist Gold günstig.

1 Kilogramm kann bis zu mehreren Millionen Franken kosten. Der künstliche Süssstoff Aspartam auch ein Peptid ist dagegen viel billiger. Es hängt eben von der Anzahl Aminosäuren ab, die am Schluss den Preis der Peptide ausmachen.

Der Aktienkurs von Bachem liegt mittlerweile unter dem Ausgabepreis von 1998. Macht Ihnen das Sorgen?

Nyfeler: Das lässt mich sicher nicht kalt. Lange Zeit war Bachem hoch bewertet, heute sind wir tief bewertet. Zu denken gibt mir die Kursentwicklung, weil sich seit dem IPO der Umsatz verdoppelt und der Ebit um weit über 50% erhöht hat.

Steht ein Rückzug von der Börse zu Diskussion?

Nyfeler: Nein, ein Rückzug steht im Moment nicht im Raum.

Steckbrief

Name: Rolf Nyfeler

Geboren: 3. März 1950 in Basel

Wohnort: Liestal

Ausbildung: Chemiker Ph.D; seit 1982 bei Bachem

Funktion: CEO Bachem AG

Bachem

Nummer eins bei den Peptiden

Mit einem Startkapital von 50 000 Fr. gründete Peter Grogg vor 32 Jahren die Firma Bachem, eine Abkürzung für Basler Chemie. Der gelernte Laborant produzierte Peptide, also Wirkstoffe für Medikamente, und verkaufte sie den Pharmafirmen. Und dies mit Erfolg: Heute beschäftigt Bachem weltweit 500 Angestellte, erzielte 2002 einen Umsatz von 150 Mio Fr. und gilt als Marktführerin im Nischenbereich der Peptide. 1998 ging Grogg mit Bachem an die Börse; der 61-Jährige hält nach wie vor die Mehrheit (56%) am Bubendorfer Unternehmen.

77% des Gruppenumsatzes erwirtschaftet Bachem mit Pharmafirmen, für die sie Wirkstoffe für deren Medikamente synthetisiert. Der Rest entfällt auf die rund 8600 Katalogprodukte. Bei den Pharmawirkstoffen machen die Generika den grösseren Teil aus. Rund 20 generische Peptidwirkstoffe, die heute auf dem Markt sind, stammen aus den Labors von Bachem. Daneben stehen gut 80 Projekte in der Entwicklung. Wenn es ein Produkt bis zur Marktreife schafft, strebt Bachem langfristige Verträge mit den Pharmaunternehmen an.

Die Wirkstoffherstellung braucht eine relativ teure Infrastruktur. Deshalb hat Bachem im letzten Jahr die Organisationsstruktur in den USA und in Europa gestrafft. Gemäss CEO Rolf Nyfeler hatte die Zusammenlegung der Standorte in den USA auch damit zu tun, dass die Anforderungen der Kontrollbehörden (FDA) immer restriktiver werden. In den vergangenen Jahren hat Bachem zwei grössere Übernahmen getätigt. Gekauft wurden die auf Immunologie spezialisierte US-Firma Peninsula und das Walliser Unternehmen Sochinaz, ein Spezialist für die Produktion von Pharmawirkstoffen. Mit diesen Akquisitionen sind die Umätze gestiegen, nicht aber die Margen. Diese sanken von 51% (1999) auf 32% (1. Halbjahr 2002). Auch die interne Umsatzdynamik hat sich seit 1998 merklich abgeschwächt. Sie fiel von über 30% auf 12%.

«Mit den Akquisitionen haben wir eine Diversifizierung in unsere Gruppe hineingebracht», begründet Nyfeler die Strategie des Chemieunternehmens. Und: «Wir werden auch in Zukunft über Akquisitionen wachsen.» Daneben versucht Bachem in neue Gebiete vorzustossen. Zusammen mit Berna Biotech wird seit einem Jahr nach Peptidimpfstoffen geforscht. Das 50:50-Joint Venture Pevion mit einem Startkapital von 20 Mio Fr. beschäftigt sechs Forscher und verfolgt vier Projekte auf den Indikationsgebieten Melanom, Hepatitis C, Malaria sowie Alzheimer. 2004 soll der Machbarkeitsnachweis für zwei Projekte vorliegen. Gemäss Nyfeler handelt es sich um ein «sehr langfristiges Investment, das über zehn Jahre dauern kann». (res)