Sie gelten als helle Köpfe. Als harte Arbeiter. Smart, eloquent und gebildet. Über sich selbst reden sie nicht gern – eine Berufskrankheit. Sie scheuen das Licht der Öffentlichkeit. Und haben doch immer dann ihre Finger im Spiel, wenn die Schweizer Unternehmenswelt mal wieder heftig durchgerüttelt wird.

Sie bilden einen exquisiten Kreis, diese Hand voll Wirtschaftsanwälte, die sich darauf spezialisiert haben, die Verträge auszuhandeln, wenn Schweizer Konzerne Fusionen oder Akquisitionen planen. Einer, der dazugehört, ist Rolf Watter, Partner der Zürcher Kanzlei Bär & Karrer, 45 Jahre alt, schneidend die Stimme, eher klein die Statur. Ihm haftet der Ruf an, der Star der Branche zu sein. Noch eine Spur begabter, schneller und analytischer als seine Kollegen.

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Spätestens seit Watter in diesem Frühjahr an der Roche-Generalversammlung im Auftrag von Novartis-Chef Daniel Vasella unbequeme Fragen stellte, kennt man ihn auch ausserhalb der Branche. Er selbst hätte es lieber, wenn das nicht so wäre. Denn die Unternehmen wollen verschwiegene Anwälte, schliesslich soll möglichst nichts von ihren Fusionsplänen nach aussen dringen.

Es ist eine eigene Welt. Man kennt sich, sehr gut sogar. Es sind immer wieder dieselben Anwälte, die einander gegenübersitzen, wenn sich zwei Firmen zusammentun wollen. Das hat einen einfachen Grund: Firmentransaktionen sind ein lukratives Geschäft, setzen aber grosse Ressourcen und Spezialistenkenntnisse voraus. Es müssen gut ausgebildete – und damit teure – Anwälte ans Werk, die sich mit Fusionen und Akquisitionen auskennen. So eine Fusion bringt einen Haufen Arbeit mit sich: Ein Anwalt allein wäre aufgeschmissen, es braucht viele Leute mit Detailkenntnissen, sie müssen von heute auf morgen auf der Matte stehen und bereit sein, die Nächte durchzuarbeiten. Nur grosse Kanzleien können das gewährleisten, und davon gibt es in der Schweiz nicht sehr viele.

So sitzt Rolf Watter immer wieder mit denselben Kollegen um einen Tisch: mit Rudolf Tschäni von der Kanzlei Lenz & Stähelin, mit Peter Isler, Niederer Kraft & Frey, mit Urs Schenker, Baker & McKenzie, oder mit Peter Widmer, Homburger Rechtsanwälte – alles Zürcher Anwälte. In diesem Jahr sind sie sich bei der Übernahme von Centerpulse durch Zimmer begegnet, haben den Verkauf von Bon appétit an die deutsche Rewe-Gruppe ausgehandelt sowie den Zusammenschluss der Medizinaltechnikfirmen Synthes-Stratec und Mathys (siehe «Die grossen Deals dieses Jahres» unten).

«Wir sind alle gute Kollegen», sagt Watter. «Vertrauen spielt eine wichtige Rolle.» Es ist von Vorteil, wenn man sich darauf verlassen kann, dass die anderen fair spielen. Zum Beispiel, wenn die Verträge zwischen den Anwälten hin und her gehen. Der eine schickt einen Vertrag per Mail, der andere liest diesen durch, ändert – rot markierend – Details und sendet ihn zurück. Man muss sicher sein können, dass der andere nicht irgendwo heimlich Formulierungen abwandelt und Vorteile für seinen Mandanten herauszuschlagen versucht.

Oder die Verhandlungen. Man ringt immer wieder um die gleichen Punkte. Jeder weiss genau: Morgen sitze ich vielleicht auf der anderen Seite und argumentiere genau umgekehrt, nämlich so, wie es heute der Verhandlungspartner tut. Das hilft, nicht mit mühseligem Hickhack um Kleinigkeiten Zeit zu vergeuden. Eine faire Lösung bringt es mit sich, dass alle Seiten Zugeständnisse machen. «Im Ausland wird um fast jedes Komma gekämpft», sagt Peter Isler. «Das ist in der Schweiz nicht so.» Es herrscht ein Klima des Respekts, geprägt von einer sportlichen Note. «Schliesslich ist es die Essenz der Anwaltstätigkeit, dass man gegeneinander antritt», sagt Urs Schenker.

Rolf Watter ist schon seit Jahren im Geschäft. Bei fast allen grossen Deals der vergangenen Jahre sass er am Verhandlungstisch: bei den Fusionen von Sandoz und Ciba zu Novartis, von Bankgesellschaft und Bankverein zur UBS, von Alcan und Algroup zu Alcan-Algroup, bei der Übernahme von Danzas durch die Deutsche Post. Warum immer wieder Watter?

«Hoch begabt», «extrem schneller Denker», «absolut superspitze» sind nur einige der Attribute, mit denen ihn Leute versehen, die mit ihm zusammengearbeitet haben. Watter war, neben Rudolf Tschäni und Peter Kurer, dem damaligen Homburger-Rechtsanwalt und heutigen Chef der UBS-Rechtsabteilung, einer der Ersten im Geschäft mit Mergers and Acquisitions (M&A). Er schrieb 1990 seine Habilitation zum Thema Unternehmensübernahmen – ein einigermassen exotisches Thema zu jener Zeit. Die schwedische Asea und Brown Boveri hatten sich zwar 1987 zu ABB zusammengeschlossen, doch sonst herrschte Flaute auf dem Gebiet. Das sollte sich bald ändern. Die Neunzigerjahre entwickelten sich zum Jahrzehnt der grossen Fusionen. Watter hatte früh den richtigen Riecher.

Der Anwalt von Bär & Karrer tanzt auf mehr Hochzeiten als seine Kollegen. Er sitzt in den Verwaltungsräten von Zurich Financial Services, Feldschlösschen, Syngenta und Forbo, bis vor kurzem auch in dem von Centerpulse. Und sein Name ziert eine mehrseitige Liste von juristischen Veröffentlichungen. An der Universität unterrichtet er als Professor – das hat er gemeinsam mit Peter Isler. Dessen Kanzlei, Niederer Kraft & Frey, pflegt ein eher akademisches Image. Isler agiert stärker im Hintergrund als Watter.

Es sei eine Modeerscheinung, dass Watter im Moment so gefragt sei, sagt indes ein Kenner der Branche. Heute sei es Watter, morgen Tschäni, übermorgen Schenker. So grossartig unterschieden sie sich nicht. «Wir sind mehr gleich als anders», sagt Peter Widmer. Alle sind Doktoren des Rechts, haben ihr Studium exzellent abgeschlossen, sich zusatzqualifiziert mit dem angelsächsischen Abschluss LL.M. «Jeder dieser Männer ist ungewöhnlich begabt, hochgradig leistungsbereit und hat eine schnelle Auffassungsgabe», sagt ein Berufskollege.

Letztlich bieten alle Kanzleien die gleiche Dienstleistung: Fusionen und Akquisitionen juristisch einwandfrei absichern. Am Ende sind es persönliche Vorlieben, die darüber entscheiden, wen ein Konzernchef als Berater auswählt.

Obwohl es ein exklusiver Klub von Anwälten ist, die überhaupt in der Lage sind, grosse Fusionen juristisch zu begleiten, ist die Konkurrenz hart. Gerade in den letzten drei Jahren brach nach dem Boom Ende der Neunzigerjahre das Geschäft ein. Die M&A-Anwälte sind froh um vertrackte Übernahmen wie diejenige von Centerpulse in diesem Sommer. So bleibt der Umsatz zumindest einigermassen stabil.

Neue Kanzleien haben heute wenig Chancen, sich im M&A-Bereich einen Namen zu machen. Zunehmend droht auch Konkurrenz aus dem Ausland. Gegenüber den grossen angelsächsischen Kanzleien sind die Schweizer Sozietäten mit ihren unter hundert Mitarbeitern Zwerge. Zum Vergleich: Die grösste Schweizer Kanzlei, Lenz & Stähelin, beschäftigt rund 125 Anwälte, der grösste britische Konkurrent zählt fast 4000 Mitarbeiter.

Fraglich, wie lange die rein auf den Heimmarkt fokussierten Kanzleien dem Druck der Angelsachsen noch standhalten können. Bei Börsengängen bekommen sie den scharfen Wind schon zu spüren, sind doch immer mehr Unternehmen auch an US-Börsen gelistet, sodass amerikanische Fachkompetenz gefragt ist.

Noch ist die kleine Schweizer Anwaltsszene mit ihrer Hand voll Topadressen eine behütete Welt. Allzu oft kommt es vor, dass ein Anwalt ein Mandat ablehnen muss: Tut mir Leid, ich arbeite schon für die Gegenseite. Um dann anzufügen, dass er noch jemanden wüsste – auch einen der grossen fünf. Klingt nach unlauterem Wettbewerb, ist es aber nicht, weil dem Gros der Anwaltssozietäten die Kapazität fehlt, Grossfusionen abzuwickeln. Da muss man unter sich bleiben.

Und die Kunden passen auf, dass das Ganze nicht zu sehr verfilzt. Grosse Unternehmen beschäftigen meist mehrere Kanzleien. Sie wechseln auch gerne mal, eben weil der angestammte Anwalt schon für die Gegenseite arbeitet oder weil beim letzten Deal der andere Anwalt so beeindruckend war.

Trotzdem sind für die Kanzleien bis zur Hälfte der Mandanten im M&A-
Geschäft Stammkunden. Rolf Watter zum Beispiel zählt seit eh und je Novartis zu seinen Klienten: Er hat schon Clariant von Sandoz abgespalten, bevor es Novartis überhaupt gab, später die Fusion von Sandoz und Ciba begleitet, die Agro-Geschäfte von Novartis und Astra Zeneca zu Syngenta zusammengeschlossen und ist zuletzt für Daniel Vasella auf der Roche-Generalversammlung aufgetreten.

Oft sind es auch die Investment-Banken, die den Anwälten zu Mandaten verhelfen. Oder ausländische Kanzleien suchen für ihre Kunden Experten des Schweizer Rechts. Seltener sind so genannte «Beauty-Contests», Schönheitswettbewerbe, bei denen sich mehrere Kanzleien um die Gunst eines Mandanten bemühen. Die Ausnahme ist das schon deshalb, weil ein grösserer Kreis von Mitwissern die Gefahr erhöht, dass etwas über den geplanten Deal an die Öffentlichkeit durchsickert.

«Bei der Auswahl der Kanzleien zählen vor allem Leistungsbereitschaft, die Persönlichkeit des Anwalts und dessen Fähigkeit, ein gutes Team zusammenzustellen. Und die Skalps, die schon an seinem Gürtel hängen», beschreibt ein Anwalt die Kriterien, nach denen sich Unternehmen ihre Kanzleien aussuchen. Einer mit vielen Skalps am Gürtel ist der Homburger-Rechtsanwalt Peter Widmer, eher bekannt durch seine Arbeit für die Credit Suisse bei den Nazigold-Klagen als durch Firmentransaktionen.

Er ist die graue Eminenz im Hintergrund, schon seit vielen Jahren im Geschäft und zuletzt immer weniger an vorderster Front. Fusionen und Akquisitionen betreuen bei Homburger eher Daniel Daeniker und Heinz Schärer, beides keine öffentlichen Stars wie ihr Kollege Watter. Auch da unterscheiden sich die Kanzleien: Die einen, wie Homburger, wie auch Lenz & Stähelin oder Niederer Kraft & Frey, werden mehr als Kanzlei wahrgenommen, andere mehr über ihre Superstars. Bär & Karrer ist gleich Watter; Baker & McKenzie Urs Schenker. Die Detailarbeit im Hintergrund machen da wie dort andere.

Anders könnte einer wie Watter seine Zusatzjobs als Verwaltungsrat und Hochschulprofessor auch nicht bewältigen. Verwaltungsratsmandate sind eine zwiespältige Sache. Sie helfen, bekannt zu werden bei den Unternehmen. Es kann aber auch hinderlich sein: Einem Credit-Suisse-Verwaltungsrat wird die UBS kaum ein Mandat geben und umgekehrt.

Die meisten von Watters Kollegen haben sich deshalb entschlossen, nicht in Verwaltungsräten zu sitzen, zumindest nicht in denen börsennotierter Gesellschaften. Wie Rudolf Tschäni. «Der Zeitaufwand ist zu gross», sagt er. «Und es kann zum Beispiel bei Übernahmen Interessenkonflikte geben – dann denkt man mehr wie ein Verwaltungsrat als wie ein Anwalt.» Tschäni gilt weniger als seine Kollegen Watter und Schenker als «Boxer im Ring». Er verkörpert den Typus des bedachten, kompromissbereiten Anwalts.

Die Jungen, Watter und Schenker, treffen sich regelmässig zum Fussballspielen. Jedes Jahr treten eine Reihe Zürcher Kanzleien gegeneinander an und fechten die Führungsposition auf dem Rasen aufs. Amtierender Meister ist Baker & McKenzie. Die Rollen von Watter und Schenker: Watter spielt als Stürmer am Flügel, eine Position, die in der Regel von Einzelgängern besetzt ist. Schenker verteidigt als Vorstopper, was nur die ganz harten Hunde tun. Wie im richtigen Leben?