«Behavioral Finance will aufzeigen, wie die Leute ihre Welt verstehen und interpretieren. Für uns sind die Erklärungen von Motiven des Handelns wichtig, wie zum Beispiel Gefühle und Leidenschaften.» So charakterisiert Prof. Werner De Bondt sein Forschungsgebiet. De Bondt ist einer der führenden Experten in dieser Wissenschaft. 1985 hat er mit Richard Thaler aufgezeigt, dass Anleger die neusten Nachrichten zu stark und Daten über langfristige Trends zu wenig gewichten. Insgesamt neigen Investoren zu Überreaktionen auf die neusten Meldungen. Dadurch sinken die Kurse der Aktien, die schon in der Vergangenheit gefallen sind, noch stärker, respektive steigen die Aktien, die ohnehin schon zugelegt haben, noch markanter.

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Ineffiziente Märkte

Das hat praktische Konsequenzen: Man kann eine Anlagestrategie aufsetzen, bei der man die jüngsten Verlierer kauft und die jüngsten Gewinner verkauft. De Bondt und Thaler haben gezeigt, dass ein Portefeuille, das nur aus den vergangenen Gewinnern zusammengesetzt ist, relativ zum Markt gefallen ist. Im Gegensatz dazu hat ein Portefeuille, das aus Verlierern konstruiert ist, gegenüber dem Markt um fast 20% zugelegt. Somit treiben die Anleger die Preise auf Niveaus, die den fundamentalen Gegebenheiten nicht mehr entsprechen.

Das hat der Theorie der «effizienten Märkte» einen Schlag versetzt. Ihre Vertreter behaupten, die Preise für Vermögenswerte wie Aktien widerspiegelten alle relevanten Informationen. Somit ist es nicht möglich, mit Analysen systematisch mehr Geld zu verdienen als mit den Informationen, welche die Märkte schon in die Kurse eingebaut haben. Folgender Witz verdeutlicht die Theorie: «Es spazieren zwei Börsenhändler einer Strasse entlang. Plötzlich sieht einer einen Hundertfrankenschein auf der Strasse liegen. Er sagt es seinem Kollegen. Der, ohne hinzuschauen, meint, das könne kein Hundertfrankenschein sein, denn wenn es so wäre, dann hätte ihn schon jemand aufgelesen. Und so schlendern die beiden ungerührt weiter.»

Die Theorie der effizienten Märkte ist zwar weit verbreitet, was aber für De Bondt kein Beweis für ihre Richtigkeit ist. Für ihn ist die Vorstellung, dass die Märkte effizient sind, «in Zeiten turbulenter Märkte ein Mittel, den Seelenfrieden zu erhalten», sagt er. Allerdings sieht er in der Theorie der Behav-ioral Finance nicht die Maschine zur mühelosen Produktion von Gewinnen. «Erfolgreiches Investieren benötigt eine strukturierte und disziplinierte Strategie.»

Theorie im Steigflug

Aus seiner Sicht hat «Behavioral Finance von der Startbahn abgehoben und gezeigt, dass sie fliegen kann», sagt De Bondt. Spricht man ihn aber darauf an, wo gegenwärtig Ineffizienzen in Form spekulativer Blasen zu entdecken sind, dann windet er sich. Für ihn ist Behavioral Finance zwar tauglich, gewisse Entwicklungen als Blase zu identifizieren konkreter wird er nicht. Der Frage, ob die Chinabegeisterung für Anleger eine Falle sei, weicht De Bondt aus: «Die grundlegende mentale Einstellung ist für uns in diesem Zusammenhang entscheidend.» Trotzdem ist Behavioral Finance keine brotlose Kunst. LGT bietet Fonds an, die nach den Prinzipien dieser Theorie gemanagt werden. So zum Beispiel der LGT Equity Fund Global Sector Trends mit der Valorennummer 1532795. Gemäss LGT hat der Fonds seit 31. März 1999 43% eingebracht.

Womit aber erklärt sich der zunehmende Einfluss der Ansätze von Behavioral Finance? Sind die Anleger «irrationaler» geworden? Das dürfte nicht der Fall sein. Vielmehr ist zu vermuten, dass die gängigen Wirtschaftstheorien mehr oder minder versagt haben. Sei es aufgrund des methodischen Ansatzes oder sei es, weil man die Ursachen der Instabilität in den Märkten für Vermögenswerte nicht erkannt hat oder nicht sehen will.

Der Wissenschafter

Werner De Bondt

Professor Werner De Bondt ist Direktor des R. H. Driehaus Center für Behavioral Finance an der DePaul Universität von Chicago. Er gilt als einer der Begründer der Behavioral Finance. Neben seiner Tätigkeit in Chicago war er unter anderem in den letzten Jahren Gastprofessor an der Universität Zürich.