Die Form war ungewöhnlich. Bei ihrer ersten Intervention hatten die Amerikaner noch ein simples Statement verfasst, in dem sie ihren Widerstand gegen den Zusammenschluss von Clariant und Huntsman verkündeten. Jetzt schrieben die Vertreter des Investment-Vehikels White Tale am 19. September einen offenen Brief, und der erste Adressat war hochrangig: «Dr. Rudolf Wehrli, Chairman of the Board of Directors».

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Bislang ist der VR-Präsident des Chemiekonzerns in der Angelegenheit vor allem durch eines aufgefallen: Schweigen. Drahtzieher des Zusammenschlusses ist der CEO Hariolf Kottmann. Sein Präsident Wehrli, eigentlich sein Vorgesetzter, nickte brav ab.

Deal scheint unsicherer denn je

Doch jetzt, nachdem White Tale mit 15 Prozent zum grössten Clariant-Aktionär aufgestiegen ist, erscheint der Deal unsicherer denn je. 25 Prozent an Nein-Stimmen, so das Kalkül der Fusionsgegner, sollten reichen, um an der Ende des Jahres geplanten Generalversammlung Kottmanns Traum zu killen. Der Kampf um die Aktionäre tobt, die White-Tale-Verantwortlichen wollen die grossen Aktionäre wie Citadel, APG oder den norwegischen Staatsfonds auf einer Roadshow in ihr Widerstandslager ziehen.

Doch gleichzeitig versuchen die Fusionsgegner, einen Keil ins Clariant-Lager zu treiben. Sie spekulieren darauf, dass Wehrli sich nicht länger hinter Kottmann verstecken könne. Die Forderung: Er müsse selbst Position beziehen und als Makler der gegensätzlichen Interessen auftreten. «Wenn der grösste Aktionär gegen die Fusion kämpft, ist es die Aufgabe eines VR-Präsidenten, zu vermitteln», sagt ein gewichtiger Clariant-Aktionär.

Dass Abtauchen für Wehrli nicht mehr reicht, ist offensichtlich. Denn wenn der Deal scheitert, ist Kottmann kaum noch zu halten – und der VR-Präsident steht ohnehin in der Verantwortung. Die Frage vieler Aktionäre lautet deshalb: Wo ist Wehrli?

Zweiter Keil im «bayerischen Zirkel»

Und es gibt noch einen zweiten Keil: die Aktionärsgruppe, die Kottmann gern als «bayerischen Zirkel» bezeichnet. Dahinter verbergen sich die ehemaligen Aktionäre der Münchener Süd-Chemie, die Clariant 2012 übernommen hat. Vor dem Aufstocken von White Tale war sie der grösste Einzelaktionär, heute liegt sie mit 13,9 Prozent auf dem zweiten Platz.

Gern stellt Clariant sie als Pool dar, der geschlossen hinter der Fusion steht. «Von verschiedenen Aktionären haben wir bereits Support bekommen, darunter auch die ehemaligen Süd-Chemie-Aktionäre», betonte etwa ein Sprecher nach der Bekanntgabe der Fünf-Prozent-Beteiligung von White Tale Anfang Juli. Doch seit die Amerikaner auf 10 und dann auf 15 Prozent aufgestockt haben, ist es ruhig geworden um die 29-köpfige Aktionärsgruppe und ihre drei Verwaltungsräte.

Vielfältige Interessen

Offiziell hat sie sich dem Merger verpflichtet. Doch die Interessen sind vielfältig: Der ehemalige Süd-Chemie-Chef Günter von Au dürfte eher an Prestige interessiert sein, die Aktionäre Konstantin Winterstein oder Susanne Wamsler vor allem an Aktienrendite. Verwöhnt hat sie Kottmann bislang wenig: In Lokalwährung gerechnet, bleibt die Aktienperformance seiner Amtszeit hinter dem Chemie-Index zurück. Da verspricht White Tale einen höheren Return.

Dieser Artikel erschien in der Oktober-Ausgabe 10/2017 der BILANZ.