Aufgewachsen ist Gabriela Manser im Weiler Gontenbad, 3 km oberhalb von Appenzell, dem Hauptort von Innerrhoden. Ein Haus mit zwei Wohnungen, die Zimmer mit niedrigen Decken und kleinen Fenstern. Oben wohnte die junge Familie, im Erdgeschoss lebten die Grosseltern. Dass man sich mit weniger Wohnfläche zufrieden gab, habe das Wohlsein damals nicht gemindert. Auch nicht, dass sie in einer Unternehmerfamilie zwischen Flaschen und Harassen gross geworden sei. «Das Thema um Quelle, Wasser und Betrieb war immer präsent.» 1999 hat Manser den Familienbetrieb in der dritten Generation vom Vater übernommen. «Wenn ich eine Schule leiten kann, so auch eine Firma», hat sie sich gesagt. Zehn Jahre lang habe der Vater einen Käufer gesucht, der bereit gewesen wäre, das Geschäft weiterzuführen und so auch die Arbeitsplätze zu erhalten. Vergeblich. Jetzt war sie dran.
Die Arbeit als Geschäftsführerin und Verwaltungsratspräsidentin der Mineralquelle Gontenbad AG ist eine Herausforderung, die ihr gefällt. Auch der Arbeitsplatz, ihr kleines Büro, das sie sich in Grossvaters ehemaliger Wohnstube eingerichtet hat. Und sie mag ihren Arbeitsweg. Die halbe Stunde Autofahrt durch die hügelige Landschaft hinauf in den Betrieb nimmt sie als stimmige Pause vor dem hektischen Tagesgeschäft.
Der Kontrast zwischen dem Arbeitsort Gontenbad und ihrer Wohnsituation in St.Gallen könnte nicht grösser sein. «Beides gehört zu mir», sagt die quirlige Appenzellerin. Ihre Kraft holt sie draussen in der Natur.
Vor sechs Jahren ist sie mit ihrem Lebenspartner Thomas Luminati aus einer grossen Wohnung aus der Gründerzeit im Stadtzentrum in eine moderne Überbauung mit Eigentumswohnungen an die Peripherie gezogen. Da wohnen die beiden jetzt in ihrem eigenen Penthouse auf den obersten zwei Etagen.
Manser und Luminati sind zwei eigenständige Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Berufen und vielen Gemeinsamkeiten. Dies widerspiegelt sich auch in ihrem Wohnkonzept. Es ist eine gekonnte Mischung von kühl und warm, von üppig und karg, von sachlich und barock. Und genau dieser Mix stimme für sie beide. Wenn man Näheres zu den Details erfahren möchte, sagt sie: «Frag den Thomas, er kennt sich da besser aus.» Umgekehrt sagt er: «Gabriela weiss genau, was sie will.» Zum Beispiel das rote Samtsofa in der Kuschelecke! Er habe ursprünglich an dunkles Leder gedacht. «Wäre längst nicht so stimmig gewesen», so anerkennend der Einrichtungsfachmann. Sie habe Glück, mit dem Thomas habe sie den professionellen Inneneinrichter im Haus und erst noch einen, der ihre Vorlieben kenne. Parallel zu seiner Tätigkeit als selbstständiger Licht- und Raumkonzepter war Luminati sieben Jahre Agent für die Firma Edra in der Schweiz. Das italienische Unternehmen ist international richtungweisend für zeitgenössisches Design. Verständlich, dass ein Grossteil der Einrichtung hier aus dem Hause Edra ist.
Das Haus auf dem Haus
Vom Bauherrn unverrückbar vorgegeben waren die tragenden Aussenwände mit Fenstern, Lift und Treppenhaus. Zum freien Planen blieb der Innenausbau auf einem Grundriss von 12 x 12 m im dritten Geschoss und 9,5 x 8 m im vierten. Liessen sich ihre Wohnvorstellungen auf dieser Fläche realisieren? Davon hing der Entscheid zum Kauf der «Hülle» ab. Luminati entwickelte ein Innenausbaukonzept inklusive Möblierung. Der Plan ging auf, sie kauften und «bauten» sich ihr Haus auf dem Haus und als Umschwung die pflegeleichte Dachterrasse.
Als stark engagierte Berufstätige entspricht das Penthouse ihren Bedürfnissen. Der Lift bringt sie von der Autoeinstellhalle direkt in die Wohnung. Der Eingangsbereich mit Garderobe und Schuhablage liegt zwischen Lift und Eingangstür. Hier bleiben Mäntel und Schuhe. Das Ausbaukonzept ist konsequent. Für den Boden wählten sie, sowohl unten wie oben, für alle Bereiche dunkle, geölte Eiche. Die Wände sind überall weiss gestrichen. Die Räume mit ihren 3,07 m sind höher als allgemein üblich. «Das gibt mehr Luft», so Luminati. Und sie wirken grösser. Die untere Etage mit den Fenstern rundum ist ohne trennende Zwischenwände offen. Trotzdem grenzen sich die unterschiedlich genutzten Bereiche wie Küche, Essen, Heimkino, Lese- und Kuschelecke klar von einander ab. Die freistehende Treppe zwischen den beiden Etagen bringt zusätzliche Raumstruktur. Leicht und transparent trennt sie mit Durchsicht Wohn- und Essbereich. Im Obergeschoss sind die Schlafzimmer mit den beiden begehbaren Ankleiden und das Bad mit seiner Wanne im verglasten Vorbau.
Die rundum laufende Terrasse gibt eine höchst variable Aussicht preis: Auf der einen Seite sieht man über die Stadt St.Gallen bis zur Klosterkirche im Zentrum; auf der zweiten weit über das Land bis hin zum Bodensee.
Neuartiges Tafelwasser
Gabriela Manser zeigt auf der Dachterrasse die zwei Haken, speziell eingemauert für ihre Hängematte. «Sie werden leider selten gebraucht», sagt sie. Sie trägt es mit Fassung. «Ich habe Ja gesagt zur Unternehmerin und ich unternehme!» Und wie.
Sich mit ihr zu unterhalten, ist mindestens so erfrischend wie «Flauder». Schon drei Jahre nach der Übernahme hat sie 2002 mit dem «Flauder» ein neuartiges Tafelwasser lanciert. «Flauder» ist ein leicht gesüsstes und deshalb Kalorien reduziertes Getränk mit dem Wasser der Quelle und dem Aroma von Holunderblüten und Melissen. Das kostbare Nass kommt mit 9 Grad aus einer Tiefe von gegen 27 m. «Mit dem ‹Flauder› haben wir den Nerv der Zeit getroffen», vermutet Manser. Denn kaum auf dem Markt, sei der «Flauder» in einschlägigen Bars zum Kultgetränk avanciert. Und dies fast ohne Werbebudget. «Wir haben direkt mit dem Produkt geworben und den ‹Flauder› zum Probieren verschenkt.» Das Getränk trage halt ein Stück Heimat in sich. «Die Appenzeller haben das erkannt und uns geholfen», so die Unternehmerin schelmisch. Tatsächlich brachten diese den «Flauder» inklusive einer Lektion in «Appezöller Mondart» als Mitbringsel über die Kantonsgrenze hinaus zu Freunden und Verwandten. Ihr komme der Erfolg vor wie ein «Wonder». Und schon bringt die Geschäftsfrau ihren zweiten der Linie «Blütenquell» ins Gespräch. «Wonder» ist die Komposition mit Ingwer, Rosenblüten und Zitrusfrüchten. Auf der Innenseite der Flaschenetikette das Einhorn und Rosenblüten, die über dem Wasser schweben. Das «Einhorn», ein Tier aus dem Appenzellerland? Die Antwort dazu im Märchen «s’Wonder vom Alpschtee», die Autorin: Gabriela Manser. «Märchen sind Nahrung für die Seele, auch für Erwachsene», sagt sie. «Wonder» sei wahrhaftig erfrischend gegen den Durst. Seine poetische Seite dagegen sei der Durstlöscher fürs Gemüt. Die Appenzellerin mit ernsthaftem Humor ist selbst ein «Wonder», authentisch und erfrischend.
Pädagogin und Naturtalent
Neu zur Familie «Blütenquell» kam 2006 der «Himml», jawohl «Himml». Nur ein Auswärtiger könne das fehlende «e» im Namen vermissen. Hier kenne jeder den Himmlberg mit seinem verschluckten «e». Der Hausberg über Gontenbad ist jetzt auch der Pate des jüngsten Sprosses der «Blütenquell».
Natürlich hätten sich ein paar Leute gewundert, wie man als Kindergärtnerin einen Mineralwasserbetrieb leiten könne. «Die kannten mich nicht!» Und sie können auch nicht wissen, dass Arbeit mit einer Schar Vier- und Fünfjährigen gewisse Parallelen zum Geschäftsleben hat. Da lerne man schnell, wie man die Kleinen abholen müsse, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. «Jetzt hole ich meine Kunden mit guten Produkten und mehrdeutigen Namen ab», so Manser. Dass sie eine Quereinsteigerin ist, stört sie nicht. Ihr Werdegang entspricht nicht der Norm. Kein Uni-Abschluss. Dafür 17 Jahre Berufserfahrung als Pädagogin. Dazu ein Naturtalent in wahrhafter Kommunikation und Praxis in Führungsfunktion als Schulleiterin.
Als Unternehmerin ist sie erfolgreich. Im Betrieb verfünffachte sie innert sieben Jahren den Umsatz und verdoppelte die Anzahl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit dem Prix Veuve Clicquot ist sie die Unternehmerin des Jahres 2005.
Gabriela Manser ist selbstbewusst, eigenständig und anders. Auch als Unternehmerin. Sie schreibt Märchen, sieht die Blumen am Wegrand, spürt im Atmen ihre Kraftquelle für die tägliche Arbeit und kennt ihre Stärken und Schwächen. «Einer weiss nie alles. Gemeinsam sind wir stark!», so ihr Leitsatz. Sie schätzt die Arbeit im Team.
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Mineralquelle Gontenbad AG
Nachfolge
Das seit 1930 tätige Familienunternehmen regelte 1999 die Nachfolge in der dritten Generation mit Gabriela Manser.
Quelle und Anlage
Das Wasser von Gontenbad wird schon 1576 für Bade– und Trinkkuren erwähnt. Seit 1930 ist es als Mineralwasser auf dem Markt. Die Quellfassung liegt 25 m tief unter einer schützenden Lehmschicht. Mit der neuen Füllstrasse werden seit 2004 rund 10000 Liter pro Stunde in Flaschen abgefüllt.
Die Produktegruppen
Blütenquell: Flauder (Holderblüte/Melisse), Wonder (Rosenduft/Ingwer), Himml (Bergamotte/Löwenzahn). Mineralwasser: Appenzell laut, leise und still.
Limonaden: Citro, Orange, Grape, Bergamotte und Himbo.
Produktion 2006:
Rund 14 Mio Flaschen
Beschäftigte: 25
Geschäftsleitung: Gabriela Manser
Adresse
Mineralquelle Gontenbad AG
9108 Gonten
071 794 11 19
www.mineralquelle.ch
info@mineralquelle.ch