«Wir wollten doch gar kein Haus», so Egon Babst, der seit 1994 mit seiner Familie das ehemalige Elternhaus bewohnt. «Wir liebten unsere Maisonette-Wohnung mit ihren hellen, offenen Räumen. Dies ist unsere Welt», so seine Frau Marianne. Ihre Wohnvorlieben passten nicht so recht zum alten Hausstil mit den kleinen Zimmern und trennenden Wänden. Doch irgendwann dachten sie über einen Umzug nach. Immerhin gab der parkartig angelegte Garten mit den alten Bäumen dem Haus eine gewisse Grandezza. Zudem war der Gedanke nicht sehr angenehm, den Familiensitz in fremde Hände zu geben. Sie würden umbauen, das Haus von der Vergangenheit befreien.

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Gipfelstürmer

Die Aufgabe war verlockend, sowohl für Marianne Babst, die ein gestalterisches Gespür für Formen und Farben hat, als auch den Unternehmer Egon, der nichts lieber tut, als kreative Ideen umzusetzen. «Ich bin ein Macher», sagt er von sich. Visionen auf mögliche Machbarkeiten zu prüfen, sich feste Ziele zu setzen und an sie zu glauben, das sei seine Welt. Was er mit dieser positiven Haltung durchsetzen kann, beweist er immer wieder im Geschäft.

Egon Babst ist gemeinsam mit seinem Bruder Kurt Inhaber der 1931 gegründeten Möbelfabrik Wellis AG in Willisau. Für Vater Albert war es selbstverständlich: Seine beiden Söhne würden nach ihren Lehr- und Studienjahren ins elterliche Geschäft eintreten. Kurt Babst kam als Jurist zurück nach Willisau und der acht Jahre jüngere Egon als Möbelschreiner, Holztechniker und Betriebsorganisator mit einem zusätzlichen Studium der Innenarchitektur. 1977 übernahmen sie die Firma, auch für sie war dies zu jener Zeit selbstverständlich.

Nicht selbstverständlich ist, was sie aus jener namenlosen Möbelfabrik machten, die damals als blosse Zulieferfirma für andere produzierte, anonyme Möbel für den Billigmarkt herstellte sowie triste Einrichtungen für Hotels. Man war auf Talfahrt. Mit einem solchen Sortiment sah die Zukunft düster aus. «In unserer Wohnung standen Sessel von Le Corbusier und im Betrieb musste ich Möbelschwarten produzieren, deren Zeit längst abgelaufen war», so Babst, der im Studium seine Affinität zu zeitgenössischem Design entdeckt hatte.

Als wahrhafte Unternehmer entschlossen sich die Gebrüder Babst, das schier Unmögliche zu wagen, ihr Geschäft umzukrempeln und Schritt für Schritt auf hochwertige Möbel umzusteigen. Sie strebten nach oben ins Topsegment des gehobenen Fachhandels, und sie hatten Erfolg. Längst werden bei der Wellis Designprodukte entwickelt, hergestellt und in dreiundzwanzig Länder exportiert.

Lebensräume

Verglichen mit dem Umbau des Elternhauses, war die Neuausrichtung der Firma Schwerstarbeit. Egon und Marianne Babst wussten sehr genau, wie sie wohnen wollten: Schnörkellos, offen und ohne Präsentationsgehabe. Für die Umsetzung ihrer Wohnvorstellungen zogen sie den Innenarchitekten Peter Kern zu. «Ich liebe es, gemeinsam mit starken Kreativen Neues zu entwickeln», so Babst, der es gewohnt ist, mit Designern zusammenzuarbeiten. «In ihren, im ersten Moment oft allzu kühnen Ideen stecken nicht selten ungewohnte Ansätze, die zu raffinierten Lösungen führen.» Einer jener kühnen Vorschläge ist der kreisrunde Treppenturm. Er dominiert jetzt das total verwandelte Haus. Nichts erinnert in seinem Innern an früher. Anders hätte er es hier nicht ausgehalten, so Egon Babst, der einst in diesen Wän-den mit ihren blumigen Tapeten und antiken Möbeln eine glückliche Kindheit verbracht hatte. Marianne mildert diplomatisch ab: «Wir haben das Haus vom Wohnverständnis vergangener Zeiten befreit und durch Lebensräume ersetzt, die für uns so stimmen.»

Sie bauten mit Stahl und Glas und schufen im Erdgeschoss Durchsichten zwischen allen Wohnbereichen bis hinaus zum Garten. Die trennenden Wände verschwanden, statt der kleinen Fenster und schmalen Balkontüren gibt es jetzt raumhohe Verglasungen mit Schiebetüren. Vor dem Wintergarten und dem Wohnraum liegt eine grosszügige Terrasse, die mit ihrer breiten Treppe das Haus mit dem Garten verbindet.

Die Transparenz zeigt sich unmittelbar hinter der Haustüre. Je nach Licht, Wetter und Tageszeit rückt dieser oder jener Wohnbereich in den Vordergrund. Am spektakulärsten ist der haushohe Treppenturm mit der Wendeltreppe aus Stahl, die das Haus in seiner Vertikalen über vier Geschosse öffnet. Wie eine Skulptur scheint die Treppe zu schweben. Im Erdgeschoss ist sie mit raffiniert beleuchtetem Glas ummantelt, durch das kreisrunde Dachfenster fällt das Naturlicht von oben bis hinunter ins Kellergeschoss, die Farbe des Himmels zeigt sich im Umkreis der Treppe im Blau der Wände. Anders der Eindruck quer durchs Erdgeschoss zum Wintergarten und hinaus auf Terrasse und Garten. Hier erfährt man den Dialog mit der Natur. Bei der Sicht hin zum Essplatz neben der offenen Küche nimmt man das warmtonige Holz des Nussbaumes von Boden und Tisch wahr. Vom Essbereich Richtung Wohnraum sieht man rechts die verglaste Rundung der Treppe und im Hintergrund das «Sonnenfenster», das wie ein Bild die Gartenlandschaft rahmt.

Stauräume

«Ich freue mich immer aufs Heimkommen», so Marianne, die in Luzern in der Modebranche tätig ist. Sie berichtet vom Zauber des verschneiten Gartens, vom Mondlicht, das manchmal durchs Dachfenster fällt, von den verschiedenen Jahreszeiten, die man hier ganz nah erlebt. «Der Garten ist der grossartigste Lebensraum», schwärmt Babst, der in den Ferien am liebsten eine Grossstadt erwandert und der, genau wie seine Frau, darauf hinweist, wie gern er immer wieder heim nach Willisau kommt.

Die Idee für die «Container», die wenig Platz beanspruchen, sei hier beim Einrichten entstanden, so Babst. Die Räume täuschen, sie sind kleiner als man denkt. «Wir mussten erkennen: Möbel stehlen kostbaren Lebensraum.» Die unter der Leitung des Hausdesigners Kurt Erni im Team entwickelten «Container» wurden von der Fachwelt weltweit beachtet und erhielten internationale Auszeichnungen. Im Haus der Familie Babst beweisen sie ihre Brauchbarkeit im Wohnalltag. Im Einsatz steht die ganze «Container-Familie»: Drei Trochoide aus Aluminium im Wintergarten, drei Quader in Nussbaum sowie die runde Glasvitrine im Wohnraum, der Schubladenstock in Nussbaum mit Glasmantel im Durchgang. Sie dienen dem Zweck, sind Stauräume für die verschiedensten Dinge und werden als Möbel kaum wahrgenommen. Sie setzen diskrete Akzente.

Erlebnisräume

Die Wellis gestaltet Raum für Lebensfreude, so die Philosophie eines Unternehmens, das zwar Möbel herstellt, jedoch als Thema den Raum in den Vordergrund rückt. Raum pur in den verschiedensten Varianten erfährt man im «foroom.willisau», der jüngsten Schwester der Wellis AG. «Unternehmer zu sein, heisst auch Wagnisse einzugehen», sagt Babst. Sein neustes Wagnis ist das Foroom. Es entstand in der ehemaligen Produktionsstätte mit ihren Lagerhallen voller Gerümpel und Dreck ohne Sinn und Zweck. Über drei Millionen habe man investiert. Im November 2002 wurde das so genannte Kompetenzzentrum für «savoir-vivre» und «savoir-faire» eröffnet. Es ist eine Begegnungsstätte der Kultur, ein Ort für Workshops, Ausstellungen, Konzerte, Festivals, Theater, Ballette. Hier können Generalversammlungen abgehalten werden, Streitgespräche stattfinden, Partys gefeiert und Vorträge gehalten werden sowie Netzwerke entstehen. Geprägt von der alten Fabrikarchitektur sind riesige Hallen verfügbar. Aber auch kleinere Säle, der grosse Raum unter dem Dach, die Vip-Lounge, die Bar, Keller und Katakomben, alles Lokalitäten für die unterschiedlichsten Events. «Ich fühle mich auch hier daheim», so Babst. Er könne nicht trennen zwischen Beruf und Freizeit, zwischen Willisau, Wellis und daheim. All dies sei sein Leben, sei seine Passion. Seine Frau zeigt Verständnis. Als Präsidentin der Rathausbühne, die das Willisauer Kulturleben mit gestaltet, ist sie genauso engagiert. Und ihre Interessen treffen sich daheim in der Familie, im gemeinsamen Wohn- und Designverständnis, in der Freude an Theater, Kunst, Architektur, im Suchen nach ästhetischer Perfektion, im Erleben des Forooms, in der Lebensfreude.