BILANZ: Herr Mayrhuber, fünf Jahre gehört die Swiss nun bereits zur Lufthansa – Ihr Fazit?
Wolfgang Mayrhuber: Ich glaube, es ist für jeden offensichtlich, dass das Modellcharakter hat. Es ist ein voller Erfolg!
Die Geschäftsergebnisse sehen jedenfalls gut aus.
Nicht nur die. Man kann den Erfolg auch daran ablesen, welchen Stellenwert die Swiss heute für die Schweiz hat: ein weltweiter Botschafter. Wir haben ins Produkt investiert, den Kunden steht heute ein besseres und grösseres Angebot zur Verfügung. Der Flughafen und Lieferanten wie Gate Gourmet profitieren ebenfalls von uns. Im Verbund mit der Lufthansa ist Swiss wieder ein solides Unternehmen und zugleich eine Vorzeigefirma der Schweizer Servicekultur geworden.
Sie hatten günstige Bedingungen.
Zugegeben, wir haben im Wirtschaftszyklus genau den Aufschwung erwischt. Aber zweitens hat das Management der Swiss gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sein Schicksal selber in die Hände genommen und den Turnaround geschafft. Und drittens war es einfach ein kluges Konzept.
Wie profitieren Swiss und Lufthansa voneinander?
Unsere Zusammenarbeit ist für mich ein Paradebeispiel für eine lernende Organisation. Nicht einer integriert den anderen und arbeitet nach seiner Hausmethode weiter – beide wollen lernen, suchen nach der Best Practice, jeder kann für den anderen Vorreiter und Inkubator sein.
Zum Beispiel?
Möchte man etwa neue IT-Tools oder Preisstrategien testen, dann macht man das besser in einem Markt, der relativ überschaubar ist und der ein schnelles und klares Feedback liefert. Der kleinere Partner ist wendiger und reaktionsschneller, der grosse wirkt erst einmal etwas entschleunigend, gibt aber Stabilität und Sicherheit. Wir konnten die Vorteile eines kleinen mit denen eines grossen Unternehmens verbinden, ohne die jeweiligen Nachteile auch zu bündeln.
Erinnern Sie sich an die ersten Verhandlungsrunden?
Wahrscheinlich würde ich konkrete Szenen heute verwechseln. Es war ja nicht so, dass man sich quasi zufällig auf der Tanzfläche getroffen hat und sagte, das sieht gut aus, lass uns das mal probieren. Sondern es gab zwischen Lufthansa und der alten Swissair schon lange ein tiefes Grundverständnis zu Fragen der Qualität und Anforderungen der Industrie.
Dann kam das Grounding.
Aber die Kultur ist auf beiden Seiten geblieben und war auch bei der neuen Swiss noch da. Uns wurde damals klar, dass es auf Dauer auch für die grosse Lufthansa ungemütlich werden würde. Mit der Einsicht, dass das fragmentierte Europa eine tragfähige Lösung im globalen Konzert braucht, sind wir auf die Swiss zugegangen. «Wir brauchen euch» – das war sicher ein besseres Entrée als: «Seht ihr nun, dass ihr es alleine nicht schafft!»
Die grosse Lufthansa denkt wirklich so?
Sicher. Das können Sie daran erkennen, dass Lufthansa das Allianzsystem erfunden hat. Mein Vorgänger Jürgen Weber hat die Star Alliance mitgegründet. Warum? Weil wir zwar eine grosse Volkswirtschaft im Rücken haben, aber einen Markt, der an jeder Ecke ausgefranst werden kann. Wir brauchten Partner.
Die Ehe klappte erst im zweiten Anlauf. Woran scheiterte die erste Annäherung zwischen Lufthansa und Swiss?
Mein Eindruck war, dass für Teile des Managements zunächst die BA-Lösung komfortabel und vielversprechend erschien. Wir hatten unsere Überlegungen an der Geschäftslogik und den notwendigen, sehr konkreten Sanierungsschritten festgemacht. Und an dem Risiko, das wir bereit waren zu schultern.
Wie hat es dann doch noch geklappt?
Entscheidend war, dass wir die Tür nicht zugeschlagen haben und Swiss aus den Erkenntnissen des Flirts mit BA Konsequenzen gezogen hat. Wichtig war auch, dass unsere Verhandlungsteams gegenseitiges Vertrauen aufgebaut hatten, das nicht verloren gegangen war. Übrigens lud ich das enttäuschte Lufthansa-Team zum Skifahren übers Wochenende in die Schweiz ein. Das hat den Ehrgeiz für eine zweite Chance geweckt.
Was kommt als Nächstes? Als Kaufobjekte für Sie werden die SAS, die polnische Lot und Alitalia gehandelt.
Ich wundere mich nicht, dass man auf Lufthansa kommt, wenn ein starker Partner gebraucht wird. Denn wir können das attraktivste innereuropäische Angebot liefern, wir liegen zentral an den Transversalen des Europaverkehrs und sind im globalen Geschäft gut positioniert. Unser System mit mehreren Hubs ermöglicht zudem neuen Partnern, Mehrwerte zu heben. Wir haben bewiesen, dass das in der Praxis funktioniert: siehe Star Alliance, Air Dolomiti, Swiss oder andere Partner. Aber auch da gilt: Safety first! Man muss wissen, wie viel das Unternehmen verträgt. Wir schauen uns alles genau an, aber stellen uns nicht in den Schaukasten.
Führen Sie derzeit konkrete Verhandlungen?
Nein.
Czech, Alitalia, SAS, Ungarns Malev – nur einige der vielen kriselnden Airlines in Europa. Was bräuchte es, um die Ausgangslage für die Branche zu verbessern?
Europa ist die Wiege der Mobilität, das gilt für Auto, Bahn und Luftverkehr. Davon leben ganze Volkswirtschaften. Was wir brauchen, ist auch bei den Airlines eine Vision für Europa, ein Ziel, wo wir hinwollen. Beim Flugzeugbauer Airbus hatten wir das. Die Staaten haben sich zusammengesetzt, um für Europa eine Struktur zu schaffen, wie wir die Luftfahrt-Technologie entwickeln konnten. Alleine hätte es kein Land geschafft. Daraus ist ein Anbieter entstanden, der im Weltmarkt wettbewerbsfähig ist.
Eine solche Lösung stellen Sie sich auch für Fluglinien vor?
Europa ist geradezu darauf angewiesen, den Luftverkehr weiterzuentwickeln, wenn man im Weltmarkt weiter mitspielen will. Wir haben riesige Potenziale dafür, das fängt bei einer koordinierten, einheitlichen Flugsicherung an und geht bis zur Entwicklung der Infrastruktur
am Boden.
Sie sind für den Verwaltungsrat der UBS nominiert. Was werden Sie dort einbringen?
Erst mal muss ich ja gewählt werden.
Das sollte möglich sein.
Das Risk Management einer Bank ist sicher nicht meine Kernkompetenz, aber da gibt es ja andere im Verwaltungsrat, die sich damit bestens auskennen. Was ich mitbringen kann, sind der Einblick in Volkswirtschaften auf der Welt, Internationalität in Unternehmen und Verbänden, interkulturelle Perspektiven und Erfahrungen aus meiner Zeit im Aufsichtsrat der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft.
Die Entwicklungsbank Deutschlands.
Dort ging es oft um Themen, wie Geld in Entwicklungsländern fruchtbar eingesetzt werden kann. Letztlich also um Corporate Social Responsibility, was ja auch bei Grossbanken ein wichtiges Thema ist. Ansonsten habe ich altersbedingt eine reichhaltige Lebenserfahrung, Menschenkenntnisse, einen gesunden Menschenverstand und nicht zuletzt die Erfahrung, wie man einen grossen Konzern führt. Und Freude, in der Schweiz zu sein (lacht).
Wer hat Sie ins Spiel gebracht?
Wer die Idee hatte, weiss ich nicht. Angesprochen wird man vom Präsidenten des Verwaltungsrates. (Mayrhubers Handy klingelt: ein lauter, energisch krähender Hahn.)
Ist das Ihr üblicher Klingelton?
Ja. Am meisten Spass macht der am Flughafen am Gepäckband.
Ende 2010 scheiden Sie als Lufthansa-CEO aus. Welche Pläne haben Sie für die Zeit danach? Wollen Sie Profi-Verwaltungsrat werden?
Ich denke an eine Kombination von persönlichen Interessen und professionellen Engagements, wie bei BMW und der Münchener Rück im Aufsichtsrat. Wenn dann noch UBS kommt …
… das findet alles sehr südlich statt, rund um Ihre Heimat Österreich.
Das schadet ja nichts. Also, ich fühle mich fit, habe Ideen, es gibt auch Anfragen. Vor drei Jahren hätte ich wahrscheinlich gesagt, ich könnte mir die Lehre vorstellen, Vorträge an Hochschulen. Davon bin ich derzeit aber ein Stück weg. Ich muss erst mal eine neue Balance finden zwischen der Zeit, die ich für mich und die Familie brauche, und der Zeit, die ich für andere nutzen kann. Das muss ich anschauen. In dieser Frage fahre ich ein Stück auf Sicht.