Vom 24. bis 27. Juni kommt es in Zermatt zum ersten Stelldichein des Forums der «Young Global Leaders» (YGL). 246 Top-Führungskräfte aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur, allesamt höchstens 40 Jahre alt, gehören zum neuen Forum. Ausgewählt wurden sie von einem Berufungskomitee, bestehend aus führenden Medienmanagern, aus über 8000 Kandidatinnen und Kandidaten. Die Plattform ist das WEF-Nachfolgeprogramm der «Global Leaders for Tomorrow» (GLT) und will die Mitglieder stärker in die Pflicht nehmen, als es bisher bei den GLT der Fall war. Die Auserkorenen des illustren Kreises müssen gemäss der Charta unter anderem bereits ihre Bereitschaft bewiesen haben, der Gesellschaft zu dienen.
Das von WEF-Gründer Klaus Schwab proklamierte unbescheidene Ziel der «Young Global Leaders»: Sie sollen in den nächsten Jahren nichts weniger als Lösungsansätze für die drängendsten Probleme dieser Welt präsentieren. Für fünf Jahre verpflichten sie sich, einen Teil ihrer Energie dafür einzusetzen. Jährlich werden 200 neue Persönlichkeiten hinzugewählt. Bis 2009 soll eine Gemeinschaft von 1111 jungen Topshots entstehen, die die so genannte «Initiative 2020» entwickelt: Eine Vision, wie die Welt in 15 Jahren aussehen soll.
Unternehmen in der Verantwortung
In Zermatt mit dabei, wenn das hehre Ziel in Angriff genommen wird, ist Georges Kern, CEO des Schaffhauser Luxusuhrenunternehmens IWC. Die grössten globalen Herausforderungen sieht der 40-Jährige aus der Optik des Managers: «Die Welt ist brutaler geworden. Es herrscht heute auch in der Schweiz eine zunehmende Verunsicherung. Das Schöne, Vorhersehbare gibt es nicht mehr», sagt Kern. Bei IWC will er deshalb ein Umfeld schaffen, in dem sich die Mitarbeiter wohl fühlen. Für Kern bedeutet die Verpflichtung der Wirtschaft gegenüber der Gesellschaft, sich über den Geschäftserfolg hinaus zu engagieren.
Bei IWC heisst das konkret, wenn möglich Aufträge an lokale und regionale Firmen zu vergeben, auch wenn diese teurer sind, das Sponsoring des FC Schaffhausen, obwohl Fussball nicht unbedingt zur Edeluhrenmarke passt, oder das IWC-Engagement bei der Neuen Kunsthalle Schaffhausen. Wie in den USA üblich, müssten die europäischen Unternehmen, aber auch Einzelpersonen vermehrt Verantwortung übernehmen, fordert Kern. «Die HSG in St. Gallen zum Beispiel könnte von den Ehemaligen zumindest mitfinanziert werden», schlägt der HSG-Ökonom vor. Obwohl er sich auch einen persönlichen Benefit von den YGL verspricht («solche Foren dienen auch dem Networking der Beteiligten»), glaubt der deutsch-französische Doppelbürger an die positive Ausstrahlung. «Wir können Impulse geben und Prioritäten setzen. Es muss eine Wirkung erzielen, sonst bringt es nichts.»
Das sieht auch Domenico Scala so. Der 40-jährige CFO bei Syngenta, dem weltgrössten Agro-Konzern mit Sitz in Basel, ist ein weiterer «Young Global Leader» mit Wirkungskreis Schweiz. «Die Teilnehmer können auf unterschiedlichste Weise Einfluss nehmen und über ihre Tätigkeit Dinge bewegen. Doch es ist vermessen zu glauben, dass ein Event oder ein Forum etwas bewirken kann. Erst deren Zusammenspiel kann in der Summe etwas ausrichten.»
Konkrete persönliche Hilfe
Sich selbst sieht Scala als Topmanager in der Pflicht, dafürzusorgen, dass sich seine Mitarbeiter weiterentwickeln. Dazu gehörten sowohl Ausbildung und Coaching als auch die formale Ausbildung. «Ich sehe mich aber auch als Ehemann, Vater, Bürger und Konsument in der Pflicht gegenüber der Gesellschaft», so Scala. Zur Verantwortung seiner nicht selten in der Kritik stehenden Unternehmung gehörten «die breit angelegten Programme, in denen wir einen intensiven Austausch mit unseren Kritikern pflegen». Am ersten Meeting der YGL in Zermatt will Scala seine Schwerpunkte auf die Themen Ausbildung, Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum setzen.
Neben der Basler Ökonomin und Professorin Beatrice Weder di Mauro, bekannt durch ihren Sitz im Deutschen Rat der Wirtschaftsweisen, ist Christian Mummenthaler der vierte Schweizer, der zum hochkarätigen Gremium gehört. Mummenthaler ist erst 36-jährig und als Chief Risk Officer bereits Mitglied der Konzernleitung der Swiss Re. Er muss im Konzern Risiken identifizieren, quantifizieren und gegenseitige Abhängigkeiten abschätzen. «Meine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft besteht hauptsächlich darin, die Risiken richtig zu bewerten, genügend Kapital zu allozieren, damit im Falle eines Schadens genügend Kapital zur Verfügung steht, um den Schaden wenigstens finanziell zu reduzieren», erklärt Mummenthaler.
Konkrete persönliche Hilfe vor Ort leistete der promovierte Biophysiker vor einigen Jahren in Senegal. Nach dem Besuch eines Dorfes, in dem Genfer Schüler aus eigener Kraft ein Entwicklungsprojekt gestartet hatten, beschloss er, selbst etwas zu tun. Das Dorf hatte eine kleine Krankenstation, aber der Staat konnte kein Personal bezahlen. Also lancierte der Topmanager ein kleines Projekt, um die Stelle einer Krankenschwester zu finanzieren. Sie betreute daraufhin über Jahre dieses Dorf und zwölf weitere in der Umgebung.
In Zermatt am ersten YGL-Meeting wird Mummenthaler nicht mit von der Partie sein, was er persönlich bedauert. Ein wichtiges Board-Meeting in Hongkong im gleichen Zeitraum hat Vorrang.
Veranstaltungshinweis: Young Global Leaders
Zu den ersten 246 Young Global Leaders aus 68 Nationen gehören neben Topmanagern wie Larry Page (Google) oder Isabelle Guichot (Van Cleef) junge Politiker. Zum Beispiel Hiroshi Nakada, der Bürgermeister von Yokohama in Japan, und Mikhail Saaskasvili, der Präsident Georgiens. Auch Kulturschaffende, von denen man sich ganz andere Lösungen verspricht, fehlen nicht, etwa die brasilianische Sängerin Daniela Mercury.
Auch blaues Blut gehört dazu. So sind verschiedene Prinzen und Prinzessinnen mit von der Partie, wie etwa Victoria von Schweden oder Willem-Alexander von Holland. Am ersten Meeting vom 24. bis 27. Juni in Zermatt geht es darum, die acht Kernthemen für die Initiative 2020 zu bestimmen und konkrete Arbeitsgruppen zu bilden. (miz)