Die Schweiz ist bezüglich der Zahlungsmoral kein Musterschüler mehr. 30 Tage Zeit haben die Kunden in der Regel, ihre Rechnungen zu bezahlen. Eine Frist, die von immer mehr Zahlern ignoriert wird. Im Durchschnitt erfolgen die Zahlungen erst nach 45 Tagen. Während der Verzug vor einem Jahr noch 12,6 Tage betrug, müssen Lieferanten heute mit 15 Tagen rechnen (siehe Grafik).

Nur gerade die Hälfte aller Rechnungen wird fristgerecht beglichen, wie eine regelmässig erhobene Statistik der im Bereich Kreditentscheid und Forderungsmanagement tätigen Intrum Justitia zeigt. «Die Situation hat sich im Verlaufe dieses Jahres massiv verschlechtert», sagt Stefan Schär von Intrum Justitia. Eine Verbesserung ist nicht in Sicht. Denn obwohl die Unternehmen selber die Lage besser einschätzen, zeigen die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen eine weitere Verschlechterung der Zahlungsmoral.

Für die Wirtschaft hat das fatale Folgen. Das Volumen zu spät bezahlter Rechnungen wird auf 10 Mrd Fr. errechnet. Doch nicht nur die ausstehenden Beträge alleine schlagen zu Buche, sondern auch die damit verbundenen Kosten. Die Debitorenverluste werden von den Unternehmen auf 1,6 Umsatzprozente beziffert; hinzu kommen weitere Mahn- und Administrationskosten, sodass sich der Verlust auf rund 3% des Umsatzes belaufen kann. Die Spirale dreht sich weiter nach unten und bringt die Unternehmen selber in Schwierigkeiten. «Zwei von drei Unternehmen erleiden selber Liquiditätsengpässe», sagt Schär. Vor einem Jahr war erst jedes dritte Unternehmen mit dieser unangenehmen Situation konfrontiert.

Aus der Sicht des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV) liegt das Problem allerdings nicht nur bei den säumigen Zahlern, sondern teilweise auch bei den Unternehmen selber. Indem sie oftmals die Rechnungen zu spät stellen, tritt eine zusätzliche Verzögerung bei der Bezahlung ein. «Die Unternehmen verlieren so doppelt Geld», sagt Peter Neuhaus, SGV-Mitarbeiter und Geschäftsführer der Stiftung KMU Schweiz. Betroffen seien Kleinstunternehmen, die vielfach mit den Mechanismen der Selbstständigkeit wenig vertraut seien.

Um der Situation Herr zu werden, müssen radikalere Mittel ergriffen werden. Zunächst einmal steht gemäss Schär die Bonitätsprüfung der Kunden im Vordergrund. Dies im Zusammenspiel mit einer klaren Kreditpolitik. Mahnungen und Verzugszinsen sollen konsequent umgesetzt werden. Doch viele Unternehmen wagen nicht, allzu heftig gegen säumige Zahler vorzugehen, weiss Neuhaus. Sie befürchten Kunden zu verlieren.

Die Unternehmen selber haben jedoch ihre eigenen Mittel und Wege, mit schlechten Zahlern umzugehen. Und sie scheinen den Kunden mittlerweile etwas genauer auf die Finger zu schauen als auch schon. Bei Alcatel Schweiz werden Bonitätsprüfungen durchgeführt, wie Alcatel-Sprecher Alex Etter erläutert. Im schlimmsten Fall würden von den Kunden Garantien verlangt. Falls die Rechnungen nicht bezahlt werden und Risikopositionen bestünden, erfolge nach Mahnung ein Lieferstopp, teilt Ingrid Schmid, Mediensprecherin des Milchverarbeitungskonzerns Emmi, mit. Auch der Telekommunikationskonzern Swisscom fackelt nicht lange. Nach Ablauf der Zahlungsfrist wird eine Mahnung verschickt, erläutert Swisscom-Sprecherin Pia Colombo. Wird nicht innert weniger Tage bezahlt, sperrt Swisscom den Anschluss. Diese Sperrung wiederum wird mit 40 Fr. belastet.

Doch bevor gar nichts mehr läuft, ist Handeln angesagt. «Sieht sich eine Privatperson oder ein Unternehmen mit einem Liquiditätsengpass konfrontiert, empfiehlt es sich, die Bank darüber frühzeitig in Kenntnis zu setzen, damit gemeinsam nach Lösungen gesucht werden kann», heisst es bei der Zürcher Kantonalbank.

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