Was sie wollen, diese Samwer-Brüder, das weiss Frontal 21 genau. Sie wollen, dass die ganze Welt online shoppt. Sie wollen 150’000 Mitarbeiter und so gross werden wie Google und Facebook. In einem Punkt ähneln die Samwers Facebook definitiv: Sie sind schon irgendwie ein bisschen suspekt, aber man kommt im Internet kaum an ihnen vorbei.

Egal ob Schuhe bei Zalando, ein Schnäppchen bei Ebay oder ein Gutschein bei Groupon: Bei fast jeder grossen Internetmarke haben die Brüder ihre Finger im Spiel oder zumindest zeitweise mal mitgemischt.

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Und irgendwie sind sie hip, die einzigen wirklich erfolgreichen deutschen Internetgründer. Kein Medium, das zurzeit nicht über das neue Buch berichtet, das die Erfolgsgeschichte der Brüder analysiert. Kaum ein Tag, an dem nicht über den anstehenden Börsengang der Samwer-Firma Rocket Internet spekuliert wird.

Sehnsucht nach dem deutschen Mark Zuckerberg

Vielleicht spiegelt dieser Samwer-Hype eine Sehnsucht wider, nach einem deutschen Steve Jobs oder Mark Zuckerberg. Dass die Brüder jedoch keine Gründer von diesem Format sind, dass sie es mit den kreativen Köpfen am Silicon Valley nicht aufnehmen können – daran möchte die Frontal-21-Folge «Die grosse Samwer Show – Die Milliardengeschäfte der Zalando-Boys» keinen Zweifel lassen.

Denn die Samwers sind vor allem eins: Dreiste Kopierer, die mit ihrem Internet-Imperium bei erfolgreichen Start-ups abkupfern, die Konkurrenten mit miesen Tricks vom Markt verjagen wollen und die noch dazu den Untergang des gesamten Einzelhandels verantworten. So zumindest die These der ZDF-Produktion.

Da ist Ehssan Dariani, geprellter Studi-VZ-Gründer. Er moniert, wie Oliver Samwer und Verlagsmogul Stefan von Holtzbrinck ihn über den Tisch gezogen haben. Da ist Can Altineller, der Firmengründer aus Istanbul, dessen Start-Up für Online-Kunsthandel die Brüder zerstört haben, indem sie sich falsche Händlerprofile zulegten – nachweisen kann Altineller nicht, dass die Samwers dahintersteckten, nur vermuten.

Da ist Jason Calacanis, der amerikanische Investor, der vor den Samwers warnt. Er forderte alle auf, die Samwers auszubuhen. Noch drastischer formulierte es Neil Blumenthal, ein US-Firmengründer: «Ich hoffe, dass sie kaputt gehen.»

Wegbegleiter und Konkurrenten berichten

Und ausserdem spricht Oliver Samwer selbst, der für die Produktion sein erstes TV-Interview gab. Er sagt Sätze wie: «Es gibt eben mehr Ideen als Menschen.» Und er erklärt: «Ein Start-up-Unternehmen schaut als erstes, dass es erfolgreich am Markt ist.»

Er erklärt gerne und viel, spricht langsam und bedacht, mit hoher Stimme. Allzu viel von seinem Erfolgsgeheimnis gibt der erfolgreichste der drei Samwer-Brüder in den kurzen Gesprächssequenzen allerdings nicht preis.

Darum sollen Besuche bei seinen Wegbegleitern, Konkurrenten und auch in der Berliner Firmenzentrale ein Bild vermitteln. Egal wo die Kamera hinblickt, die Brüder kommen nicht gut weg: Beim Brainstorming in Berlin «gibt man sich für die Kamera innovativ und kreativ», weiss der Sprecher. Impliziert: Man ist es aber nicht, denn die neueste Internetfirma gibt es so ähnlich schon in den USA.

Jeder Mitarbeiter wird bei Internet Rocket persönlich begrüsst – laut Sprecher nur Show. Überhaupt avanciert der Sprecher in dieser Produktion eher zum Kommentator. Weitere Kostproben:

«Das perfide: So ein Ideenklau ist völlig legal.»
«San Francisco: In Kalifornien sitzen die wahren Internetgiganten.»
«Oliver Samwer. Seine digitale Revolution made in Germany produziert weltweit Verlierer. Er und seine Brüder aber gewinnen immer.»

Oliver Samwer steht allein im Mittelpunkt 

Oliver Samwer. Über seinen Charme, seinen Ehrgeiz und seine cholerischen Wutausbrüche lassen sich die Interviewpartner aus. Seine Brüder Marc und Alexander tauchen allenfalls in den Comic-Animationen auf, mit denen die Kindheit und die ersten Gehversuche der Unternehmer protokolliert werden.

Von einer Produktion mit den «Samwer-Boys» im Titel erwartet man eigentlich zumindest ein paar Informationen darüber, wie die Brüder zusammenarbeiten und welche Rolle Marc und Alexander übernehmen. Doch in der Produktion ist der mittlere der drei Brüder alleiniger Protagonist.

Die Krise des Einzelhandels 

Der Höhepunkt der Sendung ist ein Besuch in Hamburg: Dort filmt das ZDF-Team die Boutique-Besitzerin Maren von Holst, an dem Tag, an dem sie ihren Laden nach sechs Jahren schliessen muss, weil er nicht mehr profitabel ist.

Ein Klavier klimpert traurig im Hintergrund, von Holst kommen die Tränen. Wer ist Schuld? Natürlich Zalando, weil die Firma Schuhe und Kleidung versandkostenfrei verschickt und immer mehr Kunden online bestellen.

Dass der Einzelhandel und Unternehmerinnen wie Maren von Holst Opfer einer gesamten Entwicklung hin zu immer mehr Online-Bestellungen sind, wird ignoriert – Buhmann ist hier allein das Samwer-Imperium.

Die Einseitigkeit ist bedauernswert

Diese Einseitigkeit ist schade. Denn die Produktion deckt eigentlich viele interessante Facetten über das Samwer-Imperium auf: Spartricks in Steueroasen, gefälschtes Sozialengagement in Afrika, fehlende Abschlussberichte der hoch defizitären Tochterfirmen.

Und es ist nicht etwa so, als könnte der Zuschauer Sympathie empfinden für Oliver Samwer, der mit gelangweiltem Lächeln erklärt, dass ein Start-up erst nach sieben bis zehn Jahren erfolgreich sein kann. Der in Paris beim Konsumgüterforum die Top-Manager belehrt, dass Geschäfte «Post-Jesus» seien.

Doch hier wird so unverhohlen absichtlich und bemüht das Bild der vom Ehrgeiz getriebenen, rücksichtslosen Geschäftsmänner gezeichnet, dass man sich unweigerlich dagegen wehrt. Ein bisschen möchte der Zuschauer eben auch selbst zeichnen können.

Frontal 21, «Die grosse Samwer-Show», Di, 26.8., 21 Uhr, ZDF

Dieser Artikel erschien zuerst in unser Schwester-Publikation «Die Welt».