«Der Einstieg in den Beauty Markt ist für uns der nächste logische Schritt»: Mit diesen Worten erklärte Zalando-Co-Chef Rubin Ritter den nächsten Expansionsschritt von Europas grössten Online-Modehändler. Ab Frühjahr 2018 sollen Haar- und Hautpflegeprodukte sowie Parfüms zunächst in Deutschland verkauft werden. Verläuft das erfolgreich, soll das Geschäft auf weitere Länder ausgerollt werden.
Für Experten ist klar: Auch die Schweiz dürfte dann ins Visier rücken. «Die Schweiz ist ein attraktiver Markt für Zalando, es ist hierzulande sehr bekannt und verzeichnet hohe Wachstumsraten», sagt Gregor Westerhold von Carpathia. Laut der E-Commerce-Beratungsfirma setzte Zalando 2016 in der Schweiz 534 Millionen Franken um, 109 Millionen mehr als noch im Vorjahr. Nach Digitec ist der Onlineriese damit der zweitgrösste Onlineshop der Schweiz.
Grosses Umsatzpotenzial
Der Einstieg in den milliardenschweren Markt für Schönheitsprodukte bietet Zalando enorme Chancen. Denn noch ist der Onlinehandel im Kosmetikbereich klein, das Umsatzpotenzial aber riesig: Das Marktvolumen für den gesamten Beauty-Markt beläuft sich in Europa auf 86 Milliarden Euro.
Auch in der Schweiz ist für Zalando Geld zu verdienen: Nach Angaben des Schweizerischen Kosmetik- und Waschmittelverbandes SKW wurden im letzten Jahr 355 Millionen Franken allein für Schminke ausgegeben. Der Umsatz im gesamten Schweizer Kosmetikmarkt belief sich auf über zwei Milliarden Franken. Einkäufe über das Internet haben dabei in den letzten Jahren zugenommen. Eine Studie der Universität St.Gallen zeigt: Immer mehr Onlinekäufe entfallen auf Kosmetika und Parfüm. Zwischen 2013 bis 2015 stieg der Anteil von 1,9 auf 10,8 Prozent.
«Online-Beautymarkt ist unterentwickelt»
Hinzu kommt, dass es keine dominante Marke gibt, schon gar nicht online. «Im Beautybereich in der Schweiz gibt es keinen richtigen Player, der substantiell in den Markt investiert», sagt Patrick Kessler, Präsident des Verbandes des Schweizerischen Versandhandels. Ganz im Gegenteil: «Der Online-Beautymarkt ist hierzulande unterentwickelt. Die Firmen verkaufen ihre Produkte überwiegend in ihren Läden.»
Entsprechend gute Chancen hätte Zalando in der Schweiz, in dem Bereich Marktanteile zu gewinnen. Allerdings ist der Markt für Schönheitsprodukte ein anderer als für Mode. Studien zeigen: Parfüm und Kosmetika werden von Konsumenten nach wie vor am liebsten in einem stationären Laden gekauft.
«Das Problem beim Onlinekauf von Beautyprodukten ist, dass der Kunde nicht weiss, wie es auf der Haut wirkt, man kann schliesslich nicht seinen Hauttyp mit einsenden», sagt Gregor Westerhold von Carpathia.
Strenge Vorschriften der Kosmetikfirmen
Zudem leiden die User Usability und Experience beim Onlineeinkauf unter den strengen Vorschriften der Kosmetikfirmen. «Jede Marke hat ihr eigenes Branding. Onlinehändler müssen die strengen Vorschriften für die Markenpräsentation entsprechend umsetzen, wodurch Sie bei jeder Marke ein anderes Design haben. Manchmal haben sie sogar für jede Marke einen eigenen Shop, wodurch der Kunde jede Marke einzeln bestellen und bezahlen muss und separat geschickt bekommt. Für den Kunden ist das nicht sehr attraktiv.»
Sollte Zalando tatsächlich den Schweizer Mark anvisieren, müssen sich die hiesigen Firmen wohl warm anziehen. «Es wird das gleiche passieren, wie im Textilbereich auch», sagt Kessler. «Wenn Zalando den Markt in Angriff nimmt, wird das eine grosse Bewegung auslösen und die Stationären werden an Gewicht verlieren.»
Kooperation mit Zalando wäre sinnvoll
Das muss per se nicht schlecht sein. «Für die Schweizer Kosmetikhersteller und -händler können sich daraus Chancen ergeben, eben weil sie bisher online nicht sonderlich aktiv sind», so E-Commerce-Experte Westerhold. «Zalando hat den Schweizern gezeigt, wie sie im Internet Mode kaufen können. Ähnlich würde es die Zielgruppe auf den Onlineeinkauf von Kosmetikartikeln vorbereiten und für andere den Weg ebnen.»
Gerade den Firmen im günstigeren Preissegment und im Bereich der dekorativen Kosmetik empfiehlt Westerhold, eine Kooperation mit Zalando ins Auge zu fassen – um von der hohen Reichweite zu profitieren und Kunden an die eigenen Produkte und Marken heranzuführen, um so einen Erstkauf zu generieren. «Gefällt dann das Produkt ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass beim nächsten Mal direkt beim Hersteller und nicht über Zalando gekauft wird.»
Zalando ist ein Techunternehmen
Doch der Experte warnt auch – vor allem weil Zalando eben kein klassischer Händler sondern ein Techunternehmen ist. «Wenn Zalando jetzt den Beautymarkt erobert, könnte es bereits ein Gerät in petto haben, dass der Kunde bestellen kann und mit dem es seinen Hauttyp analysieren kann.» Damit hätte der Onlinehändler einen extremen Vorteil gegenüber den mehrheitlich weniger bis gar nicht technologierorientierten Kosmetikherstellern und –händlern, so Westerhold.
«Zalando kennt dann eben nicht nur die individuelle Kleidergrösse und Stilrichtung, sondern auch den Hauttyp und kann persönlich zugeschnittene Angebote machen. Dadurch würde es nicht nur über eine gute Präsenz verfügen, sondern zugleich auch einen guten Beratungsservice bieten können.»
Die Digital Shapers der Schweiz sehen Sie in der Bildergalerie unten: