Mode hat eine ähnliche Haltbarkeit wie Joghurt.» Das predigt Amancio Ortega, Eigentümer und Präsident des spanischen Textilunternehmens Industrias de Diseño Textil (Inditex). Zum Konzern gehört unter anderem die erfolgreiche Ladenkette Zara.

Ortega schafft es, innerhalb von 15 Tagen neue Modetrends in seinen Läden zu haben. Der heimische Wettbewerber Mango, der im gleichen Segment junger Mode wie Zara agiert, braucht dafür rund vier Wochen, Benetton ebenfalls, Gap noch länger, und auch die schwedische Kette Hennes & Mauritz (H&M) ist nicht so schnell.

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Vor allem durch sein Tempo hat es der öffentlichkeitsscheue Ortega, in Spanien auch als «der unsichtbare Präsident» bekannt, mit Inditex zum drittgrössten Textilkonzern der Welt gebracht. Mehr Umsatz machen nur das US-Label Gap und H&M. Beide sind lange nicht so international positioniert wie die Spanier: Gap ist vor allem in den USA gross, die Schweden kommen auf 900 Läden in rund 20 Ländern. Inditex dagegen ist mit 1700 Läden in rund 47 Ländern präsent.

In jedem neuen Markt, in den Zara eintritt, schreckt der nationale Handel erst einmal auf. Die Kette verfügt inzwischen über 600 Shops. Sie hat aus der Mode ein Tagesgeschäft gemacht. Saisons gibt es für die 250 Zara-Designer nicht mehr. Sie bringen im 24-Stunden-Rhythmus neue Trends auf den Markt.

Ortega hat über die Jahre noch sechs weitere Modelinien entwickelt und das Teenie-Label Stradivarius übernommen. Alle werden mit einem ähnlichen Konzept geführt. Es gibt die etwas hochwertigere Linie Massimo Dutti, das Label Kiddy’s Class für Kinder, Bershka für Teenies, die Wäschelinie Oysho, Zara Home für Haushaltswaren und die Urban-Fashion-Kette Pull and Bear. Einige davon sollen jetzt auch die Schweiz erobern.

Bershka, Massimo Dutti und Zara sind bereits seit einem Jahr mit je zwei Läden in Genf vertreten. In Lugano gibt es einen Massimo-Dutti-Laden. Zara wird noch im Dezember einen 1600 Quadratmeter-Laden im Zürcher Glattzentrum eröffnen. Fürs kommende Jahr sind weitere Zara-Läden in Zürich und Basel geplant. Wie Ortega auf der Analystenkonferenz im März dieses Jahres verkündete, wurde hier zu Lande 2002 – wie auch in Deutschland, Italien und in Tschechien – bereits der Break-even erreicht.

Die Schweiz ist für Ortega, der inzwischen 35 000 Personen beschäftigt, nicht nur als Modestandort wichtig – über Freiburg werden auch alle internationalen Finanzgeschäfte von Zara abgewickelt. Chef der hausinternen Bank Zara Financiën ist Jan Vyskocil. Ginge es nach ihm, würde die Expansion der verschiedenen Linien noch zügiger voranschreiten: «Aber es ist schwierig, die richtigen Immobilien zu finden.»

Vor allem bei der Massenmarke Zara ist es wichtig, dass der Laden für sich steht, dass er zum Kaufen einlädt. Denn Ortega will auch in der Schweiz keinen Rappen für Werbeplakate oder TV-Spots ausgeben.

Der internationale Erfolg der Zara-Kette, die 75 Prozent des Konzernumsatzes erwirtschaftet, ist neben Ortegas Kreativität vor allem dem Verwaltungsratsvorsitzenden José María Castellano zu verdanken.

José María Castellano
«Flexibilität macht uns erfolgreich»



BILANZ: Warum hat Inditex trotz schlechtem Weltwirtschaftsklima 2003 gute Ergebnisse hingelegt?


José María Castellano: Unser Geschäftsmodell ist flexibler als dasjenige anderer. Wenn wir sparen müssen, können wir das schneller als andere, weil wir die Produktion und die Auslieferung selbst in den Händen haben.


Kann sich Inditex in Zukunft leisten, höhere Produktionskosten für schnelle Mode in Kauf zu nehmen?


Für uns ist die Schnelligkeit wichtiger: Sie macht unseren Erfolg aus. Zudem ermöglicht sie uns, die Lagerkosten niedrig zu halten, die bei anderen, die in Asien produzieren, vielleicht höher sind.


Jetzt kommt Zara auch nach Zürich. Welche Pläne haben Sie für den Rest der Schweiz?


Mit unseren Formaten Massimo Dutti, Bershka und Zara sind wir mit jeweils zwei Läden in Genf vertreten. Hier konnten wir am schnellsten Immobilien erwerben. Massimo Dutti hat zudem einen Laden in Lugano. In Zürich wollen wir 2004 ein weiteres Zara-Geschäft eröffnen. Gleiches planen wir für Basel.


Der Schweizer Konsument verfügt über eine hohe Kaufkraft. Wird sich das in den Preisen widerspiegeln?


Wir legen die Preise für jedes Land individuell fest. Tatsächlich ist Zara in Spanien billiger. Es bleibt jedoch unser Ziel, im Markt ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis anzubieten.


Befürchten Sie nicht, dass der Erfolg von Zara bald zu Ende sein könnte – die schnelle Mode wird doch irgendwann aus der Mode kommen?


Zara entwickelt sich mit der Gesellschaft. Wir werden uns anpassen. Wir haben die Flexibilität, sie macht uns so erfolgreich.

Castellano hat seit 1984 die Expansion von Zara entscheidend mit vorangetrieben und wird als Nachfolger des 67-jährigen Ortega an der Spitze des börsennotierten Unternehmens gehandelt. Er ist auch Vordenker des «just in time»-Modells, das Zara gross gemacht hat: Produziert wird nur, was heute angesagt ist. Die Shopmanager melden der Zentrale mehrmals am Tag, welche Artikel das sind.

Wichtig für die Umsetzung von «just in time» ist die Nähe zu den wichtigsten Märkten – im Fall von Inditex ganz klar Europa. In Spanien befinden sich immer noch 60 Prozent aller Geschäfte, werden 46 Prozent der Umsätze gemacht. Deshalb wurde hier am Firmenstandort im galizischen Örtchen Arteixo für 18 Millionen Euro eine Produktions- und Logistikstätte gebaut, die ihresgleichen sucht. Das 30 000 Quadratmeter grosse Firmengelände wird bewacht wie eine Militär-basis: nicht zuletzt, weil Ortega zu den reichsten Männern der Welt gehört (Rang 18 in der «Forbes»-Reichstenliste) und ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis hat.

Anders als bei H&M oder Mango gehört Inditex nicht nur die Hälfte der Produktion. 75 Prozent der Waren werden in Europa hergestellt – üblich in der Branche ist, dass man billig in Asien einkauft, um gute Margen herauszuschlagen.

Inditex kam 2003 auf eine Umsatzrendite von elf Prozent. Im ersten Halbjahr 2003 stieg der Umsatz um 19 Prozent auf 1,98 Milliarden Euro, der Gewinn betrug 146 Millionen. Die Analysten sind dennoch nicht zufrieden: Sie haben dem Unternehmen eine weitaus höhere Wachstumsrate zugetraut und befürchten nun, dass den Spaniern die Luft ausgeht und sie ihr Ziel, bis 2006 den Umsatz um drei Milliarden Euro zu steigern, nicht einhalten können. «Ich sehe derzeit kurzfristig keinen neuen Wachstumsmotor», sagt Javier Mata vom spanischen Broker Banesto Bolsa. Viele Kollegen hätten deswegen die Aktie leicht zurückgestuft.

Das Augenmerk liegt nun auf Zara Home, der im August in Spanien und Portugal eingeführten Haushaltwarenlinie. 14 Läden gibt es bereits, bis Ende des Jahres sollen 10 weitere Shops hinzukommen. Das Konzept scheint ähnlich Erfolg versprechend wie bei der Kleidung.

Eine Bauchlandung fabrizierte Ortega mit Oysho. In Spanien muss die Wäschelinie mit der Kette Women’ Secret von der spanischen Textilgruppe Cortefiel konkurrieren. Die Tatsache, dass 2003 kein Geschäft eröffnet wurde, spricht für die Schwierigkeiten der Linie, die seit 2001 auf dem Markt ist, aber immer noch rote Zahlen schreibt. Da das Segment nicht so schnelllebig ist wie bei Zara, kann Inditex den Erfolg von Women’ Secret in Spanien nicht mit Schnelligkeit aushebeln.

Dass Ortega das einzige Verlustgeschäft noch nicht aufgab, hat vielleicht auch damit zu tun, dass seine Karriere als Textilmogul mit Nachtwäsche begann. Es heisst, dass seine erste Kreation ein Bademantel war, später folgte die Kopie eines teuren Negligé.