Zehn Jahre ist es her, seit der deutsche Hard-Discounter Aldi die Schweiz, oder die Suisse, wie er sie nobel in seinem Namen führt, zu besiedeln begann. Mit vier Standorten startete Aldi am 27. Oktober 2005, öffnete eine trikantonale Flügelzange in Weinfelden und Amriswil TG, in Altenrhein SG und in Gebenstorf AG.

Der Schweizer Aldi-Einzug bot einiges an Surprise-Elementen. Zum Beispiel an der Wambisterstrasse im Quartier Geelig-West in Gebenstorf. Aldi Suisse entwickelte dort einen Standort, den die Schweizer Detailhändler nicht auf ihrem Radar hatten. Eine Taktik, welche die Deutschen im ganzen Lande anwandten. Als Aldi in Gebenstorf seine Verkaufsmaschine aufdrehte, kamen die andern nach. Zuerst Landi, dann Coop.

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Innovative Standorte

Die Deutschen zeigten den Schweizern, was an peripheren Flecken in ihrem Land möglich war. «Der Neuling musste bei der Standortsuche innovativ sein», sagt der deutsche Handelsexperte und Hard-Discount-Spezialist Matthias Queck, der Aldi seit 20 Jahren analysiert. «Weil die Platzhirsche wohl ihre Hand auf angestammte Standorte hielten und so quasi Land bunkerten, musste der Neuling Neuland suchen.»

Fruchtbares Neuland. In Gebenstorf kam Ende 2014, was kommen musste: Auch Migros und Denner installierten sich an der Wambisterstrasse. Aldi hatte eine Lawine in Gang gesetzt, welche der CVP-Mann Senn nun aufhalten muss: «Wir waren selber überrascht von der Entwicklung. Nach Aldi, Landi, Coop, Migros und Denner wollte ein weiterer Detailhändler hierhin. Jetzt ziehen wir einen Schlussstrich.» Man will keine weiteren Händler und keinen zusätzlichen Verkehr mehr in einem Quartier, das Senn an ein «Paralleldorf in Barackenform» erinnert.

Aldi an Orten, wo vorher keiner handelte – das war die eine Überraschung. Eine weitere bot sich bei den Preisen. Ja, Aldi Suisse hatte seine Aufreger. 99 Rappen für ein Kilo Bananen, halb so viel wie die Platzhirsche verlangten. Ein «Weggli» unter 50 Rappen, was noch nie jemand schaffte in der Schweiz – Elektroschocks für die Marktführer.

Nicht viel günstiger

In der Summe aber war Aldi nicht der befürchtete Preis-Rambo. Das dämmerte auch dem -«K-Tipp», als er die Invasoren am 22. März 2006 erstmals in seinen regelmässigen Preisvergleich integrierte: «Von Aldi Schweiz haben sich viele niedrigere Preise erhofft. Viel günstiger ist der deutsche Discounter jedoch nicht.»

Man kam in die Schweiz, um hiesige Kaufkraft abzuschöpfen. «Aldi-Chefs sind clevere Kaufleute, die mit spitzem Stift rechnen», sagt Queck, «ohne Not wird selten ein Preiskrieg angezettelt.» Kommt dazu: Die Platzhirsche waren schlau genug, ihre Tiefpreislinien zu positionieren. Migros drehte die 1996 gegründete Linie-M-Budget auf; Coop, lange zaudernd in dieser Hinsicht, lancierte Anfang 2005 Prix Garantie als Gegengift zur befürchteten Aldi-Attacke.

Die Zeiten werden härter

Kein Preis-Erdbeben, innovative Standortwahl, Anpassung ans neue Habitat, gelungener Lieferantenaufbau: Der Neuling konnte sich gegen all die Zweifler durchsetzen. «Insgesamt gesehen ist Aldi der perfekte erste Wurf in der Schweiz gelungen», konstatiert Queck.

Aber jetzt werden die Zeiten härter. Seit 2011 ist die Expansion ins Stocken geraten. Nur noch zehn Filialen oder weniger hat man seither pro Jahr zulegen können. Aldi lahmt. Schlimmer noch: Seit 2011 stagniert die Zahl der Schweizer Kunden, die mindestens einmal jährlich bei Aldi Suisse einkaufen.

Zwar gehen gemäss einer Comparis-Studie 33 Prozent der Schweizer regelmässig zu Aldi und Lidl. Respektable Basiswerte. In der Tendenz aber konnte Aldi die Zahl der regelmässigen Kundschaft nicht mehr steigern, die Zahl der kaufenden Haushalte pro Jahr war gemäss Zahlen der Marktforscher von Nielsen 2014 sogar erstmals rückläufig.

«Weckruf für die Platzhirsche»

Einer, der Aldi seit Markteintritt eng beobachtet und mit den Deutschen in Standortfragen ad hoc kooperierte, ist Heinz Wälti, der bis Mitte 2014 Landi Schweiz führte und diese in über 20 Jahren zu einem Milliarden-Player machte. «Aldis Markteintritt war ein Weckruf für die Platzhirsche und letztlich befruchtend. Die Schweizer haben ihre Swissness erst wieder entdeckt, als Aldi darauf setzte», sagt der Retail-Routinier.

Auch Wälti fällt Aldis stockende Expansion, verbunden mit plötzlichen Rabatten und einem untypischen Kundentreuesystem auf. Er sieht einen Treiber, der nun selber zum Getriebenen wird: «Lidl macht Aldi hierzulande zusehends das Leben sauer.» Lidl Schweiz – aktuell 102 Filialen – entwickelt sich bei Expansion und Kundenfrequenzen dynamischer als Aldi.

Fernziel von 300 Filialen

Gemäss Aldi-Suisse-Länderchef Timo Schuster wird ein Fernziel von 300 Filialen angestrebt. Bis wann – das lässt man offen. Zurzeit sind es 178 Läden, bis Ende 2015 sollen zwei hinzukommen. Hält der derzeitige Trott an, dauert es mindestens zehn Jahre, bis man bei 300 Läden anlangt.

Ein neues Verteilzentrum, das 2016 im luzernischen Perlen eröffnet wird, könnte 100 neue Filialen speisen. Wenn man Landeplätze findet: «Es ist seit 2012 immer schwieriger, geeignete Standorte für das Aldi-Suisse-Filialkonzept zu finden», heisst es in der Zentrale.

Einfacher wird es nicht. Der Schweiz kommen die Millionen-Kiesgruben zusehends abhanden.

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