Die Bank-Vontobel will ihre Online-Beratungslösung «Volt», die sie unlängst mit Raiffeisen lanciert hat, auch ins Ausland bringen. Das sagt Vontobel-Chef Zeno Staub im Interview mit der «Handelszeitung». In der Schweiz arbeite man exklusiv mit Raiffeisen zusammen. «Aber es ist absolut unsere Ambition, das international zu skalieren.» Einem eigenen Digitalauftritt für Retailkunden macht Staub eine Absage. «Es entspricht nicht unserer Strategie selber in der Schweiz eine retailfähige Marke aufzubauen.»
Dem reinen Bilanzgeschäft der Banken sagt Staub eine ungute Zukunft voraus. Dieses ist für ihn eine reine Vermittlertätigkeit, welche Opfer einer digitalen Disruption werden könnte. Ähnlich wie die Taxizentralen, welche von Apps wie Uber verdrängt wurden. Vontobel sei eigentlich «keine Bank», und daher auch nicht von dieser Thematik betroffen. Über Banken mit viel Bilanzgeschäft meint er jedoch: «Wenn ich da wäre, würde ich genau anschauen, womit ich mich profilieren würde.»
Herr Staub, sie sind jetzt seit acht Jahren CEO und werden dieses Jahr 50.
Ist das so…?
Das ist so. Die Verweildauer eines durchschnittlichen CEO haben Sie bereits hinter sich. Werden Sie bei Vontobel als Chef pensioniert werden?
Wenn man solch eine Aufgabe hat, sollte man sie mit einem offenen Horizont ausüben. Sie wollen ja Entscheide treffen können, deren komplette Wirkung erst in vier oder fünf Jahren sichtbar werden. Natürlich gilt auch für einen CEO, dass es im Alltag immer ein Auf und Ab gibt. Aber ich mache meine Arbeit gerne.
Sie haben also keine Wechselgelüste?
Nein.
Dafür werden Sie auch stolz entlöhnt. Im letzten Jahr erhielten Sie 3,7 Millionen Franken – oder 1,6 Prozent des Konzerngewinns. Kaum ein anderer CEO in der Schweiz hat einen so hohen Anteil.
Grundsätzlich entscheidet der Verwaltungsrat über die Kompensation. Auch sollte man über eine lange Frist urteilen und den Lohn in einen Zusammenhang mit dem Unternehmenswert und der Unternehmensentwicklung stellen. Und am Schluss ist die Grösse eines Unternehmens nicht unbedingt der Treiber für die Komplexität der Aufgabe. Es ist einfacher, einen grossen Monoliner mit 100'000 Mitarbeitern zu führen als ein diversifiziertes Unternehmen in verschiedenen Märkten mit drei unterschiedlichen Geschäftsbereichen. Da braucht es andere Qualitäten.
Können Sie nachvollziehen, dass für den Mann von der Strasse 3,7 Millionen Franken viel sind?
Mein Vater war Handwerker, ich bin ein Produkt des öffentlichen Bildungssystems. Ich wohne hier in der Stadt Zürich und nicht steueroptimiert. Meine Kinder gehen in öffentliche Schulen. Ich glaube, dass Demokratien und offene Gesellschaften nur dann in Frieden miteinander leben und erfolgreich sein können, wenn man zwei Dinge erreicht: Sie müssen Chancengleichheit haben, und dafür braucht es Umverteilung und staatliche Eingriffe. Das ist anders gar nicht herstellbar. Das habe ich in meinem eigenen Leben erfahren und versuche, einen Beitrag dazu zu leisten, dass das so weiter geht. Ob das genügt, müssen andere beurteilen. Aber wir müssen auch damit leben, dass am Ende nicht alle gleich viel haben. Das einzige Ergebnis, bei dem alle gleich viel haben, ist, wenn alle nichts haben. Und das wollen wir sicher nicht.
Name: Zeno Staub
Funktion: CEO Vontobel
Alter: 49
Familie: Verheiratet, zwei Töchter
Wohnort: Zürich
Ausbildung: Zeno Staub hat 1988 bis 1992 an der Universität St. Gallen studiert und 1997 promoviert.
Karriere:
1994 bis 2000: Almafin AG
2000: BZ Informatik AG
2001: Eintritt Bank Vontobel
2003: Finanzchef Vontobel
2006: Chef Investment Banking
2008: Chef Asset Management
2011: CEO Bank Vontobel
Als Student haben Sie bei der Bank Wegelin in St. Gallen gearbeitet. Sie ging letztes Jahr als Notenstein La Roche von der Raiffeisen an die Vontobel über. Wie viel alte Wegelin ist da noch drin?
Das Zimmer, in dem ich einst zusammen mit anderen Studenten arbeitete, ist heute das Büro eines Kundenberaters. Erkenne ich die Bank noch? Ja und nein. Die Wurzeln von Wegelin und der ebenfalls in Notenstein aufgegangenen Bank La Roche mit ihren Werten «schweizerisch» und «unabhängig» korrespondieren vielfach mit dem Charakter von Vontobel. Auch wir fühlen uns der Unabhängigkeit verpflichtet mit unserem schweizerischen Mehrheitsaktionär. Zusätzlich bringen wir Zukunftsfähigkeit, Technologieorientierung und Internationalität mit. Die Kombination macht deshalb Sinn.
Und was brachte Notenstein la Roche mit?
Das Unternehmerische: Sie spüren in der Ostschweiz den Geist, etwas machen zu wollen. Die Ostschweizer – und ich bin auch einer davon – wollen der Schweiz zeigen, dass sie eine unterschätzte, aber wichtige Wirtschaftsregion sind. Das ist gut. Wegelin und La Roche waren– und ich meine das nicht überheblich – stolze Organisationen. Sie waren lange erfolgreich, Gewinner. Das hat in den letzten fünf Jahren gelitten.
Mussten Sie den Leuten wieder Mut machen?
Ich bin ja kein Fussballer, aber es geht darum, auf den Platz zu gehen, um zu gewinnen. Das braucht ab und zu etwas Zeit. Man muss heute im Private Banking den Kunden beweisen und belegen, dass man die Kompetenz hat. Tradition allein reicht da nicht mehr. Wir sind lokal verwurzelt, haben aber gleichzeitig einen institutionellen Motor im Hintergrund. Unsere Berater wissen, dass sie eine sehr gute Ausrüstung haben, wenn sie auf den Platz gehen.
«Bei allem Respekt vor den Wurzeln und der Geschichte von Wegelin und La Roche – wir haben immer klar gemacht, dass das keine Fusion unter Gleichen ist.»
Zeno Staub
Bevor Sie auf Sieg spielen können, müssen Sie den Abfluss von ein paar Milliarden Franken an verwalteten Vermögen verkraften. Nicht alle Kunden wechselten zu Vontobel. Zuletzt haben sich die früheren Partner von La Roche in Basel verabschiedet.
Es ist nie schön, Kunden zu verlieren. Vielleicht waren wir zu Beginn der Übernahme etwas zu optimistisch. Wir sind aber im Rahmen dessen, was üblicherweise bei solchen Übernahmen passiert. Es hat hier und da vielleicht etwas gerumpelt, aber da muss man durch. Die Integration ist mittlerweile weitestgehend abgeschlossen. Wir wollen eine Firma mit einer Plattform und einer einzigen Wachstumsstrategie sein. Da können Sie keine Kompromisse eingehen. Mit all dem Wissen, das ich damals noch nicht hatte und jetzt habe, würde ich die Übernahme noch einmal machen.
Hat es in Basel etwas mehr gerumpelt, weil man keinen Kompromiss fand?
Das müssen andere beurteilen. Was bei einer Integration wichtig ist: Bei allem Respekt vor den Wurzeln und der Geschichte von Wegelin und La Roche – wir haben immer klar gemacht, dass das keine Fusion unter Gleichen ist, sondern dass wir Notenstein übernehmen und auf unsere Plattform und unser Geschäftsmodell migrieren. Wir lernen gerne von anderen, aber wir gehen letztlich unseren Weg.
Musste man falschen Stolz brechen?
Nein. Ein gebrochener Stolz ist nie die Basis für eine erfolgreiche Zukunft. Wir glauben, Vermögensverwaltung hat wenig mit der Vergangenheit und viel mit der Zukunft zu tun. Sie brauchen den Stolz zu sagen: wir haben die Fähigkeit, gemeinsam mit dem Kunden die Zukunft zu meistern. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, um bei den Fussballfloskeln zu bleiben. Wir sind auch nicht die, die sagen: Es war schon immer so und wir haben das schon immer so gemacht.
Wie viele Notenstein-Standorte behalten Sie?
Alle. Denn wir glauben an den Heimmarkt Schweiz, und der ist föderal aufgebaut. An vielen Orten spüren wir noch immer, dass man uns als Zürcher Bank sieht. Wir wollten im Privatkundengeschäft aber eine nationale Marke werden, die man weder in Lugano noch in Genf oder St. Gallen einer einzigen Region zuordnet. Dafür braucht es regionale Präsenz. Die haben wir heute.
Streben Sie weitere Übernahmen wie Notenstein an?
Wir suchen nicht gleich morgen wieder eine substanzielle Akquisition, aber würden sicher die eine oder andere Arrondierung machen, wenn sich das ergäbe. Wir hatten in der Vergangenheit immer eine klare Strategie für unsere Käufe. Im Asset Management waren wir auf Aktien spezialisiert. Daher tätigten wir mit TwentyFour ein Investment im Fixed Income. Und mit Vescore konnten wir quantitative Kompetenzen einkaufen. In der Vermögensverwaltung haben wir uns mit Finter den Marktzugang zu Italien gekauft, wo wir jetzt die kritische Grösse haben. Und bei Notenstein ging es darum, unsere Plattform in der Schweiz skalieren zu können, so dass wir nun eine starke Basis haben, um organisch zu wachsen.
Sie haben mit Italien ein starkes Gewicht in einem schwierigen Markt: Der Marktzugang fehlt, die Vergangenheit ist nicht abschliessend aufgearbeitet und politisch ist das Land instabil.
Wir sind seit 2001 in Italien, das ist einer unserer Fokusmärkte. Italien muss man differenziert betrachten. Im Norden ist das ein aktives und in vielen Bereichen erfolgreiches Land. Wir bedienen die lokalen Banken mit Anlagefonds. Im Wealth Management hatten die vermögenden Oberitaliener immer das Bedürfnis, einen Teil des Vermögens international anzulegen. Überdies haben viele italienische Kunden weiterhin eine Affinität für die Schweiz, aber das Geschäft ist aufwändiger geworden. Man muss Büros vor Ort haben.
«Bedeutet onshore, dass man vor Ort bucht und mit lokalen Banken mit lokalen Produkten in Wettbewerb tritt, dann ist Vontobel nie onshore tätig. Wir haben das in Österreich, Italien oder Dubai versucht, und es hat nicht funktioniert.»
Zeno Staub
Sie sind also onshore in Italien aktiv?
Zunächst, was heisst heute onshore und was offshore? Bedeutet onshore, dass man vor Ort bucht und mit lokalen Banken mit lokalen Produkten in Wettbewerb tritt, dann ist Vontobel nie onshore tätig. Wir haben das seinerzeit in Österreich, Italien oder Dubai versucht, und es hat nicht funktioniert. Sie müssen bei Ihren Leisten bleiben, und so machen wir das auch in Deutschland. Wenn Sie unsere Bank in München betreten, erhalten Sie das gleiche Produktangebot wie hier in Zürich. Niemand redet da mit ihnen über deutsche Small und Mid Caps. Dafür kommt in München kein Kunde in unsere Niederlassung.
Das wir Sie richtig verstehen: Vontobel ist also auch onshore in einem Offshore-Modus?
Die zwei Begriffe kommen aus einer Zeit, als es um Buchungsstandards und unterschiedliche Steuersysteme ging. Das gibt es nicht mehr. Heute geht es um den Ort der Beratung. Da verschwimmen die Welten, denn der Kunde will zwar seinen Berater, hat aber zunehmend auch eine digitale Komponente. Dann ist wichtig, was wir ihm als Investment Offering bieten. Und erst in dritter Linie stellt sich die Frage, wo gebucht wird. Im US-Geschäft hat der Berater sein Büro entweder in Zürich, Genf oder New York. Das Angebot ist überall das gleiche. Und dann kann man wählen, ob in der Schweiz gebucht wird oder in New York bei einer Partnerbank.
Sie sind auch in Dubai vor Ort. Rund hundert Millionen Franken Ertrag stammen von dort.
Ja, aber das ist ein ganz anderes Geschäft. Dubai ist für uns ein Standort, um verrechnungssteuerfreie, strukturierte Produkte zu emittieren.
Wie Luxemburg?
Ja. Ohne Steuerabkommen kauft kein Kunde ein strukturiertes Produkt, das nicht verrechnungssteuerfrei ist. Luxemburg ist stark im Fondsgeschäft, aber die Spezialisten für strukturierte Produkte sind in Dubai.
Haben Sie in Dubai kein lokales Geschäft?
Nein. Wir haben vor langer Zeit einmal versucht, in Dubai ein Onshore-Geschäft aufzubauen.
Jetzt sucht Vontobel ihr Glück vermehrt in Asien, obwohl Sie früher mal sagten, da gebe es schon zu viel Konkurrenz.
Das Glück zu suchen, halte ich nicht für eine erfolgversprechende Strategie (lacht)… Aber im Ernst: 60 Prozent des künftigen Bevölkerungswachstums und ein grosser Teil des Wirtschaftswachstums wird in Asien stattfinden. Darum sind wir seit 2007 mit dem Asset Management in Asien. Wenn man das etwas weiter definiert, kann man auch Australien und Neuseeland dazu nehmen. Japan ist der zweitgrösste Markt für institutionelles Asset Management. Und Australien ist der am schnellsten wachsende Asset Management Markt. Daher haben wir ein Büro in Sydney und werden nun auch noch eines in Tokio eröffnen. Im Bereich Finanzprodukte sind wir seit zwei Jahren Emittent in Hong Kong. Wir sind zufrieden mit der Entwicklung, aber das braucht Zeit. Das wird ein kontinuierlicher, langsamer Aufbau.
Und wie gehen Sie im Private Banking vor?
Da sehen wir unsere Stärken sicher nicht in einem vom Investment Banking getriebenen Geschäftsmodell, wie es viele Banken in Asien anbieten. Es entspricht nicht unserem Profil, einem asiatischen Unternehmer vor Ort dabei zu helfen, ein Geschäft aufzubauen. Dazu braucht es Handelskredite, Firmenkredite, aggressive Hebelwirkung oder Beratung in Kapitaltransaktionen. Andere können das besser. Wir sind der richtige Partner, wenn Kunden beginnen, unternehmerischen Wohlstand in Finanzanlagen zu diversifizieren. Wenn es um Vermögensaufbau und -erhalt geht. Oder um Generationenübergänge.
Das ist ein sehr traditioneller Ansatz.
Was heisst schon traditionell? Sie müssen sich einfach fragen, wo Sie dem Kunden einen Mehrwert bieten können. Der durchschnittliche Hong-Kong-Millionär hat fünf bis sechs Banken. Jede Bank ist im Kreditgeschäft kompetitiv unterwegs. Wie gross ist unsere Erfolgswahrscheinlichkeit, wenn wir auf dem gleichen Gebiet mit diesen Banken in den Wettbewerb treten? Ist es traditionell zu sagen, ich will dem Kunden dort einen Mehrwert, wo meine Kompetenzen sind? Dann bin ich gerne traditionell. Ich wehre mich dagegen, als langweilig abgestempelt zu werden, nur weil wir vom Kundennutzen ausgehen.
Sind Sie mit diesem Ansatz, bestehendes Vermögen zu verwalten, nicht etwas früh unterwegs? In Asien sind die Vermögen erst am Entstehen.
Gratulation! Sie sind der erste, der diese Frage stellt. Und ich stelle sie mir manchmal auch. Ich weiss es nicht. Aber wir haben eine Ambition. Vontobel ist eine starke und unabhängige Bank. Eine Bank, die diese zwei Eigenschaften auch in fünf Jahren noch haben will, wird dann sicher eine stärkere asiatische Präsenz haben als heute. Aber wir machen nicht nichts in Asien. Wir sind schon seit 2007 vor Ort und haben in der Region Kundenvermögen von mehr als zehn Milliarden Franken.
«Ich habe kein Twint. Aber das liegt dran, dass ich ein Bargeldfreund bin.»
Zeno Staub
Asiatische Banken sind den europäischen auch bei der Digitalisierung weit voraus. Wann haben Sie das letzte Mal bar bezahlt?
(Überlegt) Ich würde sagen, letztes Wochenende im Restaurant.
In Restaurants bezahlen Sie bar?
Jawohl, ich bin ein bekennender Bargeldliebhaber.
Warum?
Weil ich gerne die Flexibilität habe und weil ich nicht immer aufs Zahlgerät warten mag. Ich habe auch auf Geschäftsreisen immer genug Bargeld im Portemonnaie, um das Taxi zum Flughafen bezahlen zu können. Natürlich habe ich auch eine Kreditkarte, und das meiste bezahle ich auch damit. Aber Sie können in meine Westentasche greifen; da hat es Bargeld drin.
Dann sind Sie kein Freund von Fintech-Apps.
Doch, doch. Mit meinem Kundenberater bei Vontobel telefoniere ich nicht, sondern chatte in der Regel mit der bankeigenen App. Ich kann mein Handy schon bedienen!
Nutzen Sie neue Zahlungsdienstleister wie Revolut?
Ich habe mich vor drei Monaten als Selbstversuch angemeldet. Super Kundenerlebnis! Extrem schnell und einfach.
Besser als Twint?
Ich habe kein Twint. Aber das liegt dran, dass ich ein Bargeldfreund bin.
Sind solche Apps eine Dimension des Bankings, die Sie nur als Kunde spannend finden? Oder muss Sie das auch als Bankchef interessieren? Zahlungsverkehr brachte man bisher nicht mit einer Vermögensbank wie Vontobel in Verbindung.
Wir werden auch keine Zahlungsverkehrs-App lancieren. Wir sehen uns ja eigentlich nicht als Bank. Richtig, wir verbuchen Kundengelder und stellen auch Lombardkredite aus, und das ist an eine Banklizenz gebunden. Aber wir sind ein Vermögensverwalter, keine Bank.
Da machen Sie eine scharfe Trennung?
Ja. Wir setzen auch alles daran, die Dienstleistungen in Richtung Beratung und Anlagelösungen zu verschieben. Denn darin sieht der Kunde einen Mehrwert und bezahlt uns auch dafür. Mit der Verwahrung von Vermögenswerten und Ausführung von Aufträgen wird man künftig nicht mehr viel verdienen. Unsere digitalen Lösungen befinden sich alle im Bereich der Anlagelösungen. Und trotzdem sind solche Payment-Apps auch für uns relevant, denn sie setzen neue Standards. Früher bewerteten die Kunden ein Restaurant ganz anders als eine Bank oder einen Detailhändler. Heute wollen sie überall das gleiche Kundenerlebnis. Es ist ja schön, wenn unsere Vontobel-App in den Top-5-Prozent der Bankenapps landet. Da gehört sie auch hin. Aber ein Taxi bestelle ich heute mit zwei Klicks und Uber weiss schon, wohin ich will, bevor ich einsteige. Dass muss unser Benchmark sein. Digitale Modelle greifen den Vermittler an. Daher braucht es auch keine Taxizentralen mehr. Und jetzt denken wir mal zurück an Lektion 1 in Volkswirtschaftslehre: Wer ist der Vermittler der Wirtschaft?
Die Banken.
Genau.
Das heisst: Das Bilanzgeschäft wird Opfer der Digitalisierung? Klassische Banken braucht es dereinst nicht mehr?
Ich sage nur: Wenn ich da wäre, würde ich genau anschauen, womit ich mich profilieren würde.
Techkonzerne wie Google gehen in den Zahlungsverkehr, weil man über die Zahlungsdaten viel über die Kunden lernt. Von diesem Informationsfluss sind Sie als reiner Vermögensverwalter ausgeschlossen.
In der physischen Welt ist das ganz sicher so. Im Digitalen arbeiten wir daran, das zu ändern. Ich glaube, dass die Kunden zunehmend bewusst mit ihren Daten umgehen. Die Zeiten der Gratisangebote, bei denen sie unbewusst ihre Daten weggeben, ist vorbei. Wir wollen dem Kunden aufzeigen, was er bekommt, wenn er uns Daten zur Verfügung stellt. Was ist die Stärke digitaler Lösungen? Sie sind kontextsensitiv, individualisiert und somit auch relevant. Daraus kann man ein proaktives Element ableiten, das Nutzen stiftet.
Und wie kommen Sie an diese Daten?
Indem wir dem Kunden sagen: wenn du Daten aus Drittquellen mit uns teilst, können wir dir zusätzliche Dienstleistungen anbieten. Wir haben jetzt ein zehnköpfiges Team für künstliche Intelligenz und Big Data aufgebaut, um solche Dienstleistungen zu entwickeln.
Haben Sie schon Schnittstellen, um an Daten zu kommen?
Da sind alle Banken erst am Anfang, auch wir. Zunächst mussten wir Spezialisten aus anderen Branchen dazu bringen, in die Finanzbranche zu wechseln. Das haben wir nun. Jetzt kommt der nächste Schritt.
Sie haben vor kurzem einen Robo-Advisor namens «Volt» lanciert, der mit Fonds arbeitet. Ist das nicht ein Widerspruch? Automatisierung und die traditionelle Verwaltung in Anlagefonds? Andere arbeiten mit Aktien oder passiven ETF.
Gehen wir zurück zur Frage, was Sie von einer digitalen Lösung erwarten: Individualität, Kontextsensitivität, Proaktivität. Mit welcher dieser Eigenschaften bringen Sie ein statisches Fire-and-forget-ETF-Portfolio in Verbindung?
Keine.
(haut auf den Tisch und lacht) Genau! Darum ist unsere digitale Lösung anders. Wir haben diese gleich aufgebaut wie die traditionelle Vermögensverwaltung. Mit einer Mischung aus langfristigen Strategien und taktischen Elementen. Daher ist das auch kein Robo.
Wenn man das Produkt für Raiffeisen anschaut und ihr Setup mit Vermögensverwaltung, Asset Management und Investment Bank – wäre der nächste logische Schritt nicht ein digitales, eigenes Retailprodukt?
Wir haben «Volt» aus einer Asset-Management-Logik heraus lanciert, denn es ist heute schlicht Standard, dass man den Vertriebspartnern so etwas anbietet. Es entspricht nicht unserer Strategie selber in der Schweiz eine retailfähige Marke aufzubauen. Daher haben wir uns entschieden, in unserem Heimmarkt mit Raiffeisen zu kooperieren. Der Retailkunde will am Ende eben auch ein Zahlungsverkehr-Produkt oder einen Kleinkredit, und das wollen und können wir nicht bieten.
Haben Sie mit Raiffeisen eine exklusive Partnerschaft?
In der Schweiz arbeiten wir im Bankenmarkt nur mit Raiffeisen zusammen. Aber es ist absolut unsere Ambition, das international zu skalieren.
An welche Märkte denken Sie da?
Das ist eine interessante Frage, mit der wir uns beschäftigen. Aber wir versuchen bei Vontobel, nicht Ankündigungs-Weltmeister zu werden. Lassen Sie sich überraschen.