Der Banker heisst Hansruedi Schumacher. Er war damals Private-Banking-Leiter der Neuen Zürcher Bank NZB und suchte im Sommer 2008 für 500 Millionen Franken an unversteuerten Vermögen von amerikanischen UBS-Kunden eine neue Depotbank. Die ZKB biss an und zahlte der NZB statt der bisherigen Beibringungskommission («finder’s fees») von 0,3 Prozent eine Kommission von 0,5 Prozent auf den eingebuchten, undeklarierten Vermögen.
Die damalige Schwarzgeld-Praxis der Staatsbank ist Gegenstand einer Vereinbarung mit US-Justiz, welche die ZKB jüngst geschlossen hat. Sie verpflichtet sich darin zur Zahlung von rund 100 Millionen Dollar, um den Steuerstreit mit den Amerikanern zu beenden. Die Summe ist deutlich tiefer als bei anderen Schweizer Banken.
Doch der Reihe nach: Es ist Juni 2008. In den USA hat sich Bradley Birkenfeld gerade der Steuerhinterziehung für schuldig bekannt. Der UBS-Kundenberater beichtet den US-Behörden die Schwarzgeld-Praxis und bringt damit die Grossbank ins Wanken. Heerscharen an Amerikanern mit unversteuerten Vermögen suchen das Weite. Der UBS droht eine alles vernichtende Anklage durch das Department of Justice.
Keine schriftliche Garantie
Am ZKB-Hauptsitz an der Zürcher Bahnhofstrasse präsentiert derweil Hansruedi Schumacher Powerpoint-Slides vor hochrangigen Staatsbänklern. Darunter sind der damalige Leiter für die Beratung von Firmenkunden, der heute eine ZKB-Tochter führt, sowie ein Jurist, der Stiftungen aufsetzt und Finanzplanung macht. Schumachers Geschäftsopportunität ist dem Fachpublikum einfach zu erklären: Er hat rund 500 Millionen Franken an unversteuerten Vermögen von amerikanischen UBS-Kunden an der Hand und sucht für die Gelder eine neue Depotbank.
Der Präsentator ist seines Zeichens Private-Banking-Chef der Neuen Zürcher Bank NZB, die kurz zuvor mehrere ehemalige UBS-Kundenberater angeheuert hat. Ihre steuersäumige Klientschaft - mehreren hundert vermögenden Amerikaner - braucht dringend einen neuen «safe haven», nachdem über der UBS das Damoklesschwert der US-Justiz hängt. Deshalb macht Schumacher die Runde bei möglichen Depot-Partnern wie Julius Bär, Bank Sarasin oder eben der öffentlich-rechtlichen Anstalt namens ZKB. Seinen Berufskollegen vom Staatsinstitut versucht er die Furcht vor den nicht-deklarierten UBS-Assets aus USA mit einer klaren Botschaft zu nehmen: Wenn zwischen Depotbank und steuersäumigen US-Kunden ein heimischer externer Vermögensverwalter - in diesem Fall die NZB - geschaltet ist, der keine Konnex zu den Vereinigten Staaten hat, dann liegt für die depotführende Bank kein Verstoss gegen die US-Vorschriften für die Quellensteuer auf Vermögenserträgen vor. Kurz: Das Geld bleibt schwarz, der US-Fiskus im Dunkeln, und die Bank ist rechtlich aus dem Schneider.
Dies zumindest versichert er den ZKBlern mündlich. «Eine schriftliche Garantie zum Schutz vor Rechtsrisiken habe ich der ZKB aber nie abgegeben», sagt Hansruedi Schumacher, den die «Handelszeitung» im Zürcher Bankenviertel zum Kaffee trifft. Er erinnert sich, dass es nach seiner Kurzpräsentation auch eine ausführliche Diskussion über mögliche Konsequenzen gegeben hat: «Man war sich des Risikos bei der ZKB sehr wohl bewusst», sagt Schmumacher. Vor allem der interne Jurist habe vor rechtlichen Folgen gewarnt, die Bank mache sich in den USA angreifbar, während der Desk für Externe Vermögensverwalter auf die stattlichen Neugelder drängte.
Beibringungskommission erhöht
Der Entscheid, ob die Staatsbank das amerikanische Schwarzgeld einbucht, fällt jedenfalls nicht an jenem Meeting im Juni 2008. Man bespreche sich intern, lies man Schumacher vielmehr wissen. Nur wenige Tage später erhält die NZB von der ZKB schriftlich einen positiven Bescheid. «Man wollte das Geschäft und hat uns entsprechend incentiviert», erinnert sich Schumacher. Statt der bisher üblichen Beibringungskommission («finders fee») von 0,3 Prozent erhielt die NZB für die unversteuerten UBS-Vermögen eine Kommission von 0,5 Prozent, sagt er.
Schumacher kann oder will sich nicht mehr erinnern, wer innerhalb der ZKB grünes Licht gegeben hat für das Onboarden des amerikanischen Schwarzgeldes. Die ZKB ihrerseits will sich zum Steuerstreit nicht mehr äussern: Alles relevante stehe im «Statement of Facts» des US-Justizdepartements, heisst es.
Ein anderer ehemaliger NZB-Mann verweist auf das Firmenarchiv der Bank, die 2011 ihre Finma-Lizenz zurückgegeben hat. Im Archiv fände sich noch jener schriftliche Bescheid der ZKB, unterzeichnet von den damals verantwortlichen Bankern.
Fest steht, dass der schicksalshafte Entscheid im Juni 2008 massgeblich zur 100-Millionen-Dollar-Ablasszahlung der Bank an die US-Justiz beigetragen hat. Denn mit dem Inflow an UBS-Geldern erreicht das amerikanische Schwarzgeld bei der ZKB im Jahre 2008 den absoluten Höchststand von 794 Millionen Dollar. Zum damaligen Kurs umgerechnet gegen eine Milliarde Schweizer Franken. Sechs Jahre zuvor waren es bloss 289 Millionen Dollar gewesen.
Und fest steht auch, dass der Entscheid, die UBS-Gelder der NZB einzubuchen, unter der Ägide des heute noch amtierenden Bankchefs Martin Scholl gefallen ist. Die Frage, ob Scholl beziehungsweise die damalige ZKB-Generaldirektion vom Deal mit Schumacher wusste und ihn gar absegnete, bleibt unbeantwortet.
Chef Scholl zum Lunch getroffen
Das Geschäft mit externen Vermögensverwaltern wie der NZB war damals der Firmenkunden-Sparte unterstellt. Sie wurde geleitet von Charles Stettler, der Ende 2010 pensioniert wurde und heute unter anderem im Verwaltungsrat von Martin Ebners BZ Bank sitzt.
Vor Stettler leitete der heutige ZKB-Chef Martin Scholl von 2002 bis 2006 die Sparte. Soweit er sich erinnern könne, habe er Scholl im 2004 oder 2005 erstmals zum Lunch getroffen, so Schumacher. Dies im Rahmen eines Geschäftsessens zwischen Führungsleuten beider Banken. Schliesslich war die NZB bereits damals für die ZKB einer der wichtigsten Kunden unter den externen Vermögensverwaltern. Schwarzgeld sei dank.