Die Pilotanlage hat Ähnlichkeit mit einem Staubsauger. Zwei Gasschläuche führen von einem silbernen Kasten ins Freie – einer zum Ansaugen und einer zum Wegblasen der Luft. Stolz präsentieren Christoph Gebald und Jan Wurzbacher ihre Innovation im Entwicklungslabor ihrer Firma Climeworks. Das vor vier Jahren gegründete Startup beschäftigt im Zürcher Technopark inzwischen zehn Mitarbeitende.
Im silbernen Kasten selbst werden die klimaschädlichen CO₂-Moleküle aus dem Luftgemisch herausgefiltert. Das geschieht in einem Zelluloseschaum, den Climeworks zusammen mit Empa und der ETH entwickelt hat. «Dessen genaue Zusammensetzung ist streng geheim und patentrechtlich geschützt», erklärt Geschäftsführer Wurzbacher. Das Prinzip des Prozesses ist verblüffend einfach: Mikrometerlange Fäden binden das CO₂ chemisch an ihre Oberfläche. Sind sie gesättigt, wird das Gas durch Erwärmen aus dem Filter gelöst und separat gespeichert. Der «Waschprozess» ergibt als Endprodukt Kohlendioxid. Liegt das Gas in reiner Form vor, ist es nicht länger ein klimaerwärmender Schadstoff, sondern ein erneuerbarer Rohstoff. So wird reines Kohlendioxid als Düngemittel in Treibhäusern oder zur Karbonisierung von Mineralwasser benötigt und in verschiedenen industriellen Prozessen eingesetzt.
Hinter der Pilotanlage, die nun seit einem Jahr fast pausenlos läuft, stecken 15 Jahre Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Zehn davon sind Grundlagenforschung von Professor Aldo Steinfeld am ETH-Institut für Energietechnik. Unter ihm bauten Gebald und Wurzbacher im Rahmen ihrer Dissertation im Labor einen Prototyp. Er lieferte den Beweis, dass das Prinzip funktioniert, auch wenn das kleine Gerät bloss einige Gramm CO₂ aus der Luft gewinnen konnte. Um die Technologie für grössere Mengen zu skalieren und zu kommerzialisieren, gründeten die beiden Ingenieure Climeworks.
Exklusivvertrag mit Audi
Die Pilotanlage ist zwar tausendmal leistungsfähiger als das erste Laborgerät. Doch mit einer Ausbeute von 4 Kilogramm CO₂ pro Tag lässt sich damit noch kein lohnendes Geschäft betreiben. CO₂ ist ein verhältnismässig billiger Rohstoff. Um eines Tages CO₂ gewinnbringend verkaufen zu können, müssen also leistungsfähigere Anlagen her. «Wir setzen auf ein modulares Konzept», verrät Gebald. Derzeit entsteht eine erste industrielle Anlage aus 24 Modulen, die 1000 Tonnen CO₂ liefern kann. Gebald und Wurzbacher verhandeln mit einem Getränkehersteller, der die Anlage zur Karbonisierung des Mineralwassers einsetzen möchte. Bis Ende März soll das erste Modul, bis Ende Jahr die ganze Anlage fertig sein.
Climeworks hat aber mit der entwickelten Technologie weitaus Grösseres vor. Aus dem gewonnenen CO₂ lässt sich – zusammen mit Wasserstoff – auch synthetischer Treibstoff herstellen: Klimaneutral, in einem geschlossenen Kreislauf. Das interessiert auch Autobauer Audi, der mit Climeworks einen Exklusivvertrag abschloss. Audi produziert bereits heute synthetisches Methan, bei dem das benötigte CO₂ jedoch aus einer Biogasanlage stammt. «In Zukunft könnten wir das CO₂ selbst bereitstellen, mit einer grossen Anlage von Climeworks», denkt der beim Konzern für Zukunftsmaterialien und erneuerbare Energien zuständige Hagen Seifert laut nach. Er sieht in der Technologie des ETH-Spin-off einen zentralen Baustein auf dem Weg in eine CO₂-neutrale Mobilität. Aus dem synthetischen Methan könnten in einem nächsten Schritt sogar auch nachhaltig erzeugte Kunststoffteile gefertigt werden. Für die Gründer von Climeworks hat das Abenteuer eben erst begonnen.